Jemenitische Frauen protestieren in Ibb gegen das Verschwindenlassen von Familienmitgliedern und Bekannten. © Private
Jemenitische Frauen protestieren in Ibb gegen das Verschwindenlassen von Familienmitgliedern und Bekannten. © Private

Jemen Willkürliche Verhaftungen, Folter und «Verschwindenlassen»

18. Mai 2016
Bewaffnete Huthi-Gruppen verfolgen im Jemen Kritiker und Oppositionelle. In einem heute veröffentlichten Bericht belegt Amnesty International, dass Huthi-Kämpfer Dissidenten verhaften, ohne Anklage oder Prozess einsperren, foltern oder gleich «verschwinden» lassen.

Oppositionelle, Journalistinnen, Menschenrechtsverteidiger und andere Kritiker wurden ohne Anklage und Prozess verhaftet und teilweise bis heute festgehalten werden: Dies dokumentiert der neue Amnesty-Bericht «Where is my father? Detention and disappearance in Huthi-controlled Yemen» anhand von 60 Fällen aus den Regionen Sanaa, Ibb, Taiz und Hodeidah. Viele Verhaftete wurden über längere Zeit – mehrere Monate bis über ein Jahr – an geheimen Orten festgehalten, erlitten Folter und Misshandlung. Die meisten konnten weder einen Anwalt noch ihre Angehörigen kontaktieren. In keinem der von Amnesty untersuchten Fälle wurden die Betroffenen formell angeklagt und sie konnten ihre Verhaftung vor keinem Gericht anfechten. Von 18 der im Bericht erwähnten Personen fehlt bis heute jede Spur.

Nur die Spitze des Eisbergs

Der Bericht von Amnesty stützt sich auf Interviews mit 73 ehemaligen Gefangenen, Angehörigen und Freunden von Häftlingen sowie lokalen Menschenrechtsaktivistinnen. Die Interviews wurden zwischen Mai 2015 und April 2016 durchgeführt, teilweise persönlich vor Ort, zumeist aber aus Sicherheitsgründen per Telefon und über andere Kanäle. Amnesty International hat die Berichte Vertretern der Huthi vorgelegt und darum ersucht, die Gefangenen besuchen zu können. Dies wurde verweigert. Die Huthi-Offiziellen teilten Amnesty im Mai 2016 mit, die Betroffenen seien in Haft, weil sie der gegnerischen Seite GPS-Daten mitgeteilt hätten.

Repressionen seit Beginn der saudischen Militäroffensive

Die Repressionen durch Huthi-Kämpfer und durch die mit ihnen verbündeten Sicherheitskräfte, die meist aus dem Umfeld des ehemaligen jemenitischen Präsidenten Saleh stammen, haben sich seit der Militäroffensive der von Saudi-Arabien angeführte Koalition im März 2015 massiv verstärkt. Der Konflikt hat bisher über 3000 zivile Opfer gefordert und über 2,8 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Amnesty hat verschiedentlich schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht dokumentiert, namentlich durch die Luftangriffe der Koalition.

Amnesty fordert die Freilassung

Die nunmehr dokumentierten willkürlichen Verhaftungen durch die Huthi stellen ebenfalls ein schweres Menschenrechtsverbrechen dar. Amnesty fordert die Huthi dringend auf, die ohne Anklage Festgehaltenen umgehend freizulassen und sicherzustellen, dass alle Gefangenen menschlich behandelt werden. Im Rahmen der aktuell in Kuwait stattfindenden Verhandlungen muss den Rechten der Gefangenen und ihrer Angehörigen hohe Priorität eingeräumt werden.