Menschenrechtssituation in Weissrussland

Hintergrundinformationen Der Eintrag im Jahresbericht 2007 basiert auf Vorkomnissen und Daten aus dem Jahr 2006 Wiederholt verurteilte die internationale Staatengemeinschaft Verletzungen der Rechte au
Hintergrundinformationen

Der Eintrag im Jahresbericht 2007 basiert auf Vorkomnissen und Daten aus dem Jahr 2006

Wiederholt verurteilte die internationale Staatengemeinschaft Verletzungen der Rechte auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit in Belarus. Die Wahlbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte die Durchführung der Präsidentschaftswahlen vom 19. März. Sie stellte fest, dass «willkürliche staatliche Machtausübung und weit verbreitete Festnahmen eine Missachtung der Grundrechte auf freie Meinungsäusserung und auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zeigten». In einer am 10. April verabschiedeten Entschliessung kritisierte der Rat der Europäischen Union (EU) die Wahlen und verurteilte die von den belarussischen Behörden angewandte Gewalt gegen Demonstranten sowie die Festnahme von Demonstranten und Oppositionellen. Der Europarat leitete gegen 31 belarussische Amtsträger wegen Verstosses gegen internationale Wahlstandards und wegen des harten Vorgehens gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition restriktive Massnahmen ein. Am 18. Mai fror die EU das Vermögen von Präsident Lukaschenka und 35 weiteren belarussischen Funktionsträgern ein.

Unterdrückung der Vereinigungsfreiheit

Nichtregierungsorganisationen waren nach wie vor strikten Kontrollen und Überprüfungen ihrer Aktivitäten unterworfen. Mehrere zivilgesellschaftlich engagierte Personen wurden unter Berufung auf Paragraph 193 des Strafgesetzbuchs inhaftiert und unter Anklage gestellt. Der fragliche Paragraph, um den das Strafgesetzbuch im November ergänzt worden war, sah für «die Bildung und den Betrieb einer nicht registrierten Organisation, die die Rechte von Bürgern verletzt», Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren vor.

Vier Mitglieder der Initiative Partnerschaft, einer Nichtregierungsorganisation, die eine Beobachtung der Präsidentschaftswahlen geplant hatte, wurden am 21. Februar in ihren Büroräumen von Beamten des Komitees für Staatssicherheit (KGB) festgenommen. Der KGB bezichtigte Mikalaj Astreijka, Enira Branitzkaja, Alexander Schalajka und Tsimafej Drantschuk anfänglich, manipulierte Wählerbefragungen organisiert und einen gewaltsamen Umsturz angestrebt zu haben. Im August wurden die vier des Verstosses gegen Paragraph 193 des Strafgesetzbuchs für schuldig befunden. Mikalaj Astreijka erhielt zwei Jahre Freiheitsentzug, Tsimafej Drantschuk wurde zu einem Jahr und Enira Branitzkaja und Alexander Schalajka zu jeweils sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Alle vier kamen vor Ablauf des Berichtsjahres aus der Haft frei.

Ende Dezember 2005 nahm das Oberste Gericht für Wirtschaftsdelikte gegen das belarussische Helsinki-Komitee, die letzte noch aktive Menschenrechtsorganisation im Land, erneute Ermittlungen wegen angeblicher Steuerhinterziehung auf. Am 1. März wurde die Vorsitzende des Komitees, Tatjana Protko, beschuldigt, eine finanzielle Zuwendung aus einem Programm der EU nicht versteuert zu haben. Dagegen enthielt ein Memorandum aus dem Jahr 1994, dem die belarussischen Behörden ebenso zugestimmt hatten wie die EU, einen Passus über eine Steuerbefreiung für das betreffende Programm. Zwei Gerichtsentscheide aus dem Jahr 2004 hatten überdies bestätigt, dass die Aktivitäten der Organisation legal seien. Aufgrund des wieder aufgenommenen Ermittlungsverfahrens drohten dem Helsinki-Komitee eine Geldstrafe in Höhe von 70000 US-Dollar und ein Betätigungsverbot. Das Justizministerium beantragte am 23. Juni beim Obersten Gerichtshof die Schliessung der Organisation mit der Begründung, sie habe gegen Steuergesetze verstossen. Das Verfahren dauerte Ende 2006 noch an. Der Finanzgerichtshof von Belarus ordnete am 1. November die Beschlagnahme von Vermögenswerten in Höhe von 118300 US-Dollar an, ein Betrag, der nach Einschätzung der Richter der überfälligen Steuerschuld des Komitees entsprach. Das Urteil wurde am 5. Dezember vollstreckt. Am 19. Dezember teilte die für Vermögensfragen zuständige Abteilung des Präsidialamts der Organisation mit, dass sie ihre Büros bis zum 20. Januar räumen müsse. Ohne eine offizielle Adresse drohte ihr der Entzug der Zulassung.

Inhaftierung friedlicher Demonstranten

Während der Demonstrationen nach den Wahlen vom März wurden zahlreiche friedliche Demonstranten von Bereitschaftspolizisten und Antiterroreinheiten festgenommen und geschlagen. Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Vjasna wurden allein im Zeitraum vom 19. bis 25. März insgesamt 686 Personen inhaftiert. Den meisten von ihnen legte die Anklage Verwaltungsdelikte wie Beteiligung an nicht genehmigten Zusammenkünften oder Rowdytum zur Last, Tatbestände, die mit Freiheitsstrafen von zehn bis 15 Tagen geahndet werden.

