Demonstrantinnen in Kairo, Januar 2011. © Sarah Carr
Demonstrantinnen in Kairo, Januar 2011. © Sarah Carr

Ägypten Amnesty's «Agenda für den Wandel» nach Rücktritt Mubaraks

14. Februar 2011
Der Rücktritt Hosni Mubaraks muss zum Neuanfang für die Menschenrechte in Ägypten führen. Jetzt müssen Folter, Todesfälle in Haft und Unterdrückung endlich aufhören. Die Verantwortlichen - und das ist nicht nur Mubarak - müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Der Protest ist ein klares Signal für Reformen. Die Demonstrierenden in Kairo, Alexandria und Suez fordern nur ein, worauf sie einen Anspruch haben: Menschenrechte und Freiheit.

Amnesty International hat eine «Agenda für den Wandel - Menschenrechte in Ägypten» erstellt. Sie bildet die Forderungen ab, die seit Jahren von der ägyptischen Zivilgesellschaft gestellt werden.

«Agenda für den Wandel - Menschenrechte in Ägypten»

Allen Ägyptern und Ägypterinnen muss es möglich sein, in bedeutender Weise an der Gestaltung ihrer Zukunft teilzuhaben. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die ägyptische Gesetzgebung und ihre praktische Umsetzung faire Bedingungen für politische Partizipation garantieren. Der politische Übergangsprozess muss in jedem Fall mit der Beachtung der Menschenrechte und den notwendigen Gesetzesreformen einhergehen.

Nach 30 Jahren harter Unterdrückung und wirtschaftlicher Entbehrungen gingen die ÄgypterInnen in beispielloser Anzahl auf die Strasse, um Würde und soziale Gerechtigkeit zu fordern. Die Protestierenden rufen nach demokratischen Reformen, sie fordern die Behörden auf, die Menschenrechte zu respektieren. Sie wollen, dass die Klagen über die Arbeits- und Lebensbedingungen aufgegriffen werden. Jeder politische Übergang muss mit einem Abbau des repressiven Apparat des Systems einhergehen. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Menschen müssen in vollem Umfang umgesetzt werden.

Im November 1981 schrieb Amnesty International an den gerade ernannten Präsidenten Mubarak und appellierte an ihn, mit der Tradition der Menschenrechtsverletzungen seines Vorgängers zu brechen. Dazu gehörten Massenverhaftungen aufgrund abweichender Überzeugungen, Folter und Misshandlungen sowie die Inhaftierung Einzelner für gewaltloses aber verbotenes politisches Engagement. Amnesty International hat diese Aufforderung seitdem vielfach wiederholt.

Heute, 30 Jahre später, setzt sich dieses Muster der Menschenrechtsverletzungen immer noch fort. Missbräuchliche Gesetze und Praktiken sind im Gegenteil sogar in die Verfassung aufgenommen worden. Seit 1981 ist der Ausnahmezustand durchgängig in Kraft, um die Rufe nach Reform zu unterdrücken. Kritiker der Behörden sehen sich der Gefahr von willkürlicher Festnahme und Inhaftierung ausgesetzt. Die Verfolgung basiert häufig auf konstruierten Anklagen, unfaire Prozesse fanden vor Militär- und Sondergerichten statt. Tausende von Menschen wurden als Gefahr für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung abgestempelt, um sie zuweilen über Jahre hinweg ohne Anklage und Gerichtsverfahren willkürlich zu inhaftieren. Ausländische Regierungen, für die Ägypten ein strategischer Partner in Sicherheitsfragen ist, haben diese Menschenrechtsverletzungen selten verurteilt. Während des von den Amerikanern geführten «Krieges gegen den Terror» haben einige sogar die ägyptischen Sicherheitskräfte genutzt, um von diesen die Schmutzarbeit machen zu lassen. Häftlinge wurden nach Ägypten geschickt und dort gefoltert, um Informationen für die eigenen Geheimdienste zu erhalten.

