Demonstration nach den Wahlen vom Juni 2009 im Iran © Javad Montazeri
Demonstration nach den Wahlen vom Juni 2009 im Iran © Javad Montazeri

Bericht über die Wahlen 2009 Iran: Dramatische Menschenrechtslage

Die Gewalt nach den Wahlen von letztem Juni zählt zu den gravierendsten Menschenrechrechtsverletzungen der letzten 20 Jahre im Iran. Dies zeigt Amnesty International in einem am 10. Dezember 2009 veröffentlichten Bericht. Dringend nötig ist eine unabhängige Untersuchung.

«Die iranischen Behörden müssen sicherstellen, dass die vielen Anschuldigungen von Folter, Vergewaltigung, Tötungen und anderen Missbräuchen vollständig und unabhängig untersucht werden», sagt Hassiba Hadj Sahraoui, stellvertretende Direktorin für das Programm Mittleren Osten und Nordafrika bei Amnesty International.

«Beamte und Mitglieder der Miliz, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, müssen sofort zur Verantwortung gezogen werden.»

 

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Amnesty International ruft Irans obersten Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei dazu auf, zwei hochrangigen Uno-Menschenrechtsexperten die Einreise in den Iran zu gestatten, damit sie die Untersuchung unterstützen können.

Uno-Untersuchung notwendig

«Der oberste Religionsführer sollte die Regierung dazu anhalten, die Uno-Sonderberichterstatter für Folter und für aussergerichtliche Hinrichtungen einzuladen. Sie können dafür sorgen, dass die Aufarbeitung genau und unabhängig ist», sagt Hassiba Hadj Sahraoui. «Gegenwärtig machen die von verschiedenen iranischen Behörden angekündigten Untersuchungen eher den Eindruck, dass sie die Missbräuche eher vertuschen als aufklären sollen.»

Die Behörden haben bisher ein parlamentarisches und ein gerichtliches Komitee eingesetzt, um die Gewalt und die Verhaftungen zu untersuchen. Es gibt keine zugänglichen Informationen über diese Gremien. Die Ergebnisse des parlamentarischen Komitees wurden zudem nicht veröffentlicht.

Brutale Gewalt

Der Bericht von Amnesty International beschreibt Fälle von Missbräuchen während und nach den Wahlen vom Juni 2009. Die Behörden setzten wiederholt die Basij-Miliz und die Revolutionswachen ein, um die Massenproteste gegen das zweifelhafte Ergebnis der Wahlen zu unterdrücken.

Zahlreiche Zeuginnen und Zeugen kommen im Bericht zu Wort, die während der Proteste festgehalten wurden. Manche von ihnen waren seither gezwungen, den Iran zu verlassen und in andere Länder zu flüchten.

Ein ehemaliger Häftling erzählt, dass er während 58 Tagen im berühmt-berüchtigten Kahrizak-Haftzenter eingesperrt war. Er wurde die ganze Zeit in einem Container festgehalten und durfte seine Familie erst nach 43 Tagen kontaktieren.

Während den Verhören sagte man ihm, dass sein Sohn verhaftet worden sei und vergewaltigt würde, wenn er nicht «gestehen» sollte. Der Mann wurde mit einem Stock geschlagen, bis er das Bewusstsein verlor. Er berichtete, dass sich im gleichen Container mehr als 40 weitere Gefangene aufhalten mussten.

Ein anderer ehemaliger Gefangener, Ali Kheradnejad, hat den Studenten Amir Javadifar mit zerrissenen Kleidern und blutiger Stirn gesehen. Er erfuhr später, dass Amir Javadifar im Gefängnis gestorben ist, offenbar an den Folgen von Folter oder anderen Misshandlungen. Ali Kheradnejad entschied sich daraufhin, als Augenzeuge über das Erlebte zu berichten, obwohl er damit ein grosses Risiko eingeht.

Schauprozesse: Juristische Farce

 

Nach den Wahlen im Juni 2009 wurden im Iran mindestens 4'000 Menschen verhaftet. Noch immer sind gegen 200 im Gefängnis. Während den Protesten nach den Wahlen kamen gemäss den Behörden 36 Menschen ums Leben. Die Opposition spricht hingegen von mindestens 70 getöteten Menschen.

«Alle Gefangenen müssen vor Folter und Misshandlungen geschützt werden. Gewissensgefangene sind umgehend freizulassen», fordert Hassiba Hadj Sahraoui von Amnesty International. «Jene, die nach unfairen Gerichtsverfahren und den Schauprozessen verurteilt wurden, müssen neue Verfahren erhalten oder freigelassen werden. Alle Todesurteile sind in Gefängnisstrafen umzuwandeln. Wer noch nicht vor Gericht stand, muss ein faires Verfahren erhalten.»

Die Repression geht weiter: In den vergangenen drei Wochen wurden mehr als 90 Studierende verhaftet. Andere wurden von der Universität ausgeschlossen. Es handelt sich dabei um den gezielten Versuch, jene Studierende einzuschüchtern, die für die Menschenrechte eintreten.


10. Dezember 2010