Wie das marokkanische Justizministerium bekannt gab, gehörten Omar Radi, Taoufik Bouachrine und Soulaimane Raissouni zu insgesamt 2278 Personen, die anlässlich des Nationalfeiertags und 25. Jahrestags der Thronbesteigung von Mohammed VI. begnadigt wurden. Unter ihnen sind fünf weitere Journalisten, die aber das Land bereits verlassen haben und im Exil leben, wie Reporter ohne Grenzen berichtet.
Fingierte Sexualstraftaten als Waffe gegen unliebsame Journalisten
Am 19. Juli 2021 hatte das Gericht den marokkanischen Journalisten Omar Radi wegen Spionage und Vergewaltigung zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. Das gesamte Verfahren gegen ihn war durch eklatante Verstösse gegen die Standards für faire Gerichtsverfahren gekennzeichnet. Als die marokkanischen Behörden im Juni 2020 damit begannen, gegen Omar Radi zu ermitteln, recherchierte der Journalist gerade zu unrechtmässigen Enteignungen von Stammesland in Ouled Sbita. Im Juni 2020 hatte ein Bericht von Amnesty International enthüllt, dass die Behörden Omar Radi mithilfe von Spionagesoftware des israelischen Unternehmens NSO Group ins Visier genommen hatten.
Auch Soulaimane Raissouni, 54, Chefredakteur von Akhbar el-Yaoum, wurde im Juni 2020 wegen sexueller Nötigung verurteilt. Die Behörden sperrten beide Männer für längere Zeit in Einzelhaft, ihnen wurde sogar das Schreiben verboten. Ihre jeweiligen Beschwerden waren im Juli 2023 abgewiesen worden.
Taoufik Bouachrine, ein Kolumnist und Redaktor der Zeitung Akhbar al-Youm, wurde 2018 wegen Menschenhandels, sexueller Nötigung und Vergewaltigung in Haftgenommen und im Oktober 2019 in einem Berufungsverfahren zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Die drei Journalisten waren u.a. wegen Sexualstraftaten für schuldig befunden worden, die sie vehement abstritten und die sie als politisch motiviert und im Zusammenhang mit ihrer Arbeit stehend bezeichneten.
Ebenfalls freigelassen wurde die Menschenrechtsverteidigerin Saida El Alami, die am 23. März 2022 verhaftet worden war. Sie wurde angeklagt, weil sie in ihren Beiträgen öffentlich die Schikanen der Polizei angeprangert und die Unterdrückung von Journalist*innen und Aktivist*innen durch die Behörden kritisiert hatte.
Kein Pardon für Hirak el Rif-Aktivist*innen
Nicht von der königlichen Begnadigung betroffen sind die Aktivist*innen von Hirak el Rif, die sich immer noch in Haft befinden, weil sie 2017 in der nördlichen Rif-Region Marokkos friedlich für ihre Rechte und gegen die schlechte Gesundheitsversorgung, mangelnde Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten in ihrer Region protestiert hatten. Unter ihnen befindet sich Nasser Zefzafi, der wegen seines friedlichen Aktivismus zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Seitdem hat sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, und die Behörden verweigern ihm die notwendige medizinische Versorgung.