Die Forderungen der Ägypter nach wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten wurden ebenfalls ignoriert. Arbeiter haben viele Streiks, Demonstrationen und Sitzstreiks durchgeführt. Sie protestierten gegen steigende Lebenshaltungskosten, für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen und wollten ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit in unabhängigen Gewerkschaften geltend machen. Die Rechte von Millionen von Menschen, die in den grossen, sich schnell ausdehnenden und häufig gefährlichen informellen Siedlungen (Slums) leben, wurden missachtet.

Auch in den vergangenen Wochen haben die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt angewendet, um Demonstrationen aufzulösen. Sie sahen tatenlos zu, wie Unterstützer der Regierung Demonstrierende, die Reformen forderten, angriffen. Die Behörden gingen hart gegen soziale Proteste vor, wie etwa nicht genehmigte Streiks von Arbeitern aus dem privaten und öffentlichen Sektor. Friedliche Proteste müssen erlaubt sein. Die Gewalt und das harte Durchgreifen müssen ein Ende haben.

Amnesty International fordert Ägyptens ausländische Partner, inklusive der USA und der EU, auf, die fortgesetzte Unterdrückung zu verurteilen. Die ägyptischen und internationalen Forderungen nach einer bedeutsamen Reform der menschenrechtlichen Lage müssen in vollem Umfang unterstützt werden.
Die ägyptischen Behörden müssen sofort ein Reformprogramm zur Wahrung der Menschenrechte auf den Weg bringen. Amnesty Internationals «Agenda für den Wandel - Menschenrechte in Ägypten» bildet die Forderungen ab, die seit Jahren von der ägyptischen Zivilgesellschaft gestellt werden. Sie ist als Beitrag zur Formulierung eines Reformprogramms gedacht. Ein Wandel auf der Grundlage der Menschenrechte muss jetzt beginnen.

