Die Not, die durch die israelische Blockade des Gazastreifens verursacht wird, wird von ausländischen NGOs aufgefangen. Deren Mitarbeiter*innen geraten immer wieder ins Visier der israelischen Regierung. © Amnesty International / Ersatzbild (nach Ablauf der Bildrechte vom Originalbild)
Die Not, die durch die israelische Blockade des Gazastreifens verursacht wird, wird von ausländischen NGOs aufgefangen. Deren Mitarbeiter*innen geraten immer wieder ins Visier der israelischen Regierung. © Amnesty International / Ersatzbild (nach Ablauf der Bildrechte vom Originalbild)

Verurteilung von NGO-Mitarbeiter Mohamad al-Halabi aufheben

21. Juni 2022
Am 16. Juni 2022 wurde Mohamad al-Halabi, ehemaliger Leiter des Gaza-Büros der US-amerikanischen NGO World Vision, nach sechs Jahren Untersuchungshaft verurteilt. Untersuchungen von World Vision ergaben keine Hinweise auf die ihm vorgeworfene Veruntreuung von Geldern.

Amnesty International fordert die israelischen Behörden auf, die Verurteilung von Mohammed al-Halabi aufzuheben. Ein israelisches Gericht befand ihn am 16. Juni 2022 in einem äusserst fehlerhaften Verfahren für schuldig, während seiner Arbeit Millionen von Dollar an die de-facto-Regierung der Hamas abgezweigt zu haben. Der Grossteil der gegen ihn verwendeten Beweise bleibt geheim.

«Die Behandlung von Mohammed al-Halabi durch die israelischen Behörden verstösst gegen alle grundlegenden Garantien für ein ordnungsgemässes Verfahren, die in den internationalen Menschenrechtsgesetzen verankert sind.» Heba Morayef, Regionaldirektorin von Amnesty International für den Nahen Osten und Nordafrika

Mohammed al-Halabi, der früher das Gaza-Büro der US-amerikanischen NGO World Vision leitete, hat bereits sechs Jahre in Untersuchungshaft verbracht. Heba Morayef, die Regionaldirektorin von Amnesty International für den Nahen Osten und Nordafrika, sagte:

«Die Behandlung von Mohammed al-Halabi durch die israelischen Behörden verstösst gegen alle grundlegenden Garantien für ein ordnungsgemässes Verfahren, die in den internationalen Menschenrechtsgesetzen verankert sind. Er wurde vor dem Urteilsspruch sechs Jahre lang festgehalten, ohne Rechtsbeistand verhört, in geheimen Anhörungen vor Gericht gestellt und aufgrund geheimer Beweise und eines erzwungenen ‘Geständnisses’ verurteilt. Aussagen von Mohammed al-Halabi, dass er in Haft gefoltert und misshandelt worden war, haben die israelischen Behörden völlig ausser Acht gelassen. Damit zeigt das Urteil gegen Mohammed al-Halabi, wie ungerecht das israelische Justizsystem Palästinenser*innen behandelt.»

Amnesty International fordert, dass der Gerichtsfall von Mohammed al-Halabi in einem den internationalen Standards entsprechendem Verfahren erneut aufgenommen wird. Seine Misshandlungsvorwürfe müssen untersucht werden und alle unrechtmässig erlangten Beweise – z.B. solche, die möglicherweise durch Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erlangt wurden – müssen ausgeschlossen werden. «Der Gerichtsfall von Mohammed al-Halabi ist einer von vielen, die aufzeigen, wie die israelischen Behörden das Justizsystem systematisch nutzen, um die Palästinenser*innen zu beherrschen und zu diskriminieren.»

Hintergrund

Mohammed al-Halabi arbeitete seit 2005 für World Vision und wurde 2014 zum Leiter der NGO im Gaza-Streifen.

Die israelische Sicherheitsbehörde verhaftete ihn am 15. Juni 2016 am Grenzübergang Erez zwischen Israel und Gaza. Er wurde im Haftzentrum in Ashkelon, festgehalten und verhört, bevor er ins Nafkha-Gefängnis in der Negev-Wüste verlegt wurde.

Mohammed al-Halabi wurde in den ersten Wochen der Haft in Isolationshaft gehalten, wo er ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand intensiv verhört wurde. Seinem Anwalt und Medienberichten zufolge wurde er schwer geschlagen, und sein «Geständnis», jährlich 7,4 Mio. US-Dollar veruntreut zu haben, wurde erzwungen. Die Foltervorwürfe, die Mohammed al-Halabi vorbrachte, wurden nicht untersucht. Am 4. August, mehr als sieben Wochen nach seiner Verhaftung, wurde Anklage gegen Mohammed al-Halabi erhob.

Eine Untersuchung von World Vision, einschliesslich einer externen Prüfung, ergab weder Beweise für die Veruntreuung von Geldern, kriminelles Fehlverhalten oder für Mohammed al-Halabis Mitgliedschaft in der Hamas.