Dies geht aus dem neuen Bericht «Bestraft wegen Verbrechen des IS» (Punished for Daesh’s crimes) hervor, den Amnesty International am Dienstag veröffentlicht hat. Er macht schreckliche Vergeltungsaktionen gegen die Zivilbevölkerung publik.
Der Bericht beleuchtet weitverbreitete Racheaktionen und die Diskriminierung von sunnitischen Arabern, die verdächtig werden, Komplizen von IS-Verbrechen gewesen zu sein oder den «Islamischen Staat» unterstützt zu haben. Viele von ihnen wurden während den militärischen Grossoperationen 2016 aus verschiedenen Teilen Iraks vertrieben, etwa aus Falludscha und umliegenden Gebieten (Provinz Anbar), al-Sharqat (Provinz Salah al-Din), Hawija (Provinz Kirkuk) und aus Gebieten rund um Mosul (Provinz Ninawa).
Eine interaktive Karte mit den Orten, aus welchen Menschenrechtsverletzungen berichtet wurden, kann hier eingesehen werden: http://arcg.is/2e9UOri
Tausende von Opfern
Tausende von Zivilisten wurden Opfer von Folter, willkürlicher Haft, Entführungen und aussergerichtlichen Erschiessungen. Die laufende Militäroffensive zur Wiedereroberung der Millionenstadt Mosul aus den Händen des selbsternannten Islamischen Staats (IS) birgt das Risiko von weiteren massiven Menschenrechtsverletzungen.
Der Bericht stützt sich auf Interviews, die mit 470 ehemaligen Häftlingen und Augenzeugen sowie mit Angehörigen von Getöteten, Verschwundenen oder Verhafteten geführt wurden. Zudem wurden Behörden, AktivistInnen und Mitarbeitende von Hilfsorganisationen befragt.
«Nachdem sie dem Horror des Krieges und der Tyrannei des IS entflohen sind, laufen sunnitische Araber im Irak Gefahr, für die Verbrechen des IS bestraft zu werden. Es drohen brutale Vergeltungsaktionen von Milizen und Regierungstruppen», sagte Philip Luther, Leiter Recherche und Advocacy für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
«Der Irak steht aktuell vor sehr realen und tödlichen Bedrohungen durch den IS, aber es gibt keine Rechtfertigung für aussergerichtliche Hinrichtungen, das Verschwindenlassen von Menschen, Folter oder willkürliche Haft.»
Staaten tragen Verantwortung
«Während der laufenden Militäroffensive zur Rückeroberung von Mosul ist es zentral, dass die irakischen Behörden Schritte unternehmen, die sicherstellen, dass sich diese schrecklichen Verbrechen nicht wiederholen. Diejenigen Staaten, die den Kampf gegen den IS unterstützen, müssen zeigen, dass sie vor diesen Verbrechen nicht weiter die Augen verschliessen», sagte Luther.
An den Verbrechen beteiligt waren überwiegend schiitische Milizen. Die auch als Volks-Mobilmachungs-Kräfte bekannten Kämpfer wurden lange von den irakischen Behörden gedeckt und mit Waffen und Geld unterstützt. Sie wurden im Februar 2016 offiziell in die irakischen Sicherheitskräfte integriert. Ehemalige Häftlinge berichten auch von Folter und Misshandlungen durch Regierungstruppen und kurdische Sicherheitskräfte.
Die Verantwortung der irakischen Regierung an den Vergeltungsaktionen darf nicht ignoriert werden. Staaten, welche die laufende Militäroffensive gegen den IS unterstützen oder daran beteiligt sind, müssen strikte Kontrollen einführen, damit keinerlei Ausrüstung für Übergriffe verwendet wird.