Übersicht
Proteste
Recht auf freie Meinungsäusserung
Strafrechtssysteme
Bewaffnete Konflikte
Flüchtlinge und Binnenvertreibene
Rechte von ArbeitsmigrantInnen
Rechte von Frauen und Mädchen
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen
Überall in der Region unterdrückten Regierungen die Meinungsfreiheit und zivilgesellschaftliche Aktivitäten, einige gingen besonders hart gegen regierungskritische Äusserungen im Internet vor. Hunderte MenschenrechtsverteidigerInnen wurden gezielt verfolgt.
Das Strafrechtssystem war weiterhin gekennzeichnet von Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte, wie Folter und andere Misshandlungen sowie Verschwindenlassen, vor allem in Ägypten, im Iran, in Libyen, Saudi-Arabien und Syrien. Die dafür Verantwortlichen gingen in der Regel straffrei aus. Die bedeutendste Initiative zur Aufklärung und Aufarbeitung von früheren – wenn auch nicht aktuellen – Verstössen der Sicherheitskräfte war zweifellos die Kommission für Wahrheit und Würde in Tunesien, die 2019 ihre Arbeit beendete und Empfehlungen aussprach, die für die Regierungen im gesamten Nahen Osten und in Nordafrika Bedeutung haben könnten.
Die an den bewaffneten Konflikten in der Region beteiligten Parteien verübten Kriegsverbrechen und andere schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht. In einigen Fällen schränkten sie die humanitäre Hilfe ein, was negative Folgen für die Gesundheitsfürsorge und andere grundlegende Versorgungsleistungen hatte. Andere Militärmächte schürten diese Verstösse, indem sie den Kriegsparteien Waffen lieferten und direkte militärische Unterstützung leisteten. Angesichts der weit verbreiteten Straflosigkeit war es eine gute Nachricht, dass die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) ausreichend Grund sah für eine Untersuchung zur Lage der Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten. Der Libanon und Jordanien beherbergten weiterhin mehr als 3 Mio. syrische Flüchtlinge, verweigerten jedoch Neuankömmlingen die Einreise, ausserdem schoben die libanesischen Behörden Tausende Flüchtlinge ab, die „illegal“ ins Land gekommen waren. Militäroffensiven und andere Kampfhandlungen führten dazu, dass im Jemen, in Libyen und Syrien Hunderttausende Menschen innerhalb des Landes vertrieben wurden.
Mehrere Länder, vor allem in der Golfregion, kündigten an, ArbeitsmigrantInnen künftig besser schützen zu wollen, doch litten diese weiterhin unter Ausbeutung und Misshandlung. Wie bereits in den beiden Jahren zuvor gab es auch 2019 vereinzelt positive Entwicklungen auf gesetzlicher und institutioneller Ebene, was die Rechte von Frauen und den Kampf gegen Gewalt an Frauen betraf. Überschattet wurde dies jedoch von der extremen Unterdrückung, der sich Frauenrechtlerinnen zum Beispiel im Iran oder in Saudi-Arabien ausgesetzt sahen. Viele Regierungen im Nahen Osten und in Nordafrika schränkten die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen sehr stark ein. Zahlreiche Menschen wurden aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung willkürlich festgenommen; einige Männer mussten erzwungene Analuntersuchungen über sich ergehen lassen.
Proteste
2019 erschütterten Massenproteste den Nahen Osten und Nordafrika, aber auch viele andere Länder weltweit. In Algerien, im Irak und Libanon, entwickelten sie sich ähnlich wie im Sudan zu lang anhaltenden Protestwellen, die das gesamte politische System infrage stellten und tiefgreifende institutionelle Reformen forderten. Die Proteste im Iran hätten womöglich einen ähnlichen Verlauf genommen, wären sie nicht mit Gewalt unterdrückt worden. Es war beeindruckend, wie es den grösstenteils friedlich Demonstrierenden gelang, den Druck auf die Regierungen über Wochen und Monate aufrechtzuerhalten. Man hätte eher erwarten können, dass sich die Bevölkerung nicht mehr in Massen auf die Strasse trauen würde, um Rechte einzufordern und Ungerechtigkeit anzuprangern, nachdem die Aufstände 2009 im Iran sowie 2010 und 2011 in Tunesien, Ägypten, Jemen, Bahrain, Libyen, Saudi-Arabien und Syrien gewaltsam niedergeschlagen worden waren.
