Das weitere Verfahren gegen Taner Kılıç, Ehrenvorsitzender der türkischen Sektion von Amnesty International, die frühere türkische Amnesty-Direktorin İdil Eser, den deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner und acht weitere Menschenrechtsaktivisten wurde vom 21. März auf den 16. Juli 2019 verlegt.
Reto Rufer, Länderexperte bei Amnesty Schweiz kommentiert diese erneute Verzögerung: «Eigentlich hätten die elf MenschenrechtsverteidigerInnen heute freigesprochen werden müssen. Denn die Vorwürfe gegen Taner Kılıç, Peter Steudtner, İdil Eser und die anderen Menschenrechtler sind vollkommen haltlos. Im Laufe der sieben Prozesstage wurden die absurden Anschuldigungen der türkischen Behörden allesamt widerlegt. Für die Angeklagten bedeutet das weitere Monate des Abwartens – Monate, in denen sie befürchten müssen, zu Unrecht verurteilt zu werden. Dies nachdem neun der elf MenschenrechtsverteidigerInnen bereits monatelang in Untersuchungshaft sassen; unser Kollege Taner Kılıç verbrachte sogar weit mehr als ein Jahr im Gefängnis.»
Reto Rufer weiter: «Dass der Prozess inzwischen schon fast anderthalb Jahre läuft, obwohl keinerlei Beweise vorliegen, macht deutlich, wie die türkische Strafjustiz instrumentalisiert wird, um kritische Stimmen einzuschüchtern. Die elf Angeklagten stehen einzig und allein wegen ihres Einsatzes für die Menschenrechte vor Gericht. Ihnen drohen bis zu 15 Jahre Haft. Sie gehören damit zu der Vielzahl von Menschen, die in der Türkei derzeit willkürlich und entgegen rechtsstaatlicher Grundsätze angeklagt oder sogar inhaftiert sind.»
Hintergrund
Der Ehrenvorsitzende der türkischen Sektion von Amnesty International, Taner Kılıç, und die als «Istanbul 10» bekannt gewordenen MenschenrechtsverteidigerInnen, unter ihnen die frühere Direktorin von Amnesty International in der Türkei, İdil Eser, und der deutsche Menschenrechtstrainer Peter Steudtner, wurden im Sommer 2017 inhaftiert. Im Oktober 2017 begann der Prozess gegen die elf Menschenrechtsverteidiger. Ihnen werden ohne Vorlage jeglicher Beweise Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer «terroristischen Organisation» vorgeworfen. Am 25. Oktober 2017 wurden die acht noch inhaftierten Menschenrechtler der «Istanbul 10» nach fast vier Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen.
Taner Kılıç blieb mehr als 14 Monate im Gefängnis. Ein hochrangiger Vertreter einer internationalen Menschenrechtsorganisation sass damit mehr als ein Jahr in Haft – ein dramatisches Zeichen für die Menschenrechtslage in der Türkei, aber auch für den Menschenrechtsschutz weltweit. Am 15. August 2018 wurde Taner Kılıç aus der Untersuchungshaft entlassen. Doch der Prozess gegen ihn und die Istanbul 10 läuft weiter.