«Die Armee hat das Versprechen gebrochen, die friedlich Demonstrierenden zu schützen», sagte Hassiba Hadj Sahroui, stellvertretende Leiterin des Nahost- und Afrikaprogramms bei Amnesty International. «Die Tatsache, dass sich solche Gewalt vor den Augen des Militärs abgespielt hat, wirft die Frage auf, ob sie Anweisungen erhalten haben, nicht einzugreifen.»
Zuvor hatte die Armee die Demonstranten dazu aufgerufen, in ihr Alltagsleben zurückzukehren. Präsident Mubarak hatte am Dienstag angekündigt, bei den nächsten Wahlen nicht erneut kandidieren zu wollen.
Berichten zufolge liess es die Armee später zu, dass Unterstützer von Präsident Mubarak den Tahrir-Platz ins Zentrum Kairos stürmten und Gegendemonstranten attackierten.
Ein Mitarbeiter von Amnesty International wurde von Demonstrierenden, die für Mubarak protestierten, am Betreten des Tahrir-Platzes gehindert. Er wurde Zeuge, wie Verletzte den Platz verliessen.
Die Attacken auf Menschen, die gegen die Regierung demonstrieren, greifen auch auf andere wichtige Städte in ganz Ägypten über. In Mahalla, einem Industriegebiet im Norden von Kairo berichteten Augenzeugen gegenüber MitarbeiterInnen von Amnesty International, dass am Morgen ganze Lastwagen mit Mubarak-Sympathisanten den Ort verliessen.
«Es sieht danach aus, dass diese Gewalt von den ägyptischen Behörden inszeniert wird, um ein Ende der Proteste gegen die Regierung zu erreichen und wieder die Kontrolle zu übernehmen. Trotz der beispiellosen öffentlichen Forderungen nach ihrem Rücktritt, halten sie weiter an ihrer Macht fest», sagte Hassiba Hadj Sahroui.
Die Gewalt zwischen den Protestierenden passt in ein geläufiges Schema politischer Gewalt in Ägypten. Schon in der Vergangenheit wurden Demonstrationen auf ähnliche Weise unterdrückt und aufgelöst. Bei früheren Wahlen dokumentierte Amnesty International, wie angeheuerte Schläger von den ägyptischen Behörden genutzt wurden, um Wähler einzuschüchtern und die Versammlungen politischer Gegner aufzulösen.
Seit 10 Tagen demonstrieren die Ägypter für die Menschenrechte und politische Reformen. Allein am Dienstag waren Hunderttausende zu einem «Protest der Millionen» zusammengekommen, um den Rücktritt von Präsident Mubarak und ein Ende von Korruption, Armut und Polizeigewalt zu fordern.
Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International, über die Lage in Ägypten.