Verantwortung für das Leben der Gefangenen
„Die hohe Zahl an Toten ist besorgniserregend. Das Gefängnispersonal ist verantwortlich für die Aufrechterhaltung der Ordnung und den Schutz des Lebens der Gefangenen, aber sie müssen auch Zurückhaltung üben“, sagte Hassiba Hadj Sahraoui, Stellvertretende Leiterin des Mittelost- und Nordafrika-Programmes von Amnesty International.
„Eine sofortige, unabhängige und transparente Untersuchung ist unabdingbar. Dies ist in internationalen Menschenrechtsstandards wie z.B. den „Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners“ und dem „ Body of Principles for the protection of All Persons under Any Form of Detention or Imprisonment“ festgelegt.
„Leider hat das iranische Justizsystem bei der Durchführung solcher Untersuchungen immer wieder versagt. Deshalb fordern wir die internationale Gemeinschaft erneut auf, an der laufenden Sitzung des UNO-Menschenrechtsrates einen Sonderberichterstatter zu ernennen, der die Menschenrechtslage in Iran untersuchen soll.“
Protest gegen drohende Hinrichtungen?
Die Gefängnisbehörden gaben bekannt, der Aufstand sei von Häftlingen ausgelöst worden, die auf ihre Hinrichtung warteten bzw. die wegen Drogendelikten einsassen. Beim Versuch, aus dem Gefängnis auszubrechen, hätten sie Brände gelegt und Gefängnisinfrastruktur zerstört.
Amnesty International liegen jedoch Berichte vor, wonach die Gefangenen gegen schlechte Haftbedingungen und den Abtransport einzelner Insassen für die Hinrichtung protestiert hätten.
Schüsse vom Dach
Ein im Ausland lebender Menschenrechtsaktivist berichtete, er sei mit einem Gefangenen in der Sektion 2 des Gefängnisses in Kontakt gewesen, bis am frühen Mittwochmorgen die Telefonlinien unterbrochen worden seien.
„Die Gefangenen hatten Sektionen 2 und 3 des Gefängnisses übernommen », sagte der Aktivist Amnesty InternationaI. „Auf dem Dach des Gefängnisses und vor den Türen der betroffenen Sektionen hatten sich Wachen postiert. Die Gefangenen zündeten Bettzeug an, damit die Wachen nicht in die Sektionen eindringen konnten. Die Wachen schossen auf alles, was sich bewegte.“
Es wurde berichtet, dass mindestens sechs Personen an Schusswunden gestorben und über 100 verletzt worden seien, von denen einige später in einem medizinischen Behandlungszentrum (oder auf dem Weg dorthin) starben.
Das iranische Staatsfernsehen soll am Mittwoch berichtet haben, 14 Menschen seien getötet und 33 verletzt worden. Mindestens neun der Getöteten seien Häftlinge gewesen. Unter den Toten könnten demnach auch Wachen gewesen sein.
Hinrichtungsmoratorium gefordert
„Wir wissen, dass sich die iranischen Behörden im Moment auf einer Art „Tötungstrip“ befinden, sie haben seit Beginn des Jahres über 100 Personen hingerichtet, grösstenteils wegen mutmasslicher Drogendelikte. Das ist ein Grund mehr, warum sofort ein Hinrichtungsmoratorium angeordnet werden soll“, sagte Hadj Sahraoui.