Drei Jahre nach der ersten grossen Demonstration, die den Auftakt der «Revolution des 25. Januar» bildete, zieht Amnesty International mit Blick auf die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Ägypten eine düstere Bilanz. Das Briefing Roadmap to repression: No end in sight of human rights violations beleuchtet die Einschränkung der Grundrechte seit dem Sturz von Präsident Mursi im Juli 2013.
«Die Forderungen des Volksaufstands vom 25. Januar 2011 sind auch drei Jahre und drei Regierungen später unerfüllt», sagt Reto Rufer, Nahost-Experte der Schweizer Sektion von Amnesty International. «Weder die Militärregierung unter Feldmarshall Tantawi, noch der islamistische Präsident Mursi noch die jetzige Übergangsregierung haben ihre Versprechen, die Ziele des Aufstands, «Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit», zu verwirklichen, eingehalten.»
Die 17-monatige Militärherrschaft nach dem Sturz Mubaraks war gekennzeichnet durch exzessive Gewalt gegen Protestierende, Militärgerichtsverfahren gegen Tausende Zivilisten und Einschränkungen der Meinungsfreiheit.
Unter dem islamistischen Präsidenten Mursi wurden Oppositionelle, Journalisten und Satiriker juristisch verfolgt. Anklagen wegen Blasphemie nahmen zu.
Seit Anfang Juli 2013 werden unter der Übergangsregierung in einer beispiellosen Kampagne tatsächliche und mutmassliche Unterstützer der Muslimbruderschaft zu Tausenden festgenommen, Proteste gewaltsam aufgelöst und die Führung der Muslimbruderschaft vor Gericht gestellt. Auch kritische Stimmen der säkularen und linken AktivistInnen der «Revolution des 25. Januar», die die Menschenrechtsverletzungen aller Regierung anprangern, werden zum Schweigen gebracht.
Mit Blick auf die neue Verfassung erklärt Reto Rufer: «Die ägyptische Regierung wird an ihren Taten gemessen. Es muss sich in der Praxis erweisen, ob der verbesserte Menschenrechtsschutz auch umgesetzt wird.» Das drakonische Versammlungsrecht von Ende vergangenen Jahres höhlt das in der Verfassung garantierte Versammlungsrecht aus. «Wenn die Teilnahme an einer friedlichen Demonstration oder ein Tweet im Internet ins Gefängnis führen können, sind Grundrechte in der Verfassung leere Versprechen», kritisiert Rufer.
Amnesty International kritisiert das selektive Vorgehen der ägyptischen Justiz: Während Kritiker und Oppositionelle willkürlich festgenommen und zu langen Haftstrafen verurteilt werden, werden Polizei und Militär für exzessive Gewalt gegen Demonstrierende nicht zur Rechenschaft gezogen. Mehr als 2‘000 Menschen wurden in den vergangenen drei Jahren bei gewaltsamen Auflösungen von Protesten getötet, doch nur eine Handvoll der Täter verbüssen Haftstrafen wegen der Tötung von Demonstranten. Betroffene und ihre Angehörigen warten noch immer auf Gerechtigkeit.
«Die ägyptische Regierung muss die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen, eine umfassende, an Menschenrechten orientierte Reform des Sicherheitsapparats einleiten und die friedliche Äusserung von Kritik zulassen», sagt Rufer.
Medienmitteilung veröffentlicht: London / Bern, 23. Januar 2014
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