Zur aktuellen Lage Stellung nehmend sagt Denis Krivosheev, stellvertretender Leiter des Bereichs Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International: «Die belarussischen Behörden fürchten sich davor, dass sich die Menschen im Land die Freiheit nehmen, sich friedlich zu versammeln. Jetzt kriminalisieren die staatlichen Stellen die Protestierenden im grossen Stil, indem sie versuchen, 231 inhaftierte Demonstrierende im Rahmen eines einzigen Verfahrens strafrechtlich zu verfolgen. Die Opposition hatte zu einem ‚Marsch gegen den Terror‘ aufgerufen – doch die Einschüchterungsversuche durch die Behörden nehmen weiter zu.»
«Indem die belarussischen Behörden Hunderte Teilnehmerinnen einer friedlichen Demonstration als ‚Kriminelle‘ bezeichnen, zeigen sie ihre tiefe Missachtung für die Grundrechte der Bevölkerung. Diese Strafverfolgung ist völlig absurd und könnte zu einem gefährlichen Präzedenzfall werden. Sie muss unverzüglich eingestellt werden.»
«Wir rufen die Regierungen der Welt dazu auf, diesen Teufelskreis von Unterdrückung und zunehmendem Unrecht in Belarus zu durchbrechen. Sie müssen auf die Behörden des Landes Druck ausüben, um sie dazu zu bringen, die Menschenrechte einzuhalten. Alle Menschen in Belarus müssen ihre Rechte und Freiheiten ausüben können – ohne Angst vor Repression.»
Hintergrund
Am Montag eröffnete die belarussische Ermittlungsbehörde ein Strafverfahren gegen 231 Personen, die während der friedlichen Proteste am Sonntag in Minsk festgenommen wurden. Sie werden beschuldigt, «Aktivitäten organisiert oder vorbereitet zu haben, welche die öffentliche Ordnung massiv stören». Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu drei Jahren Haft.
Den Ermittlungen zufolge nahmen die Betroffenen an einer «unerlaubten Aktion» teil, die «Schäden an städtischen Einrichtungen und an einem Polizeifahrzeug» verursacht sowie «den öffentlichen Verkehr und die Arbeit von Organisationen behindert» haben soll.
Nach den überwiegend friedlich verlaufenen Protesten am Sonntag – bei denen es nur vereinzelt zu Rangeleien zwischen der Polizei und Demonstrierenden kam – reagierten die Behörden mit unverhältnismässigen Massenfestnahmen. Etwa 300 Personen waren davon betroffen.