Türkei Klima der Angst

Medienmitteilung 29. Juli 2016, London/Bern – Medienkontakt
In der Türkei sind mehr als 131 Medienunternehmen geschlossen worden, mehr als 40 Journalistinnen und Journalisten wurden verhaftet. Die unter dem Ausnahmezustand erlassenen Dekrete der türkischen Regierung sind weder zwingend notwendig, noch legitim oder verhältnismässig

Die Menschen in der Türkei leiden bereits seit zwei Wochen unter dem Ausnahmezustand, der für vorläufig drei Monate ausgerufen wurde. Die Einschüchterung und Unterdrückung der Zivilgesellschaft und die Einschränkung der Pressefreiheit hat inzwischen ein beispielloses und erschreckendes Niveau erreicht. 

«Der Erlass dieses neuen Dekrets lässt keinen Zweifel mehr offen, dass die Regierung alle Kritikerinnen und Kritiker zum Schweigen bringen will – ohne Respektierung des internationalen Rechts» Fotis Filippou, stellvertretender Europa-Direktor Amnesty International

Gegen 89 Journalistinnen und Journalisten liegen Haftbefehle vor, 40 wurden bereits inhaftiert, andere sind untergetaucht. Am 27. Juli wurde ein Dekret unter dem Ausnahmezustand erlassen, das zur Schliessung von 131 Medienhäusern führte.

«Verhaftung von Journalistinnen und Journalisten, Schliessung von Redaktionen – das sind nur die jüngsten Angriffe auf die Pressefreiheit, die schon in den vergangenen Jahren unter der repressiven Regierung massiv eingeschränkt worden war. Der Erlass dieses neuen Dekrets lässt keinen Zweifel mehr offen, dass die Regierung alle Kritikerinnen und Kritiker zum Schweigen bringen will – ohne Respektierung des internationalen Rechts», sagt Fotis Filippou, stellvertretender Europa-Direktor von Amnesty International.

«Selbst während eines Ausnahmezustandes dürfen Freiheitsrechte nur eingeschränkt werden, wenn dies notwendig, legitim und verhältnismässig ist. Die beiden Vorschriften, die jetzt erlassen wurden, erfüllen keines dieser drei Kriterien; sie stehen im krassen Widerspruch zu den Behauptungen der Regierung, dass sie die Menschenrechte achten und Rechtsstaatlichkeit garantieren würde.»

Vor diesem zweiten Dekret zur Einschränkung der Medienfreiheit hatte die Regierung bereits am 23. Juli ein erstes Dekret erlassen, nachdem die Untersuchungshaft bis auf 30 Tage ausgedehnt werden kann. Amnesty International hat glaubwürdige Hinweise veröffentlicht, dass Inhaftierte misshandelt und gefoltert wurden. Anwältinnen und Anwälte durften nicht mit ihren Klienten sprechen – ein klarer Bruch internationalen Rechts.

«Die türkischen Behörden müssen die Verantwortlichen des Militärputsches, die Menschen getötet und Menschenrechte verletzt haben, vor Gericht stellen. Dabei müssen aber die Prinzipien eines fairen Gerichtsverfahrens garantiert werden, das absolute Folterverbot muss eingehalten und die Menschenrechte müssen geschützt werden. Die Pressefreiheit zu zerschlagen widerspricht diesen Prinzipien und ist gesetzeswidrig», sagt Fotis Filippou.

«Wir rufen die türkische Regierung zum wiederholten Male auf, Folter und Misshandlungen von Inhaftierten sofort zu stoppen und internationalen Beobachtern Zugang zu den Hafteinrichtungen zu gewähren.»