Weltweit haben sich Menschen für die Freilassung von Taner Kılıç eingesetzt, wie hier in Berlin am 6. Juni 2018. © Amnesty International / Vanya Püschel
Weltweit haben sich Menschen für die Freilassung von Taner Kılıç eingesetzt, wie hier in Berlin am 6. Juni 2018. © Amnesty International / Vanya Püschel

Türkei Ehrenpräsident von Amnesty Türkei erneut vor Gericht

Medienmitteilung 20. Juni 2018, Bern/Istanbul – Medienkontakt
Taner Kılıç, der Ehrenpräsident der türkischen Ländersektion von Amnesty International, ist seit über einem Jahr zu Unrecht in Haft. Sein Prozess wird am Donnerstag, 21. Juni in Istanbul fortgesetzt. Die Menschenrechtsorganisation fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung.

Bei einer Verurteilung drohen dem Ehrenvorsitzenden von Amnesty-Türkei bis zu 15 Jahre Gefängnis. «Der Prozess gegen Taner Kılıç steht exemplarisch für das Klima der Angst, das die türkischen Behörden seit der Ausrufung des Ausnahmezustands geschaffen haben», sagte Manon Schick, Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz. «Die Repression, die sich gegen die gesamte Zivilgesellschaft richtet, hat inzwischen das gesamte Rechtssystem ausgehöhlt. Menschenrechtsverteidiger werden durch Drohungen, Schikanen und Haft zum Schweigen gebracht.»

Taner Kılıç wird fälschlicherweise der «Zugehörigkeit zur Terrororganisation von Fethullah Gülen» beschuldigt, die von der Regierung für den Putschversuch von Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Der Hauptvorwurf der Anklage ist, er habe ByLock heruntergeladen, eine Messaging-App, die laut den Behörden von Unterstützern der Gülen-Bewegung verwendet wurde.

Polizeibericht bestätigt: Keine Spur von ByLock

Für die Behauptung, dass Taner Kılıç ByLock heruntergeladen hat, wurden nie glaubwürdige Beweise vorgelegt. Im Gegenteil, zwei unabhängige Expertengutachten kamen zum Schluss, dass es keine Hinweise dafür gibt, dass ByLock jemals auf Kılıçs Handy installiert wurde. Nun liegt auch ein 15-seitiger Polizeibericht vor, der die unabhängigen Analysen bestätigt und diesen zentralen Punkt der Anklage widerlegt. Die Anwälte von Taner Kılıç werden deshalb an der neuerlichen Anhörung in Istanbul die bedingungslose Freilassung ihres Mandanten fordern.

Im Dezember 2017 mussten die türkischen Behörden einräumen, dass Tausende Menschen fälschlicherweise beschuldigt worden waren, ByLock heruntergeladen zu haben. Sie veröffentlichten Listen mit den Telefonnummern dieser 11'480 Menschen, was eine riesige Freilassungswelle nach sich zog. Taner Kılıç blieb jedoch in Haft.

«Taner Kılıç steht für die vielen Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten und Oppositionellen, die seit dem gescheiterten Putschversuch ins Visier der türkischen Behörden geraten sind. Seine Inhaftierung ist eine grobe Ungerechtigkeit. Sie offenbart die Absicht der Regierung, jeden Bürger, den sie als Gegner betrachtet, zu verfolgen», sagte Schick.

Hintergrund

Taner Kılıç wurde am 6. Juni 2017 verhaftet. Drei Tage später, am 9. Juni 2017, ordnete ein Gericht Untersuchungshaft gegen ihn an. Er wurde in ein Gefängnis in Izmir überstellt, in dem er bis heute festgehalten wird.

Mit ihm wurden zehn weitere Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger angeklagt, die sich allerdings inzwischen auf freiem Fuss befinden. Zu ihnen gehören die Direktorin der türkischen Amnesty-Sektion İdil Eser und der Deutsche Peter Steudtner, die gemeinsam mit acht weiteren Menschenrechtlern im Juli 2017 in Istanbul festgenommen worden waren. Allen Beschuldigten werden Verbrechen im Zusammenhang mit «Terrorismus» angelastet. Dabei handelt es sich um völlig haltlose Vorwürfe, für die die Staatsanwaltschaft bisher keinerlei Beweise vorlegen konnte. Amnesty International ruft die türkischen Behörden auf, Taner Kılıç sofort freizulassen und alle Vorwürfe gegen ihn, İdil Eser sowie alle weiteren Menschenrechtsverteidiger fallenzulassen.

Im April 2018 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht mit dem Titel Weathering the storm: Defending human rights in Turkey’s climate of fear. Er zeigt auf, dass es heute in der Türkei nur sehr wenige Bereiche der ehemals dynamischen Zivilgesellschaft gibt, die von dem anhaltenden Ausnahmezustand nicht betroffen sind. Landesweit wurden massenhaft Menschen entlassen und verhaftet, das Rechtssystem ausgehöhlt und Menschenrechtler, Regierungskritiker und Medienschaffende mittels Drohungen, Schikane und Haft zum Schweigen gebracht.

Über eine Million Menschen aus 194 Ländern haben die Aufrufe von Amnesty International zur Freilassung von Taner Kılıç und aller anderen Menschenrechtsverteidiger unterzeichnet, die zu Unrecht in der Türkei in Haft sind.