«Wenn Libyen auf internationaler Ebene mehr Glaubwürdigkeit anstrebt, müssen die Behörden sicherstellen, dass niemand über dem Gesetz steht. Auch die Rechte der am stärksten gefährdeten und marginalisierten Personen müssen geschützt sein. Die Unterdrückung von Andersdenkender muss ein Ende haben», sagte Hassiba Hadj Sahraoui stellvertretende Direktorin für das Programm Mittleren Osten und Nordafrika bei Amnesty International. «Libyens internationale Partner dürfen nicht die Augen davor verschliessen, dass die Menschenrechtssituation im Land weiterhin sehr düster ist.»
Viele Personen, die oft willkürlich inhaftiert waren, wurden in den letzten Jahren frei gelassen. Trotzdem sitzen weiterhin Hunderte von Gefangenen hinter Gittern, auch nachdem sie ihre Strafe verbüsst haben oder von einem Gericht frei gesprochen worden sind. Auch wenn die Toleranz gegenüber kritischen Stimmen etwas grösser geworden ist, stehen MenschenrechtsaktivstInnen noch immer im Fadenkreuz der libyschen Behörden und müssen mit Schikanen rechnen.
Beim Besuch des Gefängnis al-Jeida im Mai 2009 hat Amnesty International sechs Frauen getroffen, die wegen einer ausserehelichen sexuellen Beziehung verurteilt wurden. Vier von ihnen erhielten Haftstrafen zwischen drei und vier Jahren, die beiden andern 100 Peitschenhiebe. 32 Frauen warteten im Gefängnis wegen des gleichen Delikts auf ihren Prozess.
Der Bericht weist auch auf die desolate Lage von MigrantInnen, Flüchtlingen und Asylsuchenden hin, welche die libyschen Behörden für unbestimmte Zeit inhaftieren. Sie werden oft Opfer von Gewaltverbrechen. Die Menschen stammen grösstenteils aus Afrika und sind auf dem Weg nach Italien und in weitere EU-Staaten. Anfang Juni 2010 haben die libyschen Behörden das örtliche Büro des Uno-Hochkommissariats für Flüchtlinge geschlossen.
Die Todesstrafe wird in Libyen für eine breite Palette von Straftaten ausgesprochen. Betroffen sind auch Menschen, die friedlich ihre Rechte auf freie Meinungsäusserung und auf Versammlungsfreiheit ausüben wollten. Im Mai 2009 warteten 506 Personen auf ihre Hinrichtung, rund 50 Prozent waren AusländerInnen.
Medienmitteilung veröffentlicht: 23. Juni 2010
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