«Nichts kann diese Entführung und Ermordung rechtfertigen. Wir verurteilen sie aufs Schärfste. Die Verantwortlichen müssen vor Gericht gebraucht werden. Aber der Gerechtigkeit wird nicht mit kollektiven Bestrafungen und anderen Menschenrechtsverletzungen gedient.»
Am 30. Juni 2014 wurden die am 12. Juni entführten drei israelischen Jugendlichen nördlich der Stadt Hebron in der besetzten Westbank tot aufgefunden. Die israelischen Behörden schworen Rache gegen die bewaffnete palästinensische Organisation Hamas, die sie für die Entführung verantwortlich machen.
«Nichts kann diese Entführung und Ermordung rechtfertigen. Wir verurteilen sie aufs Schärfste. Die Verantwortlichen müssen vor Gericht gebraucht werden», sagt Philip Luther, der Amnesty-Programmverantwortliche für daen Nahen Osten und Nordafrika. «Aber der Gerechtigkeit wird nicht gedient, wenn sie in Form von Racheaktionen mit kollektiven Bestrafungen oder anderen Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Palästinensern geschieht. Die israelischen Behörden müssten vielmehr eine gründliche, umfassende und unvoreingenommene Untersuchung vornehmen, die zu einer Ergreifung der Täter und zu einem fairen Prozess führt.»
Nach der Entdeckung der Leichen des 19-jährigen Eyal Yifrah und der beiden 16-jährigen Gilad Shaar und Naftali Fraenkel traf sich das israelische Sicherheitskabinett und schwor Rache gegenüber der Hamas.
Die Wohnungen der Familien der beiden von Israel verdächtigten Palästinenser aus Hebron, Marwan al-Qawashmeh und Amer Abu Aisheh, wurden inzwischen durch das israelischen Militär in einer Nachtaktion zerstört. Dabei wurden die Mehrfamilienhäuser schwer beschädigt. Der Aufenthaltsort der beiden Verdächtigten ist unbekannt.
Die israelischen Behörden haben bislang keine Beweise geliefert, die ihren Verdacht belegen, dass die Hamas oder die beiden Verdächtigten hinter der Entführung und der Ermordung der Jugendlichen stehen. Das israelische Sicherheitskabinett hat nach seinem Treffen dennoch am 1. Juli 34 Luftangriffe auf Gaza durchführen lassen. Dabei kam es laut Berichten zu Verletzten. Militante Gruppen haben ihrerseits mindestens 18 Raketen von Gaza aus nach Südisrael abgefeuert; bisher wurde von keinen Verletzten aufgrund dieser Angriffe berichtet.
In der Westbank wurde am 1. Juli der 20-jährige Yousef Abu Zagha durch israelische Soldaten während einer Razzia im Jenin-Flüchtlingslager getötet. Er hatte angeblich eine Granate gegen die Soldaten geschleudert. Damit wurden seit Beginn der Militäroperationen auf der Suche nach den israelischen Jugendlichen in der Westbank mindestens sechs PalästinenserInnen, darunter ein Kind, durch die israelischen Sicherheitskräfte getötet.
«Diese Auge-um-Auge-, Zahn-um-Zahn-Vergeltung vergrössert nur die Wahrscheinlichkeit weiterer Menschenrechtsverletzungen und das Leiden auf beiden Seiten. Sie muss sofort aufhören», fordert Philip Luther. Die eskalierenden militärischen Reaktionen sind Teil einer andauernden Praxis von Kollektivstrafen in den besetzten palästinensischen Gebieten und einer unrechtmässigen Siedlungspolitik in der besetzten Westbank. Dazu gehören willkürliche Verhaftungen und Internierungen. Momentan befinden sich mindestens 364 Palästinenser in Administrativhaft, die höchste Zahl seit Jahren. Dazu gehören auch die Zunahme der Schliessung von Checkpoints, wie auch willkürliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit für Palästinenserinnen und Palästinenser.
Israelische Siedler haben PalästinenserInnen in der Umgebung von Hebron und bei Bethlehem angegriffen. Dabei wurde Berichten zufolge ein 9-jähriges Mädchen verletzt, als ein Siedler es mit seinem Wagen überfahren hat. Siedler haben zudem drei neue Aussenposten für neue Siedlungen aufgebaut.