Kleinere Proteste gab es auch in Jordanien, Marokko und der Westsahara, Oman und Tunesien; in Ägypten stellten sie den seltenen Versuch dar, den amtierenden Präsidenten zu kritisieren, im Gazastreifen richteten sie sich gegen die De-Facto-Verwaltung der Hamas. Sowohl bei diesen kleineren als auch bei den breiten Protesten in Algerien, im Iran, Irak und Libanon forderten viele ein Ende der Korruption, bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen und eine stärkere Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Rechte. Bei einigen Demonstrationen ging es um die Gleichberechtigung der Geschlechter und ein Ende der geschlechtsspezifischen Gewalt an Frauen; so stellten zum Beispiel in Algerien Frauengruppen die Forderung auf, das diskriminierende Familiengesetz abzuschaffen. Bei anderen Kundgebungen stand der Umweltschutz im Mittelpunkt.
Demonstrationen von PalästinenserInnen im Gazastreifen und im Westjordanland galten weiterhin den Folgen der seit 52 Jahren andauernden israelischen Besatzung und der seit zwölf Jahren bestehenden widerrechtlichen Luft-, Land- und Seeblockade des Gazastreifens, die einer Kollektivstrafe gleichkam. Die Besatzung und die Blockade schränkten nicht nur die Bewegungsfreiheit und die Gesundheitsversorgung – insbesondere für die Bevölkerung des Gazastreifens – empfindlich ein, sondern führten auch zur Zerstörung Hunderter Wohnhäuser im Westjordanland einschliesslich Ost-Jerusalem, wodurch erneut Hunderte PalästinenserInnen zu Binnenvertriebenen wurden. Die Lage wurde noch dadurch verschärft, dass die israelische Regierung die unrechtmässigen Siedlungen im Westjordanland ausweitete und die US-Regierung bekanntgab, dass sie diese Siedlungen – entgegen den Bestimmungen des Völkerrechts – nicht mehr als unrechtmässig betrachte.
Die Behörden in den einzelnen Ländern wandten verschiedene Methoden an, um die Proteste niederzuschlagen. Amnesty International dokumentierte glaubhafte Zeugenaussagen, die belegen, dass die Sicherheitskräfte 2019 bei Demonstrationen in zehn Ländern der Region unnötige und exzessive Gewalt einsetzten und unter anderem mit Gummigeschossen, Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen friedliche Protestierende vorgingen. Im Iran und Irak feuerten Sicherheitskräfte häufig mit scharfer Munition auf Protestierende und töteten Hunderte Menschen – jüngsten Erhebungen von Amnesty International zufolge gab es mehr als 800 Tote. Tausende weitere Personen wurden verletzt. Israelische SoldatInnen und Sicherheitskräfte setzten 2019 ihr altbekanntes Vorgehen fort und töteten bei Demonstrationen im Gazastreifen und im Westjordanland zahlreiche PalästinenserInnen.
In vielen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas nahmen die Sicherheitskräfte Tausende Protestierende willkürlich fest. Vor allem in Algerien, Ägypten, im Iran und Irak wurden viele Personen inhaftiert und wegen Straftaten im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit angeklagt. Ausserdem versuchten die Regierungen, Kommunikationskanäle zu unterbrechen. Im Iran schalteten die Behörden das Internet während der Proteste nahezu vollständig ab, um eine Verbreitung von Bildern und Videos zu unterbinden, die den tödlichen Gewalteinsatz der Sicherheitskräfte dokumentierten. In Ägypten blockierten die Behörden Messenger-Apps, um weitere Protestaktionen zu verhindern.
Die Regierungen im Nahen Osten und in Nordafrika müssen das Recht auf friedliche Demonstrationen respektieren und ihren Sicherheitskräfte Einhalt gebieten. Dabei ist besonders wichtig, dass sie ihnen den Einsatz scharfer Munition verbieten, wenn von den Demonstrierenden keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Ausserdem müssen die Regierungen die Tötungen von Protestierenden unabhängig und unparteilich untersuchen lassen. Und sie sollten sich mit den rechtmässigen Forderungen der Demonstrierenden befassen.
Recht auf freie Meinungsäusserung
Überall im Nahen Osten und in Nordafrika schränkten die Behörden das Recht auf freie Meinungsäusserungen stark ein. Nach Zahlen von Amnesty International, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, wurden 2019 in zwölf Ländern der Region Personen inhaftiert, die Amnesty als gewaltlose politische Gefangene betrachtet, 136 Menschen wurden lediglich deshalb festgenommen, weil sie im Internet friedlich ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrgenommen hatten. Einige Regierungen gingen besonders hart gegen Personen vor, die die Behörden kritisiert oder politische Massnahmen in den sozialen Medien infrage gestellt hatten. In Ägypten, Algerien, Bahrain, dem Iran, in Jordanien, Kuwait, dem Libanon, in Libyen, Marokko und Westsahara, Saudi-Arabien und Tunesien wurden JournalistInnen, BloggerInnen und AktivistInnen, die Aussagen oder Videos ins Internet stellten, die nach Auffassung der Behörden das Staatsoberhaupt oder andere Institutionen kritisierten, festgenommen, verhört und strafrechtlich verfolgt. In vielen Fällen wurden sie anschliessend inhaftiert, schuldig gesprochen und zu Gefängnisstrafen verurteilt.