Am 27. April mussten sich fünf führende belarussische Oppositionelle wegen Verstosses gegen Paragraph 167 des Verwaltungsgesetzbuchs vor Gericht verantworten und wurden der »Organisation einer nicht genehmigten Veranstaltung« schuldig gesprochen. Die Anklagen bezogen sich auf einen friedlichen Marsch zum Gedenken an den 20. Jahrestag des Reaktorunfalls von Tschernobyl am 26. April 1986. Die Teilnehmer hatten eine Genehmigung erhalten, bis zum Bangalore-Platz in Minsk zu marschieren, wo eine Kundgebung stattfinden sollte. Alexander Milinkevitsch jedoch hatte nach vorliegenden Berichten bereits vor Beginn des Marsches zu der Menge gesprochen. Er und zwei weitere Angeklagte – Wintsuk Wjatschorka und Alexander Buchwostow – wurden zu 15 Tagen Freiheitsentzug verurteilt, Smitser Daschkewitsch und Sergej Kalyakin erhielten eine Gefängnisstrafe von jeweils 14 Tagen.

Schikanen gegen Oppositionelle

Oppositionelle waren Schikanen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt und wurden zunehmend wegen Straftaten verurteilt, um sie auf diese Weise zu diskreditieren.

Am 10. Mai wurde Artur Finkewitsch, ein Mitglied der politischen Jugendbewegung Malady Front, wegen eines politischen Graffiti vom Bezirksgericht in Perschamajski zu zwei Jahren Besserungsarbeit verurteilt. Die Anklage hatte Artur Finkewitsch auf der Grundlage von Paragraph 339, Absatz 2, des Strafgesetzbuchs »böswilliges Rowdytum« vorgeworfen. In der Vergangenheit waren jugendliche Oppositionelle, die Graffitis gemalt hatten, auf der Grundlage des Verwaltungsgesetzbuchs lediglich zu geringen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Es kamen Befürchtungen auf, dass die Behörden im Fall von Artur Finkewitsch das Strafgesetzbuch aus politischen Gründen angewandt haben, um andere Aktivisten abzuschrecken.
Gewaltlose politische Gefangene
Während des Berichtsjahrs befanden sich elf gewaltlose politische Gefangene in Haft.

Am 13. Juli wurde Alexander Kasulin, einer der Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen vom März, wegen «Rowdytum» und «der Organisation von und unmittelbarer Teilnahme an gegen die öffentliche Ordnung gerichteten Aktivitäten» zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Seine strafrechtliche Verfolgung schien Teil einer systematischen Kampagne der belarussischen Behörden zu sein, Alexander Kasulin einzuschüchtern, zu schikanieren und in seiner Arbeit zu behindern.

Im April kam Michail Marinitsch, prominenter Oppositioneller und Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen von 2001, aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus der Haft frei. Er war im Dezember 2004 auf der Grundlage fabrizierter Anklagen der «Unterschlagung von Mitteln in einem grossen Ausmass unter Missbrauch seines offiziellen Amtes» zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die man später auf dreieinhalb Jahre Gefängnis reduziert hatte.
Valerij Lewonewskij und Alexander Wasilijew, Präsident beziehungsweise Vizepräsident des nationalen Streikausschusses der Markthändler, waren im September 2004 wegen Beleidigung von Präsident Lukaschenka in einem satirischen Flugblatt zu zweijährigen Haftstrafen verurteilt worden. Im Zuge einer vom Präsidenten verkündeten Amnestie zur Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs hatte Alexander Wasilijew bereits am 7. Juli 2005 seine Freiheit vorzeitig zurückerhalten, während Valerij Lewonewskij seine Strafe vollständig absitzen musste und erst am 15. Mai aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Gewalt gegen Frauen

Trotz einiger Fortschritte blieben die Massnahmen der Behörden zum Schutz von Frauen vor Gewalt in der Familie unzureichend. Es mangelte an ausreichenden und verbindlichen Schulungsmassnahmen für Polizisten, Richter und medizinisches Personal im Umgang mit häuslicher Gewalt. Strafverfolgungsbehörden und Gerichte unterliessen es, Fälle von Gewalt in der Familie systematisch zu erfassen. Zwar lagen keine genauen Statistiken über die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt vor, doch galt als gesichert, dass im Jahr 2005166 Personen zu Hause ermordet worden und 2736 Frauen in ihrem familiären Umfeld Opfer einer Straftat geworden sind. Mangelndes Problembewusstsein in der Öffentlichkeit und fehlende Unterstützung für Gewaltopfer hatten zur Folge, dass viele Frauen keine Möglichkeit hatten, Gewaltsituationen zu entfliehen.

Todesstrafe

Presseberichten zufolge wurden 2006 neun Todesurteile verhängt. Offizielle Statistiken über die Zahl der Hinrichtungen und der verhängten Todesurteile lagen hingegen nicht vor.

Fälle von «Verschwindenlassen» aus früheren Jahren

Bei der Aufklärung des Schicksals von vier Personen, die in den Jahren 1999 und 2000 möglicherweise Opfer des «Verschwindenlassens» geworden sind, zeichneten sich keine Fortschritte ab. Es wurde weithin angenommen, dass sie von Agenten des Staates getötet worden sind.