Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International, kommentierte die Vereinbarung wie folgt:
«Die Nachricht, dass mindestens 50 Geiseln der Hamas und anderer bewaffneter Gruppen sowie 150 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden sollen, wird eine Erleichterung für Betroffene und ihre Familien sein. Es sind jedoch weitaus mehr Massnahmen erforderlich, um das anhaltende Leid und die Ungerechtigkeit zu beenden.
Auch wenn die schreckliche Tortur für die Geiseln, die freigelassen werden sollen, ein Ende hat, wird ihr Trauma noch lange nachwirken. Wir fordern erneut alle bewaffneten Gruppen auf, sofort alle anderen Zivilpersonen freizulassen, die weiterhin im Gazastreifen als Geiseln gehalten werden. Die Freilassung palästinensischer Gefangener darf keine Vorbedingung für die Freilassung von Geiseln sein. Geiselnahme ist ein Kriegsverbrechen. Diejenigen, die für die Entführungen von Zivilpersonen und für Freiheitsberaubung verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
Wir fordern die israelischen Behörden auf, alle unrechtmässig inhaftierten Palästinenser*innen freizulassen, einschliesslich derjenigen, die ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Administrativhaft gehalten werden. Unter denen, die freigelassen werden sollten, sind viele Kinder – das jüngste ist 14 Jahre alt. Viele der inhaftierten Kinder sind noch nicht verurteilt worden. Israel muss seiner Verpflichtung, willkürlich inhaftierte palästinensische Gefangene freizulassen, jederzeit nachkommen.
Recherchen von Amnesty haben in den letzten Wochen eine alarmierende Verschlechterung der Bedingungen für palästinensische Gefangene aufgezeigt, darunter Folter und Demütigung, eine Zunahme der Administrativhaft und die Verhängung missbräuchlicher 'Notmassnahmen' in Gefängnissen, die eine grausame und unmenschliche Behandlung von Gefangenen ermöglichen. Willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen sind Kriegsverbrechen, wenn sie gegen geschützte Personen in einem besetzten Gebiet begangen werden.
Die viertägige humanitäre Pause wird eine kurze Atempause für mehr als 2 Millionen Zivilpersonen bringen, die die Hauptlast der täglichen rücksichtslosen Angriffe Israels im besetzten Gazastreifen zu tragen haben. Aber die Einstellung der Kämpfe für einige Tage reicht bei weitem nicht aus, um das katastrophale Leid zu lindern oder die schrecklichen Schäden für die Zivilbevölkerung zu beseitigen.
Wir rufen alle die an Verhandlungen über diese erste Feuerpause beteiligt waren, die israelischen Behörden sowie die Hamas und andere bewaffnete Gruppen auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass diese humanitäre Pause zu einem dauerhaften Waffenstillstand verlängert wird. Die Menschlichkeit muss überwiegen. Nicht nur ein bisschen davon.
Das rücksichtlose Bombardement Israels hat Leid und Blutvergiessen über für Hundertausende von Menschen im Gazastreifen gebracht. Es ist in seiner Intensität und dem Ausmass der Zerstörung und des Leids beispiellos. Mehr als 14'000 Menschen, darunter 5 500 Kinder, sind in Gaza getötet worden. Mehr als 1 200 Menschen wurden bei den schrecklichen Angriffen der Hamas und anderer bewaffneter Gruppen in Israel am 7. Oktober getötet. Die verschärfte israelische Belagerung hat auch die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und Treibstoff unterbrochen - ein vorsätzlicher Akt der Grausamkeit und eine kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung des Gazastreifens.»
Amnesty bekräftigt ihre Forderung nach einem sinnvollen und wirksamen Waffenstillstand, der sich auf den gesamten Gazastreifen erstreckt und von ausreichender Dauer ist, um eine wesentliche Linderung des Leids zu ermöglichen; ein Waffenstillstand, der es der Zivilbevölkerung und des humanitären Personals im gesamten Gazastreifen ermöglicht, sich sicher und frei zu bewegen; ein Waffenstillstand, der erlaubt, die Toten zu bergen, zu begraben und zu betrauern, die Verwundeten angemessen zu versorgen und zu behandeln, die Krankenhäuser und Kliniken zu reparieren und mit lebenswichtigen Materialien zu versorgen.
Amnesty bekräftigt ausserdem ihre Forderung, dass unabhängigen Beobachter*innen, Zugang zum Gazastreifen gewährt werden sollte, damit sie vor Ort Hinweise auf rechtswidrige Luft- und Bodenangriffe und anderer Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht durch alle Konfliktparteien untersuchen können. Zugang sollte namentlich gewährt werden für Mitarbeiter*innen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der Untersuchungskommission für Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete, des Uno-Sonderberichterstatters für die OPT, des Internationalen Strafgerichtshofs und von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International.
Die Erklärung von Amnesty International, was ein dauerhafter humanitärer Waffenstillstand beinhalten sollte, finden Sie hier.