MenschenrechtsverteidigerInnen wurden auf vielfache Weise von den Regierungen angegriffen. Nach Kenntnis von Amnesty International sassen 2019 in der Region Nahost/Nordafrika 367 MenschenrechtsverteidigerInnen im Gefängnis, und weitere 118 waren strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Die realen Zahlen dürften jedoch noch sehr viel höher sein. Allein im Iran wurden mindestens 240 MenschenrechtsverteidigerInnen willkürlich festgenommen. In Saudi-Arabien befanden sich Ende 2019 nahezu alle MenschenrechtsverteidigerInnen ohne Anklage in Haft oder standen vor Gericht bzw. verbüssten Freiheitsstrafen. In Ägypten wurden nach den Protesten vom 20. September 2019 immer mehr MenschenrechtsverteidigerInnen festgenommen, gefoltert oder anderweitig misshandelt. Die israelischen Behörden nutzten Razzien, Hetzkampagnen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, gerichtliche Schikanen und andere Massnahmen, um MenschenrechtsverteidigerInnen, JournalistInnen und andere Personen zum Schweigen zu bringen, die sich kritisch über Israels andauernde Besatzung des Westjordanlandes, des Gazastreifens und der syrischen Golanhöhen äusserten.
2019 kamen neue Beweise über weltweite ausgeklügelte digitale Angriffe auf MenschenrechtsverteidigerInnen ans Licht, die auch die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas betrafen. Amnesty International fand zum Beispiel heraus, dass zwei marokkanische Menschenrechtsverteidiger seit 2017 mehrfach Ziel von Überwachung durch Spionagesoftware geworden waren, die von der israelischen Firma NSO Group hergestellt wird. Die Spyware desselben Unternehmens war zuvor gegen AktivistInnen in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie gegen einen Mitarbeiter von Amnesty International eingesetzt worden. Das Unternehmen gab an, es entwickle die Technologie und verkaufe sie an Regierungen, damit diese sie im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus nutzen könnten, schaut man sich jedoch das Profil der Opfer an, wird diese Behauptung Lügen gestraft. Amnesty International schloss sich einer Klage gegen das israelische Verteidigungsministerium an, mit der erreicht werden soll, dass die Behörde die Exportgenehmigungen für die NSO Group zurücknimmt. Facebook und WhatsApp reichten in den USA bei einem Bundesgericht Klage gegen das Unternehmen ein, weil es im Auftrag von Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen Ländern die Ausspähung von 1400 privaten NutzerInnen ermöglicht haben soll, unter ihnen JournalistInnen, MenschenrechtsaktivistInnen und politisch Andersdenkende in vielen Ländern, darunter auch in Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Zielgerichtete Phishing-Angriffe gegen MenschenrechtsverteidigerInnen waren 2019 weiterhin an der Tagesordnung. Betroffen waren auch NutzerInnen, die bereits zusätzliche Schritte zum Schutz ihrer Online-Konten unternommen hatten, indem sie zum Beispiel auf sicherere E-Mail-Anbieter oder eine Zwei-Faktor-Authentifizierung ihrer Online-Konten zurückgriffen. Phishing-Angreifer bauten Internetseiten auf, die der Log-In-Seite anderer Internetanbieter ähnelten, um die Opfer auf diese Weise zu täuschen und auf eine unsichere Internetseite zu lenken, wo sie ihre Benutzernamen und Passwörter eingaben, die dann von den Angreifern abgeschöpft wurden.
Eine Recherche der Nachrichtenagentur Reuters deckte auf, dass die Vereinigten Arabischen Emirate mithilfe von MitarbeiterInnen eines US-Geheimdienstes MenschenrechtsaktivistInnen und andere Personen rund um den Globus ohne gerichtliche Anordnung überwachen liessen.