Amnesty International fordert von den ägyptischen Behörden:
Ein Ende des Ausnahmezustandes: Willkürliche Inhaftierungen, Folter und unfaire Prozesse sind zu beenden
  • Der Ausnahmezustand muss sofort aufgehoben werden und alle Bestimmungen der Ausnahmegesetzgebung sind zurückzunehmen. Der Staat darf weder willkürlich inhaftieren noch foltern oder andere Repressalien einsetzen. Das Recht auf einen fairen Prozess darf keinem Menschen vorenthalten werden. In diesem Zusammenhang müssen die Bestimmungen des Artikels 179 der Verfassung von den Behörden ausser Kraft gesetzt werden, die den Sicherheitskräften weitreichende Befugnisse bei Inhaftierungen einräumen und es dem Präsidenten erlauben, reguläre Gerichte zu umgehen und Terrorverdächtige an Militär- und Sondergerichte zu überstellen.
  • Die Befugnisse der Sicherheitskräfte, Menschen ohne Kontakt zur Aussenwelt und ohne richterliche Prüfung festzunehmen und in Haft zu halten, sind aufzuheben.
  • Es ist sicherzustellen, dass allen Inhaftierten der Zugang zu Anwälten ihrer Wahl, ihren Angehörigen und notwendiger medizinischer Versorgung gewährt wird.
  • Das pauschale Verbot von Demonstrationen und Versammlungen muss ein Ende haben.
  • Alle gewaltlosen politischen Gefangenen sind sofort und bedingungslos freizulassen. Dazu gehören all diejenigen, die ihrer Freiheit nur deshalb beraubt wurden, weil sie friedlich von ihren Rechten auf freie Meinungsäusserung, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie Vereinigungs- oder Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht haben.
  • Gerichtliche Verfügungen zur Freilassung von Gefangenen müssen in die Tat umgesetzt werden. Inhaftierte, die man aufgrund eines Verwaltungsbeschlusses festhält, müssen freigelassen werden, sofern sie nicht einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt werden. Diese Gerichtsverfahren müssen den internationalen Standards für ein faires Verfahren entsprechen und die Verhängung der Todesstrafe ausschliessen.
  • Verfahren gegen Zivilpersonen vor Militär- und Sondergerichten sind abzuschaffen. Alle Prozesse gegen Zivilpersonen vor Militärgerichtshöfen müssen sofort eingestellt werden. Die Angeklagten sind entweder freizulassen oder zivilen Gerichten für ein faires Verfahren zu überstellen.
  • Die Unabhängigkeit der Justiz muss sichergestellt werden. Dies muss den Schutz von Richtern vor willkürlichen Disziplinarmassnahmen und dem Entzug der richterlichen Immunität aufgrund ihrer Tätigkeit beinhalten. Es ist sicherzustellen, dass der Oberste Richterrat, der für die Nominierung, Einstellung, Vermittlung und Beförderung von Richtern zuständig ist, als unabhängiges Organ arbeiten kann und dass die diskriminierenden Beschränkungen bei der Einstellung von Frauen aufgehoben werden.
  • Der Gesetzesentwurf zum Antiterrorgesetz muss umgehend veröffentlicht werden. Ein transparenter und breit angelegter Konsultationsprozess des Entwurfes unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft hat zu erfolgen.
Die Rechte auf freie Meinungsäusserung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit müssen Geltung haben und geschützt werden
  • Es ist sicherzustellen, dass alle Sicherheitskräfte, einschliesslich der Armee, keine exzessive Gewalt bei der Überwachung von Demonstrationen anwenden. Alle Handlungen müssen den Regeln des Verhaltenskodex der Vereinten Nationen für Beamte mit Polizeibefugnissen n und den Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen.
  • Unabhängige Untersuchungen aller Vorwürfe gegen Sicherheitskräfte wegen exzessiver Gewaltanwendung sind einzuleiten. Beweise für Verletzungen der Menschenrechte, einschliesslich aussergerichtlicher Hinrichtungen, dürfen nicht verfälscht oder vernichtet werden. Untersuchungen müssen den Regeln folgen, wie sie in den UN-Grundsätzen für die wirksame Verhütung und Untersuchung von aussergesetzlichen, willkürlichen und summarischen Hinrichtungen niedergelegt sind. Es ist sicherzustellen, dass die Ergebnisse der Untersuchungen öffentlich gemacht werden. Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen müssen in fairen Prozessen unter Ausschluss der Todesstrafe zur Rechenschaft gezogen werden.
  • Die Vorschriften und Richtlinien, die der Anwendung von Gewalt durch die Sicherheitskräfte und der Armee zugrunde liegen, müssen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
  • Es ist sicherzustellen, dass friedlich Protestierende weder willkürlich festgenommen und inhaftiert noch gefoltert oder in anderer Weise misshandelt werden.
