Kontrollen durch israelische Sicherheitskräfte
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Das Westjordanland ist ein relativ kleines Gebiet (6'000 km2), das von einem Netz von ungefähr 550 Checkpoints und militärischer Blockaden durchkreuzt wird. Geschichten wie die des sechs Monate alten Khaled, der an einem Checkpoint an Atemnot starb, weil israelische Soldaten ihm und seinen Eltern den Durchgang verweigerten und sie dadurch das nahe gelegene Spital in Ramallah nicht rechtzeitig erreichten, sind leider keine Seltenheit.
Die Checkpoints und Blockaden zwingen die PalästinenserInnen täglich zu grossen Umwegen und führen zu Verspätungen beim Weg zur Arbeit, zur Schule oder ins Krankenhaus. Seit Jahren haben sie nur begrenzten Zugang zu medizinischer Grundversorgung, was oft medizinische Komplikationen, Geburten an Checkpoints oder sogar den Tod zur Folge hat.
Seit der Besetzung des Westjordanlands und des Gazastreifens im Jahr 1967 wurde die Bewegungsfreiheit der PalästinenserInnen immer wieder eingeschränkt. In den 90er Jahren nahmen diese Einschränkungen zu und stiegen nach Ausbruch der Intifada im Jahr 2000 auf ein nie dagewesenes Mass an. Dadurch wurde den PalästinenserInnen nicht nur das Recht auf Bewegungsfreiheit genommen (ein Weg von normalerweise einer Stunde kann sich bis zu sieben Stunden hinziehen), sondern ebenso ihr Recht auf Arbeit, Nahrung, Gesundheit oder Bildung.
Den massiven Bewegungseinschränkungen sind die über zwei Millionen in der Westbank lebenden PalästinenserInnen seit Jahren ausgesetzt, weil sie PalästinenserInnen sind. Die Restriktionen sind unverhältnismässig, diskriminierend und verletzen das Recht auf Bewegungsfreiheit. Sie dienen allein den israelischen SiedlerInnen, deren Anwesenheit im besetzten Westjordanland internationales Recht verletzt.
Der Ort der israelischen Siedlungen im Westjordanland und die Strassen, welche die Siedlungen miteinander verbinden (so genannte Bypass-Strassen, deren Benützung für die PalästinenserInnen oft verboten ist) bestimmen den Standort der Checkpoints und Blockaden. Je näher die Siedlungen und Bypass-Strassen an palästinensischen Dörfern und Städten liegen, desto grösser sind die Einschränkungen.
Seit Beginn der israelischen Besetzung 1967 wurden ungefähr 135 offizielle Siedlungen erbaut. Daneben entstanden so genannte «Outposts», die zwar nicht genehmigt sind, jedoch vom Staat unterstützt werden. Israels Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten ist gekennzeichnet durch Diskriminierung aufgrund von Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit und Religion.
Durch die Siedlungen verlieren die PalästinenserInnen mehr und mehr von ihrem fruchtbarsten Landwirtschaftsland und viele ihrer Wasserressourcen. Sie dürfen nicht mehr am israelischen Arbeitsmarkt teilnehmen, von dem sie so sehr abhängig sind. Die Möglichkeiten der ökonomischen Entwicklung werden durch die israelischen Kontrollen massiv behindert. Aus all dem resultieren wachsende Armut und Verzweiflung in den besetzten Gebieten.
Lange Warteschlangen an der Mauer
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Die 700 km lange Mauer im Westjordanland zieht sich von Norden nach Süden und kreist sowohl palästinensische Dörfer als auch die Gegend in und um Westjerusalem ein. Die israelischen Behörden behaupten, dass diese Absperrungen und Einschränkungen notwendig seien, um PalästinenserInnen daran zu hindern, Israel zu betreten und dort Selbstmordattentate oder andere Angriffe zu verüben.
Israel hat die Pflicht, die Sicherheit der innerhalb der Grenzen Israels lebenden Menschen zu gewährleisten. Dies kann mit einschliessen, dass Personen, die eine Gefahr für das Land bedeuten, der Zugang zu Israel verwehrt wird. Allerdings muss dies verhältnismässig und ohne Diskriminierung geschehen und die Menschenrechte dürfen dabei nicht verletzt werden.
Zu solchen Sicherheitsmassnahmen kann durchaus der Bau von Mauern, Zäunen, Barrieren oder andern Strukturen gehören, jedoch müssten diese zwischen dem Territorium von Israel und dem besetzten Westjordanland liegen. In Wirklichkeit befinden sich aber die meisten Checkpoints, Blockaden, sowie der grösste Teil der Mauer (oder des Zauns) im Westjordanland und nicht zwischen Israel und dem Westjordanland.