In vielen Ländern der Region wurde das Internet zensiert. In Ägypten setzten die Behörden die Internetseiten von BBC und Alhurra auf die Liste der 513 bereits blockierten Seiten. Die palästinensischen Behörden im Westjordanland sperrten „aus Sicherheitsgründen“ 59 Internetseiten – allen gemeinsam war, dass sie den Behörden kritisch gegenüberstanden. Im Iran blieben Facebook, Telegram, Twitter und YouTube weiterhin blockiert.
Die Regierungen des Nahen Ostens und Nordafrikas müssen alle gewaltlosen politischen Gefangenen sofort und bedingungslos freilassen. Friedliche Kritik sowohl im Internet als auch ausserhalb muss toleriert werden. MenschenrechtsverteidigerInnen dürfen nicht weiterhin von der Justiz und anderen Behörden schikaniert werden. Alle Regierungen weltweit sollten der Empfehlung des UN-Sonderberichterstatters über Meinungsfreiheit nachkommen, der ein Moratorium für den Verkauf und den Transfer von Überwachungstechnologie vorgeschlagen hat, bis rechtliche Regelungen existieren, die den Schutz der Menschenrechte gewährleisten.
Strafrechtssysteme
Das Strafrechtssystem war weiterhin gekennzeichnet von Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte, die einem bekannten Muster folgten. In mindestens 18 Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas gab es Jahr 2019 glaubhafte Vorwürfe über Folter und andere Misshandlungen in staatlichem Gewahrsam, vor allem während Verhören und oft mit dem Ziel, „Geständnisse“ zu erpressen. In Ägypten, im Iran und in anderen Ländern verstiessen die Behörden ausserdem gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen, indem sie politische Gefangene als Strafmassnahme über lange Zeiträume hinweg in Einzelhaft hielten oder ihnen eine angemessene medizinische Behandlung verweigerten. In mindestens sieben Ländern der Region starben Menschen in staatlichem Gewahrsam; glaubhaften Berichten zufolge war ihr Tod die Folge von Folter und anderen Misshandlungen.
In mindestens acht Ländern der Region sollen Menschen dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen sein. In Ägypten waren Hunderte Andersdenkende bis zu 183 Tage lang „verschwunden“. Im Iran fielen einige Personen, die nach den Protesten im November 2019 festgenommen worden waren, dem Verschwindenlassen zum Opfer. Im Jemen nahm die bewaffnete Gruppe der Huthi zahlreiche KritikerInnen und GegnerInnen willkürlich fest und liess sie verschwinden. In Syrien fehlte von Zehntausenden Menschen weiterhin jede Spur, und Tausende Inhaftierte, die in den vergangenen Jahren festgenommen worden waren, wurden noch immer ohne Gerichtsverfahren und oft unter Bedingungen festgehalten, die den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllten.
In Ägypten, im Iran, in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten, Saudi-Arabien, Syrien und anderen Ländern wurde in hohem Masse auf Sondergerichte wie Militärgerichte, Revolutionsgerichte und Sicherheitsgerichte zurückgegriffen, was zu Verfahren führte, die massiv gegen die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren verstiessen. Verfahren vor den ordentlichen Strafgerichten waren jedoch ebenfalls problembehaftet. So fällten Gerichte in der gesamten Region Urteile auf Grundlage von „Geständnissen“, die durch Folter oder andere Misshandlungen erzwungen worden waren. In einigen Ländern, vor allem in Ägypten, Iran, Irak und Saudi-Arabien, wurden nach solchen Gerichtsverfahren Todesurteile gefällt und vollstreckt.
Einige besonders schwere Menschenrechtsverletzungen wurden im Zusammenhang mit Aktionen verübt, die von den Behörden als Anti-Terror-Kampagnen oder Sicherheitsmassnahmen bezeichnet wurden. In einigen Ländern hatten Regierungen durchaus Gründe für Massnahmen, die Zivilpersonen gegen Übergriffe bewaffneter Gruppen schützen sollten. So tötete im Irak die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) noch immer Zivilpersonen durch Attentate und Bombenangriffe. In Ägypten führten bewaffnete Gruppen auf der Sinai-Halbinsel sporadische Angriffe durch, bei denen Menschen getötet oder verletzt wurden, allerdings in geringerem Ausmass als in den vergangenen Jahren. Doch gingen die Massnahmen, die gegen mutmassliche Angehörige solcher Gruppen ergriffen wurden, nicht nur häufig mit schweren Menschenrechtsverletzungen einher, sondern die Behörden nutzten den Vorwand der „Sicherheit“ auch, um kaum verbrämte Angriffe auf die Zivilgesellschaft auszuführen (siehe oben).
