Ungarns Regierungschef Victor Orbán bezeichnete die Vorwürfe im Bericht als «Lügen» und als Racheakt gegen Ungarns Migrationspolitik. © Shutterstock.com
Ungarns Regierungschef Victor Orbán bezeichnete die Vorwürfe im Bericht als «Lügen» und als Racheakt gegen Ungarns Migrationspolitik. © Shutterstock.com

Ungarn EU-Parlament lanciert Sanktionsverfahren gegen Ungarn

13. September 2018
Das Europäische Parlament hat entschieden, ein Sanktionsverfahren gegen Ungarn einzuleiten und damit auf die alarmierende Situation in den Bereichen Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit in dem Land zu reagieren.

Das Europäische Parlament hat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit einen Bericht zur Situation in Ungarn angenommen, der eine «systemische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn» feststellt. Dieser wichtige Schritt in Richtung eines Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags könnte im äussersten Fall zum Entzug der Stimmrechte Ungarns im EU-Ministerrat führen.

«Mit diesem Entscheid hat sich das Europäische Parlament für die Menschen in Ungarn und für die demokratischen Werte der EU eingesetzt», sagt Manon Schick, Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz.. «Nun liegt es am Europäischen Rat, ebenfalls für eine Aktivierung des Artikel-7-Verfahrens zu stimmen. Denn klar ist: Ungarn gehört zur EU, aber Fremdenfeindlichkeit und Missachtung der Grundfreiheiten und -rechte nicht.»

Hintergrund

Ein Verfahren nach Artikel 7 ermöglicht es der EU, ihre Grundprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Grundrechte und -freiheiten zu fördern und zu schützen.

Wenn der Europäische Rat einstimmig feststellt, dass die ungarische Regierung «schwerwiegende und anhaltende Verstösse» gegen die Gründungsprinzipien der EU begeht, könnte das Verfahren nach Artikel 7 letztendlich zu Sanktionen wie einer Aussetzung des ungarischen Stimmrechts im Rat führen.

Die Europäische Kommission, Uno-Gremien und der Europarat sowie zivilgesellschaftliche Organisationen in Ungarn und  in anderen EU-Staaten haben wiederholt auf die Nichteinhaltung der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn in den letzten Jahren hingewiesen.

Amnesty International, das Ungarische Helsinki-Komitee und die Ungarische Bürgerrechtsunion haben alle alarmierende Entwicklungen seit dem erneuten Wahlsieg der Regierungspartei Fidesz bei den Wahlen im April 2018 festgestellt.

In dem Bericht, über den die Abgeordneten am 12. September abgestimmt haben, wurden zahlreiche Gründe für ernsthafte Bedenken gegenüber Ungarn genannt. Diese betreffen das Funktionieren des Verfassungswesens des Landes, die Unabhängigkeit der Justiz, die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Recht auf Gleichbehandlung, die Rechte von Angehörigen von Minderheiten und die Grundrechte von MigrantInnen, Asylsuchenden und Menschen auf der Flucht.