Die Folgen der von Israel auferlegten Sicherheitsmassnahmen sind massive Bewegungseinschränkungen für die PalästinenserInnen: Gemeinden werden auseinander gerissen und Bauern und Bäuerinnen haben nur erschwerten oder keinen Zugang zu ihrem Land, wodurch ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird. Durch den Mauerbau wurden bereits Zehntausende von Olivenbäumen und anderen Nutzhölzern gefällt, grosse Flächen fruchtbaren Landwirtschaftslands vernichtet und Dutzende von Häuser zerstört.
Zerstörung von palästinensischen Häusern
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Israel verbietet den PalästinenserInnen das Bauen von Häusern ausserhalb ihrer Hauptstädte oder ausserhalb der Grenzen der «built-up»-Gebiete. Die Israelische Armee zerstört regelmässig Häuser, welche PalästinenserInnen auf ihrem eigenen Land in und um Dörfer im Westjordanland gebaut haben.
Die Vernichtung von Eigentum durch eine Besatzungsmacht ist gemäss der Vierten Genfer Konvention verboten, es sei denn, sie ist infolge einer dringend notwendigen militärischen Operation entstanden, andernfalls gilt sie als Kriegsverbrechen. Mehrere Uno-Resolutionen sowie Aufrufe der internationalen Gemeinschaft, die Fortsetzung des Siedlungsbaus und die Zerstörung von Eigentum zu stoppen blieben bis heute von Israel unbeachtet.
PalästinenserInnen, die angeklagt wurden, israelische SiedlerInnen angegriffen zu haben, werden vor ein israelisches Militärgericht gebracht und meistens schwer bestraft – in manchen Fällen werden sie sogar umgebracht. Umgekehrt werden israelische SiedlerInnen, die PalästinenserInnen angegriffen und deren Besitz zerstört haben, fast nie strafrechtlich verfolgt. In den seltenen Fällen, in denen dies doch geschah, bekamen sie nicht die angemessene Strafe.
Als Antwort auf eine Petition von zwei isrealischen Menschenrechtsorganisationen hat der israelische «High Court of Justice» im Juni 2006 der israelischen Armee und Polizei angeordnet, palästinensische Bauern und Bäuerinnen zu beschützen. Trotz diesem klaren Signal an die Adresse der israelischen Streitkräfte, welche die Gewalt der SiedlerInnen oft tolerieren oder gar Beihilfe leisten, ignorieren israelische Soldaten diesen Erlass nach wie vor.
Dank dem Druck von Menschenrechtsgruppen gegenüber der israelischen Armee, patrouillieren nun in begrenzten Gebieten an wenigen Tagen während der Olivenernte SoldatInnen, um die Bauern und Bäuerinnen zu beschützen. Bislang haben die israelischen Sicherheitskräfte jedoch noch nicht die notwendigen Massnahmen getroffen, um die Attacken der SiedlerInnen zu verhindern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
In den vergangenen Jahren haben israelische und internationale MenschenrechtsverteidigerInnen immer wieder palästinensische Bauern und Bäuerinnen zu ihrer Arbeit in der Nähe von Siedlungen begleitet und Kinder auf dem Weg zur Schule eskortiert. In einigen kleinen Dörfern in Siedlungsnähe sind internationale Friedensaktivisten und -aktivistinnen permanent präsent.
Im Gegenzug dazu intensivieren die SiedlerInnen ihre Gewaltakte gegen internationale- und in manchen Fällen auch gegen israelische MenschenrechtsaktivistInnen. Personen, die ihre Attacken fotografierten oder filmten, wurden angegriffen und ihre Kameras gestohlen. Es sind mehrere Fälle bekannt, in denen MenschenrechtsaktivistInnen tätlich angegriffen und zum Teil schwer verletzt wurden. Obwohl es zu Anzeigen gegen die TäterInnen kam, ist bis heute nicht bekannt, ob diese auch tatsächlich zur Rechenschaft gezogen wurden.
Da solche Attacken internationale Aufmerksamkeit auf sich zogen, hat die israelische Armee eingewilligt, palästinensische Kinder auf ihrem Schulweg zwischen Tuwani und den umliegenden Dörfern zu eskortieren. Dies ist der einzige Ort, an dem ein solches Abkommen besteht.