Ahmet Altan © Private
Ahmet Altan © Private

Türkei Erneute Inhaftierung von Ahmet Altan: Eine skandalöse Ungerechtigkeit

Kommentar vom 12. November von Marie Struthers, Amnesty-Direktorin für die Region Europa
Nur eine Woche nach seiner Freilassung aus über drei Jahren Untersuchungshaft entschied ein Gericht in Istanbul, den Journalisten Ahmet Altan, ehemaliger Chefredaktor der Zeitung Taraf, erneut zu inhaftieren. Einen Tag später wurder er wieder verhaftet.

Nach dem Gerichtsurteil sagte Marie Struthers, Amnesty-Direktorin für die Region Europa: «Es ist schockierend zu hören, dass Ahmet Altan ein weiteres Mal inhaftiert werden soll, nachdem die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen seine Freilassung eingelegt hat. Er wurde ohne einen einzigen Beweis, allein wegen seiner Ansichten strafverfolgt, inhaftiert und verurteilt. Diese Entscheidung kann nur als eine weitere Bestrafung für seine Entschlossenheit gewertet werden, sich nicht zum Schweigen bringen zu lassen. Sie ist ein weiteres Teilchen in einer alarmierenden Reihe von Ungerechtigkeiten, denen er bereits ausgesetzt wurde.»

«Ahmet Altan hat kein Verbrechen begangen. Er wurde vergangenen Montag nach einer einstimmigen Gerichtsentscheidung freigelassen. Seine drei Jahre Untersuchungshaft sind eine Posse in Sachen Gerechtigkeit, so wie auch das gegen ihn ergangene Urteil. Diese Justizfarce muss ein Ende haben. Sie ist typisch für die derzeitige Situation, in der politisch motivierte Schauprozesse zur Norm geworden sind. Ahmet Altan muss es gestattet werden, zuhause bei seiner Familie zu bleiben und der absurde Schuldspruch muss aufgehoben werden.»

Ahmet Altan und sein Rechtsbeistand erfuhren durch regierungsnahe Medien von der Entscheidung des Gerichts. Sie sind bislang noch nicht direkt darüber informiert worden. Acht Tage nach seiner Freilassung am 4. November 2019 wurde Ahmet Altan wieder verhaftet.

Hintergrund

Nach mehr als drei Jahren im Gefängnis hatte ein türkisches Gericht Ahmed Altan und die Journalistin Nazlı Ilıcak am 4. November unter Auflagen freigelassen. Zuvor waren beide mithilfe der lächerlichen Anklage «wissentliche und willentliche Unterstützung einer Terrororganisation» verurteilt worden: Ahmed Altan zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft, Nazlı Ilıcak erhielt eine Strafe von acht Jahren und neun Monaten.

Bis zum Rekurs, der vor dem Strafgericht für schwere Strafsachen Nr. 26 in Istanbul hängig war, wurden beide mit einem Reiseverbot belegt. Das Gericht sprach in dem unfairen Verfahren drei weitere Personen schuldig, darunter zwei Medienschaffende, und entschied, dass sie in Untersuchungshaft bleiben müssten.

Die Staatsanwaltschaft erhob am 6. November Einsprache gegen Ahmet Altans Freilassung. Am 8. November wies das Gericht für schwere Strafsachen Nr. 26 in Istanbul den Antrag des Staatsanwalts zurück, Ahmet Altan erneut in Haft zu nehmen und verwies die Strafsache an das Gericht für schwere Strafsachen Nr. 27. Dieses Gericht traf hinsichtlich der Einsprache der Staatsanwaltschaft eine Entscheidung, weigerte sich jedoch, sie Ahmet Altans Rechtsbeistand mitzuteilen.

Ahmet Altan und Nazlı Ilıcak sassen aufgrund konstruierter Anklagen über drei Jahre lang in Untersuchungshaft. Sie waren anfangs beschuldigt worden, «die verfassungsmässige Ordnung umstürzen zu wollen» und zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne die Möglichkeit einer Bewährung verurteilt worden. Als das Oberste Berufungsgericht die Schuldsprüche im Juli 2019 aufhob, wurde ein neues Verfahren eingeleitet, diesmal mit Terrorvorwürfen. Ahmet Altans Bruder, der Akademiker Mehmet Altan, stand im selben Verfahren vor Gericht. Er wurde in Übereinstimmung mit dem Urteil des Obersten Berufungsgerichts in diesem Fall vom Gericht freigesprochen.