Iran Drohende Vernichtung der iranischen Zivilgesellschaft

4. April 2011
Die beiden Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Amnesty International und Arseh Sevom riefen das iranische Parlament auf, eine Gesetzesvorlage abzulehnen, die allen gegenwärtig in Iran aktiven Nichtregierungsorganisationen die Lizenz entziehen würde.

Die Vorlage verlangt von allen NGOs, die ihre Aktivitäten weiterführen oder neu beginnen wollen, sich bei einer neuen Aufsichtsbehörde zu registrieren. In dieser neuen Behörde werden Kräfte wie das Geheimdienstministerium oder die Basijis, eine von der Armee der Revolutionswächter kontrollierte paramilitärischen Bewegung, Schlüsselentscheidungen über den Betrieb der NGOs fällen können. Amnesty International und Arseh Sevom nannten das «Gesetz zur Gründung und Aufsicht von NGOs» einen Rückschlag bzw. einen Nagel mehr im Sarg der Vereinigungsfreiheit in Iran.

Breite Opposition

Ein weites Spektrum von zivilgesellschaftlichen Organisationen – von Umwelt- über Frauenrechtsgruppen über wohltätige Vereine und Behindertenorganisationen zu Arbeitgeber- und Branchenverbänden – sind gegen das Gesetz und haben Parlamentarier aufgerufen, die Vorlage in ihrer gegenwärtigen Form nicht zu verabschieden. Die allgemeinen Bestimmungen der Vorlage wurden nach zwei Lesungen im Parlament genehmigt, die weniger als sechs Monate auseinanderlagen, ein Vorgehen, das dem Protokoll des iranischen Parlamentes widerspricht. Die Diskussion der Details soll nun, nach dem Ende der Neujahrsferien, wieder aufgenommen werden.

Neue Behörde, keine Rechenschaft

Im Bericht «Legalizing the Murder of Civil Society» («Gesetzlicher Mord an der Zivilgesellschaft») von Arseh Sevom wurde die Vorlage bereits im November 2010 analysiert: die Kompetenz zur Erteilung und zum Entzug von Lizenzen für zivilgesellschaftliche Organisationen würde einer neuen und niemandem Rechenschaft schuldigen Behörde übergeben – dem «Supreme Committee Supervising NGO Activities» («Oberstes Komitee zur Aufsicht über NGO-Aktivitäten»).

In dieser dem Innenministerium unterstellten Behörde würden Vertreter der Justiz, des Geheimdienstministeriums, des Aussenministeriums, der Organisation für Wohltätigkeit und Frömmigkeit, der Moscheebehörde und der Basijis einsitzen, während die NGOs nur durch eine Person repräsentiert wären. Das Supreme Committee könnte über die Besetzung der Vorstände und Geschäftsleitungen der NGOs entscheiden, die Verteilung von Subventionen an sie kontrollieren und Bewilligungen für Demonstrationen erteilen. Öffentlich geäusserte Kritik an der Regierung und an anderen staatlichen Organen wäre verboten. NGOs, die sich internationalen Organisationen anschliessen oder sich an internationalen Aktivitäten beteiligen möchten, müssen dafür vorgängig beim Supreme Committee eine Bewilligung beantragen.

Todesstoss für die Zivilgesellschaft

Amnesty International und Arseh Sevom warnen, dass dieses Gesetz der Zivilgesellschaft in Iran den Todesstoss versetzen wird, die seit der Wahl von Präsident Ahmadinejad 2005 unter massivem Druck steht. AktivistInnen der Zivilgesellschaft sahen sich in Zusammenhang mit ihrer Arbeit Schikanen, Drohungen und Festnahmen ausgesetzt, und ihre Organisationen wurden geschlossen, oftmals ohne richterliche Anweisung. Einige AktivistInnen wurden zu Gefängnisstrafen oder Auspeitschung verurteilt, und viele sahen sich gezwungen, aus Angst um ihre Sicherheit das Land zu verlassen.

Die zwei Organisationen betonen, dass gerade jetzt, wo die internationale Gemeinschaft an der 15. Sitzung des UN Menschenrechtsrates durch die Schaffung eines UN-Sonderberichterstatters zum Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit die Wichtigkeit der Vereinigungsfreiheit bekräftigt hat, die iranischen Behörden ihr Möglichstes tun, um die Ausübung dieses fundamentalen Rechtes einzuschränken.