Menschenrechtsverletzungen nach den Wahlen
Wie alarmierend die menschenrechtliche Situation im Iran seit den Wahlen ist, geht aus einem Amnesty International-Bericht vom Dezember 2009 hervor: Meinungs-, Versammlungs-, und Vereinigungsfreiheit werden massiv eingeschränkt, Andersdenkende werden willkürlich verhaftet und inhaftiert. Ungesetzliche Tötungen und exzessive Anwendung von Gewalt, Folter und Todesstrafe sind Alltag im Iran, während Folterer Straffreiheit geniessen und unabhängige, transparente Untersuchungen verhindert werden.
Andauernde Unterdrückung ohne mediale Aufmerksamkeit
Seit den letzten grossen Demonstrationen anlässlich des Ashoura Festes im Dezember 2009 wird kaum noch über die Menschenrechtslage und Demokratiebewegung im Iran in den Medien berichtet. Als Hunderttausende Iranerinnen und Iraner anlässlich der Beerdigung des regierungskritischen Grossayatollahs Hossein ali Montazeri Ende Dezember auf den Strassen demonstrierten, gingen die Sicherheitskräfte wieder mit unverhältnismässiger Gewalt gegen die Protestierenden vor. Erneut kam es zu Toten und Verletzten, Hunderte Männer und Frauen wurden festgenommen. Oppositionelle, Menschenrechtsverteidiger, Studenten und Journalisten wurden in ihren Häusern festgenommen oder nach Vorladung vor Gericht ins Gefängnis überstellt.
Der Iran ist heute aus den Schlagzeilen nahezu verschwunden. Polizei, Geheimdienste und Justiz haben offenbar ihr Ziel erreicht: Proteste werden schon im Keim erstickt, die Opposition zum Schweigen gebracht. Alle Versuche, Demonstrationen zu den nationalen Feiertagen wie dem Jahrestag der islamischen Revolution im Februar oder dem iranischen Neujahrsfest im März zu organisieren, wurden durch ein massives Aufgebot der Sicherheitskräfte gewaltsam unterdrückt. Gleichzeitig wurden Personen, die verdächtigt werden, Proteste gegen die Regierung zu organisieren, häufig bereits im Vorfeld der erwarteten Aktionen festgenommen.
Schlimmster Alptraum: Vergessen worden zu sein
Für die inhaftierten Oppositionellen bedeutet das anhaltende gewaltsame Vorgehen der iranischen Behörden langandauernde Inhaftierung, oft ohne Kontakt zur Aussenwelt und in Isolation von anderen Gefangnen. Viele werden während der Verhöre massiv unter Druck gesetzt, gefoltert und misshandelt, bedroht, dass ihre Familienangehörigen auch festgenommen werden. Männer und Frauen werden durch Sicherheitskräfte und Wachpersonal vergewaltigt.
Nach den Verhören und Folterungen folgen die Prozesse: Regierungsgegner, Studentenaktivisten, Frauenrechtsverteidigerinnen, Journalisten, Intellektuelle und Angehörige von Minderheiten werden - teilweise in Massenprozessen - vor Gericht gestellt und nach unfairen Verfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. «Der schlimmste Alptraum eines Gefangenen ist der Gedanke, vergessen worden zu sein. Dagegen erfüllt die Gewissheit, dass deine Notlage in den Herzen und Gedanken von Menschen überall auf der Welt bekannt ist, dich mit grosser Hoffnung». Mit diesen Worten beschrieb der iranisch-kanadische Journalist Maziar Bahari, der selbst vier Monate nach den Wahlen im Iran im Evin Gefängnis inhaftiert war und ständigen Verhören unterzogen wurde, die Situation der Gefangenen im Iran.
In dem am 9. Juni 2010 veröffentlichten Bericht «From Protest to Prison» dokumentiert Amnesty International die Situation der unrechtmässig inhaftierten Gefangenen.
Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen
Die iranischen Behörden setzen vieles daran, die massiven Verletzungen der Menschenrechte hinter dicken Gefängnismauern zu verbergen. Anstatt die Verantwortlichen zu Rechenschaft zu ziehen, werden Opfer und Zeugen von Menschenrechtsverletzungen bedroht und verfolgt, um sie davon abzuhalten, an die Öffentlichkeit zu treten.
Daher ist es umso wichtiger, dass die Situation im Iran nicht aus dem Interesse der Öffentlichkeit verschwindet. Die internationale Gemeinschaft muss auf die Einhaltung der Menschenrechte im Iran drängen - unbedingt und nicht nur zu symbolträchtigen Anlässen wie dem ersten Jahrestag der Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2010.
Forderungen von Amnesty International an die iranischen Behörden
- Alle gewaltlosen politischen Gefangen müssen bedingungslos freigelassen werden.
- Alle politischen Gefangenen müssen freigelassen werden, wenn sie nicht unverzüglich wegen einer als Straftat erkennbaren Handlung ohne die Verhängung der Todesstrafe in einem fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden. Fälle, in denen nach unfairen Verfahren Urteile gesprochen wurden, müssen unverzüglich überprüft werden.
- Allen Inhaftierten muss regelmässiger Zugang zu ihren Familienangehörigen und Rechtsanwälten sowie zu angemessener medizinischer Behandlung gewährt werden.
- Die iranischen Behörden müssen sicherstellen, dass niemand in Haft gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.