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Türkei Justizfarce: Amnesty-Direktorin und weitere Menschenrechtsaktivisten in U-Haft gesperrt

Medienmitteilung 18. Juli 2017, London/Bern Medienkontakt
Die Untersuchungshaft für zehn Menschenrechtsverteidiger in der Türkei, darunter die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, ist eine Justizfarce. Damit ist in der Türkei ein neuer Tiefpunkt für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit erreicht.

Die Direktorin der türkischen Amnesty-Sektion, Idil Eser, war am 5. Juli zusammen mit neun weiteren Aktivistinnen und Aktivisten während eines Workshops verhaftet worden. Sie befinden sich alle in Untersuchungshaft.

Alle 10 Menschenrechtler werden verdächtigt «ein Verbrechen im Namen einer Terrororganisation verübt zu haben, ohne Mitglied zu sein». Auch Taner Kiliç, der Präsident der türkischen Amnesty-Sektion, sitzt wegen völlig haltloser Terrorvorwürfe hinter Gittern.

«Politisch motivierte Hexenjagd»

«Die türkischen Staatsanwälte hatten 12 Tage Zeit, um festzustellen, was offensichtlich ist: Dass diese zehn Aktivistinnen und Aktivisten unschuldig sind», sagt Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty. «Die Entscheidung, das Verfahren fortzusetzen, zeigt, dass die Türkei sich von Recht und Gerechtigkeit verabschiedet hat. Das ist keine legitime Strafuntersuchung, sondern eine politisch motivierte Hexenjagd. Der Türkei steht eine beängstigende Zukunft bevor.»

Zu den absurden Vorwürfen gehört der Versuch, Idil Eser und ihre Arbeit für Amnesty International mit drei Organisationen in Verbindung zu bringen, die von der Türkei als Terrorgruppen angesehen werden, die aber gegensätzliche Ziele und Ideologien verfolgen. Der Antrag des Staatsanwalts, Idil Eser in Untersuchungshaft zu nehmen, nimmt Bezug auf zwei Kampagnen von Amnesty International, die beide nicht von Amnesty Türkei geführt wurden. Bei einer der Kampagnen war sie noch gar nicht bei Amnesty. 

Ein Vorwurf gegen İlknur Üstün von der Women's Coalition, die auf Bewährung entlassen wurde, ist, dass sie eine «ausländische Botschaft» angefragt habe für die Finanzierung eines Projekts zur «Geschlechtergleichheit und politischen Partizipation».

«Was wir heute gelernt haben, ist, dass es ein Verbrechen ist, sich für Menschenrechte in der Türkei einzusetzen», so Shetty weiter. «In der Türkei und für die internationale Gemeinschaft schlägt jetzt die Stunde der Wahrheit. Die Mächtigen dieser Welt müssen endlich Klartext reden und aufhören so zu tun als gelte weiterhin ‹business as usual›. Sie müssen Druck auf die türkischen Behörden ausüben, damit diese ihre fadenscheinigen Untersuchungen fallenlassen und die Aktivistinnen und Aktivisten sofort und bedingungslos freilassen.»

Hintergrund

Bei den zehn Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern, die in Untersuchungshaft gesperrt wurden, handelt es sich um: İdil Eser (Amnesty International), Günal Kurşun (Human Rights Agenda Association), Özlem Dalkıran (Citizens’ Assembly), Veli Acu (Human Rights Agenda Association), Nalan Erkem  (Citizens Assembly), İlknur Üstün (Women's Coalition), Nejat Taştan (Equal Rights Watch Association), Şeyhmus Özbekli (Rights Initiative), Ali Gharavi (Consultant mit schwedischer Staatsbürgerschaft sowie Peter Steudtner (Non-violence und Wellbeing-Trainer aus Deutschland).

Taner Kiliç war bereits am 6. Juni zusammen mit 22 weiteren Anwälten verhaftet und in Untersuchungshaft genommen worden. Die Behörden werfen ihm ohne jeden Beweis vor, der Bewegung von Fethullah Güllen nahezustehen, die sie für den Putschversuch vor einem Jahr verantwortlich machen.