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Libanon / Israel AI ruft zu sofortigem Waffenstillstand auf

1. August 2006
Amnesty International ruft die Kriegsparteien im Libanon und in Israel zu einem Waffenstillstand auf und fordert ein Waffenembargo gegen Israel und gegen die Hisbollah. AI-Delegierte haben im südlibanesischen Dorf Qana Augenzeugen zu den Bombenangriffen befragt.

«Angesichts der anhaltenden Missachtung von humanitären Grundsätzen durch beide Konfliktparteien kann nur ein sofortiger, vollständiger und wirkungsvoller Waffenstillstand die Zivilpersonen auf beiden Seiten schützen», erklärte Irene Khan, die Generalsekretärin von Amnesty International (AI). «Es ist absolut beschämend, dass Regierungen, die Einfluss auf Israel und auf die Hisbollah haben, und die mithelfen könnten, diese Krise zu beenden, politische und militärische Interessen über das Leben von unschuldigen Zivilpersonen stellen.»

Der verheerende Angriff auf das libanesische Dorf Qana macht deutlich, dass ein sofortiger und umfassender Waffenstillstand absolut dringend ist, erklärt AI. Die von Israel angekündigte temporäre Unterbrechung der Luftangriffe auf den Südlibanon genüge nicht. Beide Konfliktparteien missachten gemäss der Menschenrechtsorganisation das Kriegsrecht in eklatanter Weise: «Zivilpersonen auf beiden Seiten bezahlen den Preis für die zahlreichen Kriegsverbrechen.»

Augenzeugen von Qana

Mitglieder einer AI-Untersuchungsdelegation im Libanon, die kurz nach der Bombardierung von Qana, ins südlibanesische Dorf kamen, fanden Sanitäter vor, die Kinderkörper aus den Schutthaufen hervorholten und die verzweifelt nach Überlebenden gruben. Im Spital von Tyrus konnten sie mit Mohamed Qasem Shallhoub sprechen, der bei den israelischen Bombenangriffen seine Frau, seine Mutter und 5 Kinder im Alter von 2 bis 11 Jahren verloren hat. Er erklärte, dass er sich beim Angriff mit 17 Kindern in einem Kellerraum befunden habe. Nur eines der Kinder habe überlebt. Eine andere Überlebende, deren Schwester und Bruder getötet wurden, erklärte gegenüber AI-Delegierten, dass sie und ihre Familie seit 10 Tagen in dem Haus Schutz gesucht hätten und dass sie tagsüber im Freien gewesen seien, um sich zu waschen. Ihre Anwesenheit müsse den israelischen Streitkräften bekannt gewesen sein, da regelmässig Überwachungsdrohnen über das Dorf geflogen seien.

Sofortiges Waffenembargo

«Aufforderungen an die Kriegsparteien, das Kriegsrecht zu befolgen und die Zivilbevölkerung zu schützen, sind auf taube Ohren gestossen», sagt Irene Khan. «Israel führt unverhältnismässige und gezielte Attacken auf Zivilpersonen und humanitäre Helfer durch, während die Hisbollah weiterhin Raketen auf israelische Wohngebiete und Bevölkerungszentren abschiesst.» Um die Zivilbevölkerung wirksam vor den Angriffen der beiden Kriegsparteien zu schützen, fordert AI ein sofortiges Waffenembargo sowohl gegen Israel als auch gegen die Hisbollah. «Regierungen, die Israel und die Hisbollah mit Waffen und militärischer Ausrüstung versorgen, verstärken die Fähigkeit der Kriegsparteien, Kriegsverbrechen zu begehen», sagte Irene Khan. Alle Regierungen werden aufgefordert, dieses Waffenembargo gegen beide Kriegsparteien zu unterstützen und keine Bewilligungen für Waffentransporte über ihr Territorium zu erteilen. «Es ist lächerlich, einerseits humanitäre Hilfe zu versprechen und andererseits Waffen zu liefern», erklärte Irene Khan.

«Menschliche Schutzschilder» der Hisbollah

Israelische Behörden haben behauptet, dass die Hisbollah in Qana bewusst Zivilpersonen als «menschliche Schutzschilder» missbraucht habe. Das humanitäre Völkerrecht verbietet den Gebrauch von Taktiken wie «menschliche Schutzschilder» zur Verhinderung von Angriffen auf militärische Ziele ausdrücklich. Für den Fall, dass sich eine Konfliktpartei hinter Zivilpersonen versteckt, sagt das humanitäre Völkerrecht aber auch klar, dass ein solcher Missbrauch «die Konfliktparteien nicht von ihrer rechtlichen Verpflichtung in Bezug auf die Zivilbevölkerung und auf Zivilpersonen befreit». Die vorsätzliche Lancierung eines unverhältnismässigen oder wahllosen Angriffs und bewusste Angriffe auf Zivilpersonen oder zivile Ziele gelten nach gebräuchlichem Völkerrecht als Kriegsverbrechen.