Der Bericht dokumentiert, wie Polizei und Sicherheitskräfte wiederholt brutal und ohne ersichtlichen Grund gegen friedliche Protestierende vorgegangen sind. Er belegt auch, dass die palästinensischen Behörden diese Vorgehensweise nicht nur gebilligt, sondern den Verantwortlichen sogar Straffreiheit zugesichert haben.
«Bei Polizeieinsätzen gegen Demonstranten im Westjordanland werden internationale Standards nicht eingehalten», sagt Philip Luther, Amnesty Experte für den Nahen Osten. «Das Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht auf Versammlungsfreiheit werden so ernsthaft ausgehöhlt».
Schleppende Untersuchungen und Straflosigkeit
Dokumentiert werden unter anderem die gewalttätigen Polizeieinsätze am 30. Juni und am 1. Juli 2012 gegen eine friedliche Demonstration in Ramallah, anlässlich eines Treffens von Präsident Mahmud Abbas mit einem israelischen Minister. Mindestens fünf Demonstranten mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Auf Druck der Öffentlichkeit kündigte Präsident Abbas damals eine unabhängige Untersuchung an, und der palästinensische Innenminister leitete seinerseits eine interne Ermittlung ein.
Ein Jahr später liegen weder von der einen noch von der anderen Untersuchung Schlussberichte vor. Die palästinensische Autonomiebehörde veröffentlichte lediglich eine Zusammenfassung, in der von «unnötiger», «ungerechtfertigter», «unverhältnismässiger» und «gesetzwidriger» Gewalt der Polizei und Sicherheitskräfte die Rede war. Anzeigen gegen die gewalttätigen Polizisten und Sicherheitsbeamten gab es jedoch keine. Diese Straflosigkeit leistet weiterem Fehlverhalten Vorschub, so Philip Luther.
Einschüchterung von Reporterinnen und Todesfälle
Auch im Juli und August 2013 gingen Polizei und Sicherheitskräfte bei mindestens vier verschiedenen Demonstrationen erneut brutal gegen friedliche Protestierende vor. Polizisten in Zivil versuchten gezielt, Demonstrantinnen und Journalistinnen einzuschüchtern, welche die Ereignisse dokumentieren wollten. Sicherheitsbeamte sind vermutlich auch für den Tod von zwei Palästinensern verantwortlich: Am 8. Mai 2013 starb Khaleda Kawazbeh unter ungeklärten Umständen bei einem Polizeieinsatz in Se’ir Nahe Hebron, acht weitere Demonstranten wurden verletzt. Am 27. August wurde der 37jährige Amjad Odeh durch einen Kopfschuss getötet, vermutlich von einem Polizisten während einer Protestveranstaltung.
Handlungsbedarf für die Autonomiebehörde
Amnesty International fordert die palästinensischen Behörden dringend auf, konsequenter gegen den exzessiven Einsatz von Gewalt bei Polizeieinsätzen vorzugehen und die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Sicherheitskräfte müssen ausserdem geschult werden, damit sie die Rechte der Protestierenden auch während eines Einsatzes respektieren.
Amnesty International ruft die EU, die USA und andere Geberländer dazu auf, dass sie von den palästinensischen Behörden die Einhaltung internationaler Standards und die Achtung des internationalen Rechts verlangen.
Medienmitteilung veröffentlicht: London - Bern, 23.09.2013
Medienkontakt