  • Das Recht auf freie Meinungsäusserung muss gewahrt werden. Dies beinhaltet die Freiheit, Informationen und Ideen über Grenzen hinweg und ungeachtet des Mediums zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Es muss Abstand von unangemessenen Einschränkungen des Internets und mobiler Telekommunikation genommen werden.
  • In Übereinstimmung mit internationalem Recht müssen die Bestimmungen des Strafgesetzes, die die freie Meinungsäusserung einschränken, abgeschafft oder geändert werden. Dies betrifft insbesondere die Artikel 80(d), 98bis(b), 98(f), 102, 102bis, 171, 178, 179, 181, 188, 201 und 308. Diese erlauben die Inhaftierung von Journalisten und anderen aufgrund vage definierter Vergehen, wie etwa der Schädigung «nationalen Interesses» oder des «sozialen Friedens».
  • Das Gesetz 84 aus dem Jahr 2002 (Gesetz über Vereinigungen) muss überprüft werden, um Nichtregierungsorganisationen ein Arbeiten ohne Hindernisse zu ermöglichen. Der Überprüfung bedarf die Genehmigungspflicht, Kontrollen hinsichtlich der Finanzierung und die Auflösung durch die Behörden nach Artikel 42 des Gesetzes.
  • Die Konstruktion strafrechtlicher Tatbestände, um Kritik an Regierungsvertretern zu bestrafen, muss aufhören.
Beendigung von Folter und Misshandlung
  • Folter und andere Misshandlungen müssen öffentlich verurteilt werden. Dies beinhaltet eine Anweisung an die Sicherheitskräfte, dass dieser Machtmissbrauch unter keinen Umständen geduldet wird.
  • Es muss sichergestellt werden, dass alle Haftanstalten öffentlich gemacht und unter die Aufsicht der Justizbehörden gebracht werden. Darunter fallen auch militärische Anlagen und Einrichtungen der Abteilung des Staatsicherheitdienstes SSI (State Security Investigation). In diesem Zusammenhang ist Artikel 1bis des Gesetzes Nr. 396 aus 1956 (Gesetz über die Bestimmungen für Gefängnisse) aufzuheben. Darin ist ausgeführt, dass Menschen sowohl an Orten inhaftiert werden können, die in diesem Gesetz benannt sind, als auch an Plätzen, die in einer Anordnung des Innenministers genannt werden können. Dies hat dazu geführt, dass Gefangene in Haftzentren des SSI und in Militärcamps inhaftiert wurden. Diese Einrichtungen unterliegen weder der Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft noch einer anderen Justizbehörde, so wie dies §42 der ägyptischen Strafprozessordnung und Artikel 85 des Gesetzes über die Bestimmungen für Gefängnisse fordern.
  • Das Verschwindenlassen muss ein Ende haben. Die Aufenthaltsorte aller Inhaftierten sind unverzüglich bekannt zu geben und es muss sichergestellt sein, dass alle Gefangenen offiziell registriert werden. Angehörige und Anwälte müssen über ihren Verbleib informiert werden.
  • Das Verbrechen der Folter im ägyptischen Recht ist mit den Bestimmungen von Artikel 1(1) der UN-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung in Einklang zu bringen. Insbesondere müssen alle Formen grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung explizit verboten werden. Diesem Verbot soll absolute Geltung zukommen und es darf unter keinen Umständen aufgehoben werden, auch nicht im Krieg oder anderen Ausnahmesituationen.
  • Es ist sicherzustellen, dass allen Vorwürfen von Folter und Misshandlung unverzüglich, gründlich und unvoreingenommen nachgegangen wird. Amtsträger, die für Misshandlungen verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden, Opfer sind in vollem Umfang zu entschädigen. «Beweismaterial», das unter Folter gewonnen wurde, darf in Gerichtsverfahren nicht genutzt werden.
  • Gegen alle Amtsträger, die die Sicherungsmassnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen nicht einhalten, sind straf- und verwaltungsrechtliche Massnahmen zu ergreifen.
Der vollständigen Realisierung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte muss Priorität eingeräumt werden.
  • Ein Mindeststandard an wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten muss für die gesamte Bevölkerung sichergestellt sein. Dazu gehören der Zugang zu Nahrung, Wasser, sanitären Anlagen, Gesundheitsversorgung und Unterkunft. Wo notwendig soll internationale Hilfe in Anspruch genommen werden, um diese Ziele zu erreichen.
  • Es ist sicherzustellen, dass es beim Zugang zu öffentlichen Leistungen der Grundversorgung, wie Wasser, sanitären Anlagen und Gesundheitsversorgung nicht zu Diskriminierungen kommt.
  • Nationale Gesetze und Einrichtungen sind daraufhin zu überprüfen, dass allen Opfern von Verletzungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte wirksame Rechtsmittel zugänglich sind.
Das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und eine Unterkunft muss gewährleistet sein
