Bilal Tamini wird von einem israelischen Soldaten während einer Protestkundgebung angegriffen. Nabi Saleh, Mai 2013. © Tamimi Press
Bilal Tamini wird von einem israelischen Soldaten während einer Protestkundgebung angegriffen. Nabi Saleh, Mai 2013. © Tamimi Press

Israel/besetzte Gebiete Rücksichtslose Polizei- und Armeegewalt in den besetzten Gebieten

Israelische Sicherheitskräfte legen bei ihren Einsätzen in den besetzten palästinensischen Gebieten eine erschreckende Missachtung menschlichen Lebens an den Tag. In den vergangenen drei Jahren haben sie im Westjordanland Dutzende palästinensischer Zivilpersonen getötet, darunter auch Kinder. Für diese Taten wurden die Verantwortlichen so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen. Das belegt Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der Bericht «Trigger-happy: Israel’s use of excessive force in the West Bank» zeigt auf, dass die israelischen Sicherheitskräfte seit Januar 2011 mit unnötiger, willkürlicher und brutaler Gewalt gegen Palästinenser vorgehen. Das hat dazu geführt, dass Blutvergiessen und Menschenrechtsverletzungen in den besetzten palästinensischen Gebieten stetig zunehmen.

In den von Amnesty untersuchten Fällen stellten die von den israelischen Soldaten getöteten Palästinenser keine direkte und unmittelbare Bedrohung für die Sicherheitskräfte dar. In manchen Fällen liegt der Beweis vor, dass es sich um bewusste Tötungen und damit um mutmassliche Kriegsverbrechen handelt.

«Unser Bericht liefert den Beweis, dass die rechtswidrigen Tötungen und ungerechtfertigten Verletzungen palästinensischer Zivilpersonen durch israelische Sicherheitskräfte im Westjordanland ein erschütterndes Muster bilden», sagt Philip Luther, Programmdirektor für Nordafrika und den Mittleren Osten bei Amnesty International.

«Die Häufigkeit und die Hartnäckigkeit, mit der israelische Soldaten und Polizistinnen mit roher Gewalt gegen friedvolle Demonstrantinnen und Demonstranten im Westjordanland vorgehen und dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden, legen den Verdacht nahe, dass dieses Vorgehen von der Politik gewollt ist.»

 

Video: Der 16-jährige Samir Awad wurde erschossen (Video auf Englisch)
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Amnesty International hat dokumentiert, dass alleine im vergangenen Jahr 22 palästinensische Zivilisten im Westjordanland getötet wurden, 14 von ihnen während Demonstrationen. Die meisten waren junge Erwachsene unter 25 Jahren. Mindestens vier Todesopfer waren Kinder.

Laut neusten Zahlen der Uno haben israelische Sicherheitskräfte 2013 mehr palästinensische Zivilpersonen im Westjordanland getötet, als in den Jahren 2011 und 2012 zusammengenommen.

Insgesamt wurden in den vergangenen drei Jahren 45 Menschen getötet: darunter friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten, Zuschauer, Menschenrechtsaktivistinnen und Journalisten.

261 Palästinenser wurden im gleichen Zeitraum durch den Einsatz von scharfer Munition durch israelische Sicherheitskräfte schwer verletzt, darunter 67 Kinder.

Eine erschreckend hohe Zahl von Zivilpersonen im Westjordanland, nämlich 8'000 (darunter 1'500 Kinder) sind durch den Einsatz von Plastikgeschossen und Tränengas ernsthaft verletzt worden. Einige von ihnen sind den Folgen dieser Verletzungen erlegen.

Opfer in den Rücken geschossen

«Diese hohe Zahl von Verletzten zeigt, wie gefährlich das tägliche Leben für palästinensische Zivilpersonen im besetzten Westjordanland ist», so Philip Luther.

Einigen der Opfer wurde in den Rücken geschossen. Das legt die Vermutung nahe, dass sie vor den Sicherheitskräften fliehen wollten und mit Sicherheit keine unmittelbare Gefahr für israelische Soldatinnen oder Polizisten darstellten.

«Den israelischen Sicherheitskräften muss klar gemacht werden, dass sie für den Missbrauch ihrer Rechte und den daraus resultierenden Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen und bestraft werden können. Das israelische Justizsystem hat sich bislang als völlig unzureichend erwiesen. Es ist weder unabhängig, noch unparteiisch oder transparent», so Philip Luther.

Forderungen

Amnesty International fordert die israelischen Behörden auf, sofort alle Fälle von willkürlicher und missbräuchlicher Gewalt seitens der Sicherheitskräfte gründlich von einer unabhängigen Stelle untersuchen zu lassen, besonders wenn Menschen gestorben sind.

Amnesty International fordert die israelischen Behörden ausserdem auf, ihren Sicherheitskräften den Einsatz von tödlicher Gewalt zu untersagen, dazu gehört die Verwendung von scharfer Munition und Plastikgeschossen. Ausgenommen sind nur Situationen, in denen das Leben der Soldatinnen und Polizisten in unmittelbarer Gefahr ist.

Die israelischen Behörden müssen das Recht der palästinensischen Bevölkerung auf Versammlungsfreiheit gewährleisten.

Amnesty International ruft die USA, die Europäische Union und den Rest der internationalen Gemeinschaft dazu auf, keine Waffen, Munition oder militärische Ausrüstung mehr an Israel zu liefern.

«Es ist zu viel Blut von Zivilpersonen geflossen. Dieses Muster von Gewaltmissbrauch muss durchbrochen werden. Wenn die israelischen Behörden der Welt zeigen wollen, dass sie demokratischen Prinzipien und internationale Menschenrechtsstandards ernst nehmen, müssen die rechtswidrigen Tötungen und der unnötige Einsatz von Gewalt gestoppt werden», sagt Philip Luther.

Früherer Amnesty-Bericht zur Polizeigewalt der palästinensischen Autonomiebehörde

Im September 2013 hat Amnesty International einen Bericht über Menschenrechtsverletzungen der palästinensischen Behörden veröffentlicht:

Israel/besetzte Gebiete: Autonomiebehörde muss Polizeigewalt stoppen

Medienmitteilung veröffentlicht: Bern, 27.02.2014
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