Viele zivile Häuser wurden von Gaddafi-treuen Truppen zerstört. © AI
Viele zivile Häuser wurden von Gaddafi-treuen Truppen zerstört. © AI

Libyen Nato muss die Luftangriffe auf zivile Opfer untersuchen

17. August 2011
Die NATO muss alle notwendigen Vorsichtsmassnahmen ergreifen, um den Tod von Zivilpersonen bei ihrem Militäreinsatz zu vermeiden, erklärte Amnesty International. Gaddafi-treue libysche Amtsträger hatten zuvor die Anschuldigung erhoben, in der Nacht auf den 9. August 2011 seien 85 Menschen bei einem Luftangriff gestorben.

Amnesty International forderte die NATO auf, die Anschuldigungen umfassend zu untersuchen, dass unbewaffnete Zivilpersonen bei einem Luftangriff im Gebiet des Dorfes Majar südlich der Stadt Zlitan getötet worden seien. Unabhängige JournalistInnen, die zum Ort des Geschehens gebracht worden waren, berichteten, dass ihnen dort gegen 30 Leichensäcke gezeigt und vier davon geöffnet wurden; darin befanden sich die Leichen von zwei Frauen und zwei Kindern.

Am Dienstag sagte der NATO-Sprecher Oberst Roland Lavoie, dass das «legitime Ziel» des Angriffs mehrere landwirtschaftliche Gebäude gewesen seien, die von Gaddafis Streitkräften in Besitz genommen worden waren. Er fügte hinzu, dass er keine «Nachweise über zivile Opfer habe». «Die NATO muss alle zur Verfügung stehenden Vorsichtsmassnahmen ergreifen, um zivile Todesopfer auszuschliessen, auch in Fällen, in denen Gaddafis Streitkräfte zivile Einrichtungen zu militärischen Zwecken nutzen», erklärte Hassiba Hadj Sahraoui, Nordafrika-Expertin bei Amnesty International. «Die NATO betont immer wieder, dass sie sich in der Pflicht sieht, Zivilpersonen zu schützen. In diesem Sinne sollte sie diesen und alle übrigen Luftangriffe, bei denen im Westen Libyens Zivilpersonen getötet worden sein sollen, umfassend untersuchen.»

Bereits im Juni Zivilisten getötet

Am 2. August richtete Amnesty International die schriftliche Aufforderung an NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, die Vorfälle vom Juni diesen Jahres aufzuklären, bei denen Berichten zufolge in Surman und Tripolis unbewaffnete Zivilpersonen verletzt und getötet wurden.

Am 19. Juni sollen mehrere Zivilpersonen, darunter auch Kinder, zu Tode gekommen sein, als ein Projektil in Wohnhäuser in Tripolis einschlug. Eine Sprecherin der NATO teilte später mit, dass bei dem Luftangriff auf der Raketenbasis «möglicherweise ein Ausfall des Waffensystems aufgetreten ist und in der Folge ein nicht anvisiertes Ziel getroffen wurde, was Berichten zufolge zu einer Reihe von zivilen Opfern führte.»

Am 20. Juni sollen NATO-Angriffe auf Wohnhäuser von Zivilpersonen auf einem Grundstück des Gaddafi-Verbündeten Khweildy al-Hamedi in Surman mehrere zivile Opfer gefordert haben, darunter eine Frau und ihre beiden Kinder. Die NATO erklärte, dass die Einrichtung ein ordnungsgemässes militärisches Ziel war und versicherte, dass vor der Durchführung des Angriffs Vorkehrungen getroffen worden waren, die «das potentielle Risiko vermeidbarer Todesfälle minimiert haben.»

Keine Anwort auf Forderung von Amnesty

Seit März 2011 hat Amnesty International wiederholt Zugang zu den Gebieten unter der Kontrolle von Muammar al-Gaddafi gefordert, um Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen und Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht zu untersuchen. Dazu gehörten auch die Zielbereiche der NATO-Angriffen mit Berichten über zivile Opfer. Amnesty hat auf ihre Aufforderung bislang keine Antwort erhalten.

Am 17. März, als die Kämpfe im Osten Libyens und in Misratah zunahmen, stimmte der Uno-Sicherheitsrat zum Schutz von Zivilpersonen für die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen und für die Umsetzung aller notwendigen Massnahmen mit Ausnahme einer Besetzung durch ausländische Truppen.

Wahllose Raketenangriffe durch Gaddafis Truppen

Das internationale Bündnis führte den ersten militärischen Angriff gegen Gaddafi am 19. März durch. Ende März übernahm die NATO das Kommando der Militäroperation. Bei dem Versuch, Gebiete unter der Kontrolle der Opposition zurückzuerlangen, führten die Truppen Gaddafis wahllose Angriffe und richteten diese auch gegen die Zivilbevölkerung. Insbesondere Misratah war von den Angriffen betroffen. Von März bis Mitte Mai und sporadisch auch im Sommer erlebten die BewohnerInnen unablässige und wahllose Raketenangriffe.

Am 31. Juli starben drei unbewaffnete Zivilpersonen und eine weitere Person wurde verletzt, als Raketen auf das Wohnviertel Magasaba abgefeuert wurden.