  • Alle rechtswidrigen Zwangsräumungen sind sofort einzustellen und ein klares Verbot dieser Zwangsräumungen ist durchzusetzen.
  • Es ist sicherzustellen, dass keine Vertreibungen, auch nicht von staatlichem Land, vorgenommen werden, bis der verfahrensrechtliche Schutz entsprechend der internationalen Menschenrechtsabkommen Eingang in nationales Recht gefunden hat und befolgt wird.
  • Ein umfassender Plan muss entwickelt werden, der eine Verbesserung der unzureichenden, gesundheitsschädlichen und lebensbedrohenden Wohnbedingungen der Menschen in Slums zum Ziel hat. Dieser Plan muss den Verpflichtungen entsprechen, die Ägypten unter internationaler Menschenrechtsabkommen eingegangen ist.
  • Die Pläne für das Entwicklungsprojekt Kairo 2050 müssen öffentlich gemacht werden. Es ist sicherzustellen, dass allen betroffenen Gemeinschaften das Recht auf aktive Teilnahme und eine echte Konsultation während des Planungsprozesses und der Umsetzung gewährt wird.
Das Recht auf Arbeit ist zu gewährleisten
  • Gesetzliche und institutionelle Reformen zur Förderung und zum Schutz von Arbeitsrechten sind zu initiieren. Dies beinhaltet das Recht der Arbeiter sich frei zu organisieren und unabhängige Gewerkschaften zu gründen.
  • Es ist sicherzustellen, dass Arbeiter in der Praxis Gewerkschaften gründen können, die sie vertreten, in ihrem Auftrag verhandeln oder ihnen ermöglichen, gemeinschaftlich Verhandlungen zu führen. Dies muss unabhängig vom offiziellen ägyptischen Gewerkschaftsverband und den ihm angeschlossenen lokalen Gewerkschaften möglich sein - seit 1957 der einzige zugelassene Gewerkschaftsverband im Land.
  • Ein System, das einen fairen Mindestlohn sicherstellt, muss eingeführt und umgesetzt werden, um allen Arbeitern und ihren Familien zumutbare Lebensbedingungen zu garantieren. Dies steht im Einklang mit Artikel 23 der ägyptischen Verfassung, der besagt, dass ein Mindestlohn und ein Maximallohn festgelegt werden sollen, um Einkommensunterschiede zu begrenzen. Ein solches System entspräche auch den Verpflichtungen, die Ägypten nach Artikel 7 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte eingegangen ist. Dort heisst es, dass Staaten sicherstellen müssen, dass Arbeiter als Mindestanforderung einen fairen Lohn erhalten.
  • Artikel 124 des Strafgesetzbuches ist zu novellieren, um die friedliche Ausübung des Streikrechtes zu entkriminalisieren.
Der Schutz der Frauenrechte muss gewährleistet sein
  • Es sind Rechtsvorschriften einzuführen, die Frauen vor häuslicher Gewalt, einschliesslich Vergewaltigung in der Ehe und sexueller Belästigung schützen. Diese sollen im Einklang mit den Verpflichtungen stehen, die Ägypten im Rahmen internationaler Menschenrechtsabkommen eingegangen ist.
  • Die Empfehlung des UN-Ausschusses zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW-Ausschuss) vom Februar 2010 sollte umgesetzt werden. Darin werden die ägyptischen Behörden aufgefordert, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Teilnahme von Frauen an den verschiedenen Phasen des Wahlprozesses sicherzustellen.
  • Die bestehende Personenstandsgesetzgebung einschliesslich vorgesehener Reformen sollte umfassend überprüft werden, um sicherzustellen, Frauen und Männer die gleichen Rechte im Bezug auf Heirat, Scheidung, Sorgerecht für Kinder und beim Erbrecht besitzen. Die Bestimmungen sollen im Einklang mit den Verpflichtungen stehen, die Ägypten im Rahmen des UN-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau eingegangen ist.
  • Die §§260-264 des Strafgesetzbuches sind dahingehend zu novellieren, dass es Frauen und Mädchen erlaubt wird, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, wenn er die Folge von Vergewaltigung oder Inzest ist oder wenn die Schwangerschaft ein ernsthaftes Risiko für die Gesundheit der Frau oder des Mädchens darstellt.
  • Das Gesetz Nr. 126 von 2008 ist zu novellieren, um Genitalverstümmelung ausnahmslos zu verbieten.
Diskriminierung abschaffen
  • Alle Gesetze, die auf der Basis von Rasse, Hautfarbe, Religion, der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, Geburt, Geschlecht, sexueller Orientierung, sexueller Identität, politischer oder anderer Ansichten, nationaler oder sozialer Herkunft, //Besitz oder anderem Status diskriminieren, sind zu überprüfen und zu novellieren oder abzuschaffen.
