«Die Bewohnerinnen und Bewohner der Städte fliehen aus ihren Häusern, die bereits Vertriebenen aus ihren provisorischen Zufluchtsorten», so Donatella Rovera, Krisenbeauftragte von Amnesty International, die sich derzeit in der türkisch-irakischen Grenzregion aufhält.
Tausende Bewohnerinnen und Bewohner der christlichen Stadt Qaraqosh sind geflohen, nachdem der IS über Nacht dort eingefallen war. Amnesty International hat jedoch auch Berichte von Personen erhalten, die in der Stadt festsitzen und nicht fliehen können.
Donatella Rovera: «Gestern habe ich in der christlichen Stadt Alqosch einen Mann kennengelernt. Er setzt sich seit Wochen dafür ein, den Vertriebenen Unterkünfte zu stellen und Unterstützung anzubieten – Christen, Jesiden und anderen Minderheiten, die in den vergangenen Tagen und Wochen vor IS-Kämpfern geflohen sind.
Heute sind er und seine Familie selbst zu Vertriebenen geworden. Unter Tränen erzählte er mir, dass er letzte Nacht mit seiner Familie fliehen musste. Sie hatten keine Zeit, irgendetwas mitzunehmen – noch nicht einmal ihre Ausweispapiere. Die Stadt ist nun in der Gewalt des IS.»
In Bashiqa, einer mehrheitlich von Jesiden bewohnten Stadt nördlich von Mossul, bewahrheitete sich über Nacht, was die BewohnerInnen seit Langem gefürchtet hatten: ein Angriff durch den IS. Die Bevölkerung ist nun auf der Flucht.
Im Zuge des nächtlichen Vormarsches von IS tiefer in die östlich und nördlich von Mossul gelegenen Landesteile flohen tausende Menschen nach Erbil und Dohuk, Städte in der Autonomen Region Kurdistan.
«Viele Angehörige von Minderheitengruppen fliehen sogar aus Gebieten, in denen gar keine unmittelbare Gefahr durch einen IS-Angriff zu bestehen scheint. Dermassen traumatisiert sind sie durch ihre Vertreibung, dermassen in Angst und Panik» berichtet Donatella Rovera.
Einige der Jesiden aus dem Gebiet um Sindschar sind daher wieder auf der Flucht, nachdem sie am vergangenen Wochenende durch IS-Kämpfer vertrieben worden waren und nahe Dohuk Zuflucht gesucht hatten. Ihr Ziel ist nun die türkische Grenze.