Bei Massenhinrichtungen wurden 1988 in Iran Tausende politische Gefangene getötet und ihre Überreste landesweit in anonymen Massengräbern verscharrt. Mit Satellitenbildern und dem neuen Bericht «Criminal cover-up: Iran destroying mass graves of victims of 1988 killings» dokumentiert Amnesty International gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation «Justice for Iran», wie die Massengräber von 2003 bis 2017 durch den Bau von Mülldeponien, Strassen oder Friedhöfen zerstört und forensische Beweise für die begangenen Menschenrechtsverletzungen endgültig vernichtet wurden.
«Durch die Zerstörung dieser wichtigen Beweise verunmöglichen die iranischen Behörden die Verfolgung dieser Verbrechen», sagte Philip Luther, verantwortlicher Researcher für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
«Justice for Iran» schätzt, dass es in ganz Iran mehr als 120 Orte geben könnte, an denen die Überreste der Opfer des Massakers von 1988 zu finden sind.
Bis heute ist nicht genau bekannt, wie viele Häftlinge damals aussergerichtlich hingerichtet wurden. Die Mindestschätzungen liegen zwischen 4000 und 5000 Opfern. Kein iranischer Beamter der damaligen Behörden wurde je wegen des Massakers angeklagt oder vor Gericht gestellt. Einige der mutmasslichen Täter bekleiden weiterhin politische Ämter oder einflussreiche Positionen in der Justiz.
«Diese Tatorte müssen als solche geschützt werden, bis angemessene und unabhängige forensische Untersuchungen durchgeführt werden, um die Überreste und die Umstände dessen, was den Opfern passiert ist, zu identifizieren», sagt auch Shadi Sadr, die Direktorin von «Justice for Iran».
In der Stadt Tabriz haben die Behörden mehr als die Hälfte einer Fläche zubetoniert, unter welcher ein Massengrab vermuteten wird. Satellitenbilder von Amnesty International und «Justice for Iran» belegen die massiven Veränderungen des Geländes zwischen Juni 2016 und September 2017.
Ein weiteres Beispiel aus der Stadt Qorveh in der Provinz Kurdistan ist die Zerstörung von Grabsteinen und Gedenkschildern, die von trauernden Familienmitgliedern angebracht wurden. Die Behörden begründeten dies damit, dass das Land für «landwirtschaftliche» Zwecke bestimmt sei.
Seit fast drei Jahrzehnten geben die iranischen Behörden keine Auskünfte über das Schicksal und den Verbleib der Opfer. Diese Praxis läuft auf Verschwindenlassen hinaus, was nach dem Völkerrecht ein Verbrechen ist.
Den Familien wurde es verboten, Gedenkrituale abzuhalten oder die Massengräber mit Blumen und Gedenkbotschaften zu schmücken. Wer nach Wahrheit und Gerechtigkeit suchte, wurde oft verfolgt.