Proteste gegen die irakische Regierung Ende Oktober 2019. © Sajjad Harsh/shutterstock.com
Proteste gegen die irakische Regierung Ende Oktober 2019. © Sajjad Harsh/shutterstock.com

Irak Sicherheitskräfte zügeln, Blutvergiessen beenden

13. November 2019
Die irakische Regierung muss die Sicherheit von Demonstrierenden sicherstellen und Sicherheitskräfte in ihre Schranken weisen. Seit Beginn der Proteste im Irak Anfang Oktober 2019 gab es landesweit mindestens 264 Tote und Tausende Verletzte.

Allein in Bagdad starben während eines Polizeieinsatzes am 9. November 2019 in der Nähe des Tahrir-Platzes sechs Menschen, Dutzende wurden verletzt. Weil das Internet grösstenteils blockiert ist, sprach Amnesty International per Telefon mit AugenzeugInenn. SanitäterInnen berichteten Amnesty, dass vier Personen an Schusswunden verstarben, die beiden anderen erlagen ihren Kopfverletzungen durch Tränengaspatronen.

Ein Video, das angeblich vor Ort aufgenommen wurde, zeigt eine Tränengasgranate, die im Schädel eines leblos daliegenden Mannes steckte. Seit dem 25. Oktober hat Amnesty International mindestens neun weitere Fälle von Tränengas- und Rauchgranaten dokumentiert, durch die Demonstranten in Bagdad getötet wurden.

«Die irakischen Behörden müssen den Gebrauch tödlicher Waffen gegen Demonstrierende umgehend verbieten. Dazu gehören Tränengas- und Rauchgranaten sowie scharfe Munition.» Anita Streule, bei Amnesty Schweiz zuständig für den Nahen und Mittleren Osten

«Die irakischen Behörden müssen den Gebrauch tödlicher Waffen gegen Demonstrierende umgehend verbieten. Dazu gehören Tränengas- und Rauchgranaten sowie scharfe Munition. Dem Blutvergiessen muss ein Ende gesetzt werden», sagt Anita Streule, bei Amnesty Schweiz zuständig für den Nahen und Mittleren Osten. «Die irakische Regierung ist verpflichtet, das Leben der Protestierenden zu schützen, genauso wie das Recht auf freie Meinungsäusserung und die Versammlungsfreiheit.»

Sanitätsmaterial zerstört

Polizeieinsätze verhindern, dass SanitäterInnen ihrer Arbeit nachgehen können. Ein Arzt erzählte Amnesty, dass Sicherheitskräfte in der al-Rasheed-Strasse Tränengas gegen DemonstrantInnen einsetzte und dabei Sanitätszelte und medizinische Geräte im Wert von Tausenden von Dollars zerstört wurden.

Ein anderer Arzt beschrieb einen ähnlichen Vorfall, als die Sicherheitskräfte auf der al-Sinak-Brücke auf Demonstranten zusteuerten: Sie stürmten das Zelt, in dem verletzte Demonstranten behandelt wurden, und warfen Tränengasbehälter auf den Boden des Zeltes, das daraufhin Feuer fing. Das medizinische Personal musste fliehen. Verwundete wurden aus dem brennenden Zelt getragen, die medizinische Ausrüstung und Geräte mussten aber zurückgelassen werden. Es wurde auch ein als behelfsmässige Ambulanz markiertes Tuk-Tuk zerstört.

Hintergrund

Am 1. Oktober 2019 brachen im Irak landesweit Proteste aus. Die Proteste richteten sich gegen Arbeitslosigkeit, Korruption und mangelhafte öffentliche Dienste und dauerten vorerst zwei Wochen. In der Nacht des 24. Oktober gingen die Menschen in Bagdad und anderen Provinzen des Irak, darunter Karbala, Basra, Babel und Diwaniya, erneut auf die Strasse. Während dieser jüngsten Welle von Protesten dokumentierte Amnesty International die übermässig und in Dutzenden von Fällen tödliche Anwendung von Gewalt durch Sicherheitskräfte. Demonstrierende wurden mit Tränengas, scharfer Munition und Scharfschützen angegriffen. Amnesty dokumentierte auch eine unerbittliche Kampagne der Einschüchterung gegen AktivistInnen in Bagdad und anderen Teilen des Landes. Einige von ihnen sind spurlos verschwunden. Trotz einer Internetsperre erhält Amnesty weiterhin Berichte über tödliche Gewaltanwendung zur Auflösung von Demonstrationen sowie über neue Fälle von Verhaftung und Einschüchterung von DemonstrantInnen.

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