Nur ein Ja ist ein Ja: Wie in Slowenien und anderen europäischen Staaten, soll dies auch in der Schweiz im Gesetz verankert werden. Plakate der Kampagne für eine Zustimmungslösung im Sexualstrafrecht. © Amnesty International Schweiz
Nur ein Ja ist ein Ja: Wie in Slowenien und anderen europäischen Staaten, soll dies auch in der Schweiz im Gesetz verankert werden. Plakate der Kampagne für eine Zustimmungslösung im Sexualstrafrecht. © Amnesty International Schweiz

Slowenien: Good News Sex ohne Einwilligung als Vergewaltigung anerkannt

7. Juni 2021
Erfolg im Kampf gegen sexualisierte Gewalt: Das slowenische Parlament hat Änderungen des Strafgesetzes angenommen, nach denen eine sexuelle Handlung ohne Einwilligung als Vergewaltigung definiert wird.

Das slowenische Parlament hat am 4. Juni 2021 Änderungen des Strafgesetzes angenommen, nach denen eine sexuelle Handlung ohne Einwilligung als Vergewaltigung definiert wird. Nötigung, die Anwendung oder Androhung von Gewalt sowie die Unfähigkeit, sich zu verteidigen, sind demnach nicht mehr als Bedingungen erforderlich, damit eine Tat als Vergewaltigung gilt. 

Cyrielle Huguenot, Verantwortliche für Frauenrechte bei Amnesty Schweiz, sagt zu diesem Entscheid: «Dieser Entscheid des slowenischen Parlaments ist ein historischer Entscheid im Kampf gegen sexuelle Gewalt und ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Veränderung gesellschaftlicher Diskriminierung von Frauen und tiefverwurzelter Einstellungen und Verhaltensweisen.» 

Bisher legte das slowenische Strafgesetzbuch fest, dass Nachweise für Gewaltanwendung bzw. Androhung von Gewalt vorliegen mussten, um eine sexuelle Handlung als Vergewaltigung einzustufen.

Der Parlamentsentscheid ist das Ergebnis der jahrelangen Kampagnenarbeit von Überlebenden, die dazu beigetragen haben, dass andere nicht das durchmachen werden, was sie selber ertragen mussten.» Cyrielle Huguenot, Verantwortliche für Frauenrechte bei Amnesty Schweiz

 
Die Abänderung der gesetzlichen Bestimmungen ist das Resultat einer langen Kampagne, in der sich Einzelpersonen und zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch Amnesty International, für eine neue Definition eingesetzt haben. «Der Parlamentsentscheid ist das Ergebnis der jahrelangen Kampagnenarbeit von Überlebenden, die dazu beigetragen haben, dass andere nicht das durchmachen werden, was sie selber ertragen mussten», so Cyrielle Huguenot.

«Wir hoffen, dass das Signal aus Slowenien ein weiteres positives Signal setzt für die Revision des Sexualstrafrechts in der Schweiz», so Cyrielle Huguenot (siehe Hintergrund).

Hintergrund

Slowenien hat 2015 die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt ratifiziert. Darin ist festgelegt, dass eine Vergewaltigung und jede sexuelle Handlung ohne Einverständnis der anderen Person als Straftat gelten. 
 
Europäische Länder, die die Vergewaltigungsdefinition entsprechend dem Einwilligungsmodell bereits abgeändert haben, sind neben Deutschland auch Belgien, Kroatien, Zypern, Dänemark, Griechenland, Island, Irland, Luxemburg, Malta, Schweden und dem Vereinigten Königreich. In Spanien und den Niederlanden werden derzeit Konsultationen zu ähnlichen Gesetzesvorlagen durchgeführt.

Schweizer Kampagne für die Zustimmungslösung

In der Schweiz läuft die Revision des Strafgesetzbuches, die Vernehmlassung zum Vorentwurf für das «Bundesgesetz für eine Revision des Sexualstrafrechts» schloss am 10. Mai 2021. Die Rechtskommission des Ständerates wird ab August den Vernehmlassungsbericht behandeln und den aktuellen Gesetzesentwurf prüfen. Amnesty International ruft das Schweizer Parlament dazu auf, dem Entscheid von Slowenien und den 12 oben genannten europäischen Ländern zu folgen und nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung zu definieren. Die neue Vergewaltigungsdefinition sollte sich nach dem «Ja heisst Ja»-Modell richten, das in der Vernehmlassung von zahlreichen Organisationen und Fachpersonen gefordert wurde, darunter Parteien, Kantonen, Beratungsstellen, NGOs, Strafrechtsprofessor*innen und Psychotherapeut*innen.