  • Alle Gesetze und Praktiken die religiöse oder ethnische Minderheiten diskriminieren, sind dahingehend zu ändern, dass Artikel 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte Beachtung findet. Dieser garantiert die Gedanken-, die Gewissens- und die Religionsfreiheit. In diese Kategorie fällt etwa §98(F) des Strafgesetzbuches, der die Benutzung von Religion zum Zweck des «Störens des nationalen Friedens» kriminalisiert. Ebenso der Präsidentenerlass 201/2005, der die Genehmigung des zuständigen Gouverneurs zur Voraussetzung für die Instandsetzung oder den Ausbau einer christlichen Kirche macht oder Gesetz 263 von 1960, das Aktivitäten von Baha'i untersagt und den Baha'i die gesetzliche Anerkennung verweigert.
  • Es ist sicherzustellen, dass Mitgliedern von religiösen Minderheiten, Konvertiten eingeschlossen, unverzüglich Zivilstandsdokumente einschliesslich Ausweispapieren ausgestellt werden.
  • Es müssen Massnahmen ergriffen werden, um konfessionsgebundenen Angriffen vorzubeugen. Allen Berichten von Übergriffen auf Angehörige religiöser oder ethnischer Minderheiten ist umgehend und unparteiisch nachzugehen.
  • Die Inhaftierung und Verfolgung von Menschen auf der Basis tatsächlicher oder vermeintlichen Homosexualität ist zu beenden. Alle Häftlinge, die lediglich auf der Grundlage ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung inhaftiert wurden, sind bedingungslos freizulassen.
  • Einvernehmliche sexuelle Beziehungen müssen entkriminalisiert werden. Dies schliesst die Abschaffung von Gesetz 10 aus dem Jahr 1961 (Gesetz über Ausschweifungen) und aller anderen Gesetze mit ein, die tatsächliche oder mutmassliche einvernehmliche Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern kriminalisieren.
Menschenrechtsverletzungen an Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden müssen beendet werden
  • Es ist sicherzustellen, dass Sicherheitskräfte keine Gewalt gegen Personen einsetzen, die versuchen nach Ägypten einzureisen oder das Land zu verlassen, ausser in strikter Beachtung internationaler menschenrechtlicher Standards. Der Einsatz von Schusswaffen oder anderer tödlicher Gewalt ist ausschliesslich dann gestattet, wenn er zum Schutz des eigenen Lebens oder anderer Leben unumgänglich ist.
  • Alle Fälle in denen ägyptische Grenzschützer oder andere Sicherheitskräfte das Feuer auf Personen eröffnet haben, die die ägyptische Grenze nach Israel oder zu anderen Ländern überqueren wollten, müssen umgehend, umfassend und unvoreingenommen untersucht werden. Die Verantwortlichen für Tötungen oder andere exzessive Gewaltanwendung sind zur Rechenschaft zu ziehen. Denjenigen, deren Rechte verletzt wurden, muss eine Wiedergutmachung zur Verfügung gestellt werden.
  • Asylsuchenden muss ein angemessener Zugang zu Asylverfahren und zum Amt des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) gewährt werden. Es ist sicherzustellen, dass Menschen, die vor Verfolgung fliehen, internationaler Schutz zuteil wird.
Abschaffung der Todesstrafe
  • Ein Moratorium für die Todesstrafe Moratorium muss unverzüglich in Kraft treten.
  • Alle verhängten Todesurteile sind umzuwandeln. Das Strafgesetzbuch ist dahingehend zu überarbeiten, dass die Anzahl von Kapitalverbrechen reduziert wird. Ziel sollte die vollständige Abschaffung der Todesstrafe sein.
Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen
  • Empfehlungen der Gremien und Verfahrenausschüsse der Vereinten Nationen sollten umgesetzt werden. Dem Menschenrechtsausschuss, dem Ausschuss gegen Folter und dem Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist zu berichten.
  • Eine ständige Einladung für alle Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen ist auszusprechen. Besuche die die Sonderverfahren fordern, sollten umgehend ermöglicht werden. Dies schliesst den Sonderberichterstatter über Folter, den Sonderberichterstatter über aussergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen, den Sonderberichterstatter über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten, den Sonderberichterstatter über die Lage von Menschenrechtsverteidigern, den Sonderberichterstatter für Religions- oder Weltanschauungsfreiheit und die Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen mit ein.
  • Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes ist zu ratifizieren und in nationales Recht umzusetzen. Ägypten sollte der Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen beitreten und dieses in nationales Recht umsetzen. Ebenfalls sollte dem Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter beigetreten werden. Die Fakultativprotokolle zu den internationalen Pakten über bürgerliche und politische, sowie über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sind zu ratifizieren.