«Amal Fathy war so mutig, über ihre Erfahrungen sexualisierter Belästigung in Ägypten zu sprechen und sollte für ihren Mut bewundert werden, statt vor Gericht zu kommen», sagte Najia Bounaim, Kampagnenleiterin für Nordafrika bei Amnesty International.
«Statt Gewalttäter zu bestrafen, die Frauen belästigen, verfolgen die ägyptischen Behörden Amal Fathy, weil sie sich gegen sexuelle Belästigung gewehrt hat. Dies ist ein schockierender Fall von Ungerechtigkeit. Sie ist eine Menschenrechtsverteidigerin, die der Welt ihre Geschichte erzählt hat. Sie wollte thematisieren, ob Frauen in Ägypten sicher sind. Sie ist keine Kriminelle.»
«Wir fordern die ägyptischen Behörden auf, Amal Fathy unverzüglich und bedingungslos freizulassen. Ihre Festnahme und Überstellung ans Gericht aufgrund dessen, dass sie friedlich ihre Meinung kundgetan hat, ist ein Affront gegen die von der ägyptischen Verfassung garantierte Meinungsfreiheit und gegen Ägyptens wiederholte Zusicherungen, sexuelle Belästigung zu bekämpfen.»
Gegen Amal Fathy werden seit der ersten Gerichtsanhörung am 11. August zwei Verfahren geführt. Einerseits wird ihr die «Veröffentlichung eines Videos, das zum Sturz des Regimes aufruft», die «Verbreitung von Falschinformationen, welche die nationale Sicherheit gefährden» und der «Missbrauch des Internets» vorgeworfen, andererseits sogar die «Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppierung». Im ersten Verfahren wurde sie am 28. September zu einer bedingten zweijährigen Haftstrafe und einer Busse verurteilt, und wegen des zweiten Verfahrens befindet sie sich nach wie vor in Untersuchungshaft. Die ägyptischen Behörden haben derartgige Vorwürfe schon öfters gegen Kritikerinnen und Journalisten verwendet, um sie zum Schweigen zu bringen.
Video über sexuelle Belästigung
Am 9. Mai lud Amal Fathy ein Video auf ihre Facebook-Seite, in welchem sie die weite Verbreitung von sexualisierter Belästigung in Ägypten thematisierte und die Regierung kritisierte, weil sie Frauen nicht davor schützt. Zudem kritisierte sie die verschlechterte Menschenrechtslage, die sozioökonomischen Bedingungen und die Missstände im öffentlichen Dienstleistungssektor.
Am folgenden Tag veröffentlichten regierungsfreundliche und staatliche Medien Artikel über das Video, behaupteten fälschlicherweise, Amal Fathy sei eine Aktivistin der Jugendbewegung «6. April» und beschuldigten sie, Ägypten und ägyptische Institutionen zu beleidigen. Sie wurde daraufhin in den sozialen Medien massiv belästigt und bedroht.
Die ägyptische Polizei nahm Amal Fathy in den frühen Morgenstunden des 11. Mai fest, zusammen mit ihrem Ehemann Mohamed Lotfy, ein früherer Mitarbeiter von Amnesty International und gegenwärtiger Direktor der ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten. Die Polizei stürmte die Wohnung des Ehepaars in Kairo und brachte sie zusammen mit ihrem dreijährigen Kind auf die Polizeiwache Maadi.
Amnesty International hat das zwölfminütige Video unter die Lupe genommen und ist zum Schluss gekommen, dass es keinerlei Aufhetzung enthält und somit als freie Meinungsäusserung geschützt ist. Amnesty International betrachtet Amal Fathy als Gewissensgefangene, die nur eingesperrt ist, weil sie friedlich ihre Meinung kundgetan hat.
Hintergrund
Amal Fathy ist eine ägyptische Aktivistin, die sich insbesondere mit der Demokratisierung in Ägypten auseinandersetzt. Sie hat sich zu Menschenrechtsverletzungen im Land, zum Beispiel der willkürlichen Festnahme von AktivistInnen, geäussert. Derzeit befindet sie sich in einem anderen Fall in Untersuchungshaft und wird damit belastet, «einer terroristischen Gruppe anzugehören», «Ideen zu verbreiten, die zu Terroranschlägen auffordern» und «Falschinformationen zu veröffentlichen». Zuvor hatte ein Richter im ersten Fall am 21. Juni ihre Freilassung gegen Kaution angeordnet.
Mohamed Lofty ist ein ehemaliger Researcher von Amnesty International, er leitet nun die Menschenrechtsorganisation Ägyptische Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF). Mitarbeitende von ECRF werden seit der Gründung der Organisation 2014 häufig von der Regierung schikaniert.
Abgeschlossene Briefaktion