Gemäss Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNICEF wurden mehr als 80 Prozent der syrischen Kinder in den letzten fünf Jahren des Konfliktes verletzt. © AP Photo/Muhammed Muheisen
Gemäss Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNICEF wurden mehr als 80 Prozent der syrischen Kinder in den letzten fünf Jahren des Konfliktes verletzt. © AP Photo/Muhammed Muheisen

Syrische Flüchtlinge in Jordanien Kein Zugang zu notwendiger medizinischer Versorgung

Medienmitteilung 23. März 2016, London/Bern – Medienkontakt
Flüchtlinge, die wegen Kriegsverletzungen dringend auf medizinische Notversorgung angewiesen sind, konnten nicht nach Jordanien einreisen. Sie mussten umkehren, einige starben an der jordanischen Grenze, wie ein Amnesty-Bericht dokumentiert. Vielen Flüchtlingen in Jordanien fehlt ausserdem oft das Geld oder sie haben nicht die notwendigen Papiere, um sich behandeln zu lassen.

Die mangelnde Unterstützung der Weltgemeinschaft und bürokratische Hindernisse seitens der jordanischen Regierung haben dazu geführt, dass syrische Flüchtlinge keinen Zugang zu notwendiger medizinischer Hilfe haben. Das stellt Amnesty International in einem aktuellen Bericht fest. Dieser wurde im Vorfeld eines hochkarätigen internationalen Treffens zur Situation syrischer Flüchtlinge veröffentlicht, der am 30. März stattfinden wird.

Ohne Papiere keine Behandlung

Der Bericht «Living on the margins: Syrian refugees struggle to access health care in Jordan» dokumentiert tragische Fälle von Flüchtlingen, die wegen Kriegsverletzungen dringend auf medizinische Notversorgung angewiesen sind, die an der jordanischen Grenze aber abgewiesen wurden. Einige der Verletzten starben daraufhin an den Folgen der Verletzungen. Der Bericht belegt auch, dass sich viele syrische Flüchtlinge, die ausserhalb der Flüchtlingscamps leben, die medizinische Versorgung nicht mehr leisten können, weil die jordanischen Behörden seit November 2014 neue Gebühren eingeführt haben. Andere haben nicht die notwendigen Papiere für eine medizinische Grundversorgung.

«Eine grössere Unterstützung seitens der Internationalen Gemeinschaft in Form von mehr Umsiedlungsplätzen für Flüchtlinge und einer ausreichenden Finanzierung wäre eine notwendige Voraussetzung für die jordanischen Behörden, um das Gesundheitssystem zu verbessern und bürokratische Hürden für Flüchtlinge, die dringend auf medizinische Hilfe angewiesen sind, abzubauen», sagt Sherif Elsayed-Ali, der bei Amnesty International für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten zuständig ist.

Ende 2015 waren gerade einmal 26 Prozent der Kosten für die Gesundheitsversorgung im Rahmen des jordanischen Aktionsplans für die Syrienkrise finanziert.

Laut Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR haben mindestens 58,3 Prozent der syrischen Erwachsenen mit chronischen Krankheiten keinen Zugang zu dringend benötigten Medikamenten oder Gesundheits-Dienstleistungen.

Rund 117'000 syrische Flüchtlinge leben in drei von der Uno oder Nichtregierungsorganisationen betreuten Flüchtlingslagern. Sie haben dort Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung, Wasser, Nahrung und Geld für Arbeitsprogramme. Die grosse Mehrheit der vom Uno-Flüchtlingshilfswerk registrierten syrischen Flüchtlinge in Jordanien, circa 630'000, leben aber ausserhalb der Camps und brauchen spezielle Dokumente wie zum Beispiel einen Ausweis des Innenministeriums, um öffentliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Flüchtlinge, die das Flüchtlingslager verlassen haben und danach dorthin zurückkehren, erhalten die notwendigen Dokumente ebenfalls nicht. Doch auch wer die notwendigen Papiere hat, kann sich die medizinische Behandlung oft nicht leisten.

Das syrische Flüchtlingsmädchen Sarah verlor im Alter von acht Jahren ihr linkes Bein, als sie bei einem Raketenangriff auf Ghouta im Nordosten von Damaskus verletzt wurde. Ihre Familie brachte sich nach Damaskus, damit sie dort behandelt werden konnte. Zunächst lebte die Familie im Zaatari-Flüchtlingslager, wo Sarah medizinische Hilfe und eine Prothese erhielt. Nachdem die Familie aber von anderen Flüchtlingen bedroht wurde, musste sie das Camp verlassen – seither fehlen die notwendigen Papiere, um die öffentlichen Gesundheitsdienste nutzen zu können.

Auch drei syrische frischgebackene Mütter erzählten Amnesty International, dass sie notwendige vorgeburtliche Untersuchungen nicht durchführen lassen konnten, weil ihnen die Mittel für das öffentliche Spital oder den Transport gefehlt hatte.

Verletzte abgewiesen

Seit 2012 hat Jordanien immer härtere Einreisebestimmungen für Syrerinnen und Syrer eingeführt. Aber es gab Ausnahmen für Personen mit kriegsbedingten Verletzungen. Dennoch erhielt Amnesty von Hilfswerksmitarbeitenden und Familienmitgliedern Berichte über SyrerInnen, die trotz schwerwiegenden Verletzungen nicht nach Jordanien einreisen konnten, um sich dort behandeln zu lassen. Vielen blieb nichts anderes übrig, als sich in Spitälern in Syrien behandeln zu lassen; diese werden regelmässig angegriffen. Einige Verletzte starben an Jordaniens Grenze.

Mindestens 14 Personen mit gravierenden Verletzungen erhielten im Juli 2015 keinen Einlass nach Jordanien – darunter fünf Kinder, die durch Granatsplitter verletzt worden waren. Vier von ihnen, darunter ein dreijähriges Mädchen, starben, als sie an der Grenze warteten. Ein weiterer verletzter 14-jähriger Junge wurde abgewiesen, weil er nicht die notwendigen Papiere hatte. Er starb einen Tag später in einem Feldspital in Syrien.

In einigen Fällen riss man die Familien auseinander, in anderen Fällen wurden Leute zwangsweise aus Jordanien ausgewiesen, weil ihnen die syrischen Ausweise fehlten. Damit verletzt Jordanien internationale Vereinbarungen, wie beispielsweise das non-refoulement-Prinzip.