Ukraine Gehört die Euro 2012 boykottiert?

07. Mai 2012
Kurz vor dem Anpfiff der Fussball-Europameisterschaft in der Ukraine und in Polen sorgte die Diskussion eines eventuellen Boykotts der Spiele für Wirbel.

manon.jpeg Manon Schick, Geschäftsleiterin Amnesty International Schweizer Sektion. © AI

Die Lage der ehemaligen Premierministerin Julia Timoschenko bringt die europäischen Regierungen in Bedrängnis. Amnesty International stuft Timoschenkos Verurteilung als politisch motiviert ein, da es nicht um anerkannte strafrechtliche Delikte ging.

Aber nicht nur die Gefängnisstrafe für die ehemalige Premierministerin ist besorgniserregend. Die ukrainische Polizei hat sich zahlreiche Angriffe auf die Menschenrechte zuschulden kommen lassen. Dazu zählen Prügeleien, willkürliche Verhaftungen und Folter. Diese Vergehen bleiben meist unbestraft. Vor wenig mehr als einem Monat gab es wieder einen Vorfall in Lviv (Lemberg), wo drei Spiele der Euro 2012 stattfinden werden. Zwei Männer wurden von sechs Polizisten um 1'500 Euro erleichtert, brutal geschlagen, mit Tränengas besprayt und dann in Handschellen abgeführt. Auf der Polizeistation wurden die Verletzten ohne medizinische Betreuung zwölf Stunden lang festgehalten, bevor sie eine Ambulanz ins nächste Spital bringen durfte, weil sie nicht mehr selber gehen konnten. Die beiden Männer erhielten keine Erklärung für ihre Verhaftung.

Vorfälle wie diese sind Grund genug, um sich Sorgen zu machen bezüglich der Sicherheit der Fans, die in eine der vier ukrainischen Spielstätten reisen werden. Und auch Grund genug, die Legitimität von Ländern wie der Ukraine als Austragungsort von sportlichen Grossanlässen in Zweifel zu ziehen.

Denn leider tragen die Organisationen, die hinter Fussball-Meisterschaften oder den Olympischen Spielen stehen, nicht zur Verbesserung der Menschenrechtslage in den Austragungsländern bei. Häufig bringen die Grossanlässe sogar neue Rechtsverletzungen mit sich: Zwangsräumungen, um Platz für die Stadien zu schaffen; wachsende Repression gegen die politische Opposition; Zensur jeglicher kritischer Stimmen. So war es zum Beispiel 2008 in Peking.

Soll man solche Events also boykottieren? Der Boykott der Euro 2012 würde keine konkreten Verbesserungen bringen, weder für Julia Timoschenko, noch für die Opfer von Polizeigewalt. Hingegen sind öffentlicher Druck und diplomatische Interventionen unumgänglich. Vor allem jetzt, wo die Ukraine im Scheinwerferlicht steht. Der Dialog wird mehr bringen als eine reine Konfrontation erreichen könnte.
Die Schweiz wird an der Euro nicht mitspielen. Aber sie hat ihre Vermittlungsdienste angeboten. Es bleibt zu hoffen, dass sie bei den diplomatischen Bemühungen mehr Erfolg hat als an den Qualifikationsspielen.