Die Sicherheitskräfte konnten in aller Regel davon ausgehen, dass sie für Menschenrechtsverletzungen nicht zur Verantwortung gezogen wurden. Die bedeutendste Initiative zur Aufklärung und Aufarbeitung von früheren – wenn auch nicht aktuellen – Verstössen der Sicherheitskräfte war zweifellos die Kommission für Wahrheit und Würde in Tunesien, die 2019 ihre Arbeit beendete. Sie hatte 173 Fälle an spezielle Strafgerichtskammern weitergeleitet, nachdem mehr als 62000 Beschwerden von Opfern bei ihr eingegangen waren. Mindestens 78 Gerichtsverfahren, darunter auch Fälle von Folter, aussergerichtlichen Hinrichtungen und Verschwindenlassen, begannen 2019 vor diesen Gerichtskammern.
Viele der Empfehlungen, die die Kommission aussprach, wären auch für andere Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas von Bedeutung, darunter eine Reform des Justizwesens und des Sicherheitssektors, die Schaffung einer unabhängigen Einrichtung zur Überwachung der Sicherheitskräfte und Rechenschaftspflicht für verübte Straftaten.
Bewaffnete Konflikte
Bewaffnete Konflikte belasteten das Leben von Zivilpersonen im Irak, Jemen, in Libyen und Syrien. Wechselnde Allianzen der lokalen Konfliktpartien und Machtinteressen ausländischer Militärmächte führten dazu, dass sich die Gewalt immer wieder verlagerte. Im Gazastreifen und in Südisrael brachen sporadisch bewaffnete Feindseligkeiten zwischen Israel und palästinensischen bewaffneten Gruppen aus.
Die zahlreichen Parteien, die an den bewaffneten Konflikten in der Region beteiligt waren, begingen Kriegsverbrechen und andere schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht. Einige verübten direkte Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Gebäude. Syrische Regierungskräfte griffen bei einer Offensive im nordwestlichen Teil des Landes, der von der bewaffneten Gruppe Hay’at Tahrir al-Sham kontrolliert wurde, gezielt Wohnhäuser, Bäckereien, Gesundheitseinrichtungen und Rettungseinsätze an und töteten oder verletzten Hunderte Zivilpersonen, darunter auch Rettungskräfte und medizinisches Personal. Im Jemen waren Einheiten der Huthi, die weite Teile des Landes unter ihrer Kontrolle hatten, für grenzüberschreitende Angriffe auf zivile Flughäfen in Saudi-Arabien verantwortlich, die zu Opfern in der Zivilbevölkerung führten. Ausserdem bekannten sie sich zu einem Angriff auf eine Ölförderanlage im Osten Saudi-Arabiens.
Nahezu alle Parteien, die an den Konflikten in der Region beteiligt waren, verübten weiterhin wahllose Angriffe, die Zivilpersonen töteten oder verletzten. Wenn sie über Kampfflugzeuge verfügten, geschah dies durch Luftschläge, andernfalls durch Artilleriegeschosse, Mörsergranaten und Raketen, die auf Wohngebiete gefeuert wurden. In Syrien zählten dazu nicht nur die Regierungstruppen, sondern auch das türkische Militär, das gemeinsam mit nahestehenden syrischen bewaffneten Gruppen im Oktober 2019 eine Offensive im Nordosten Syriens begann, die sich gegen ein kurdisch dominiertes Militärbündnis richtete. Bei den Kämpfen wurden zahlreiche Zivilpersonen getötet oder verletzt. In Libyen wurden im Zuge des bewaffneten Konflikts 2019 fast 300 Zivilpersonen durch wahllose Angriffe mit unterschiedslos wirkenden Sprengkörpern auf besiedelte Gebiete getötet. Viele Zivilpersonen wurden in und um Tripolis Opfer der Kämpfe, bei denen sich die von den Vereinten Nationen anerkannte Regierung der Nationalen Einheit und die selbsternannte Libysche Nationalarmee gegenüberstanden. Letztere hatte im April eine Offensive gestartet, um die Hauptstadt und ihr Umland einzunehmen. Im Jemen feuerten sowohl Huthi-Kämpfer als auch ihre Gegner Mörsergranaten auf zivile Wohnviertel; ausserdem wurden bei Luftschlägen der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführten Militärallianz Hunderte Zivilpersonen getötet oder verletzt.
Zur Taktik einiger Konfliktparteien gehörte es auch, der Bevölkerung humanitäre Hilfe vorzuenthalten, um damit die wirtschaftlichen und sozialen Rechte von Zivilpersonen in den umkämpften Gebieten auszuhöhlen. In Syrien genehmigten die Behörden nach Angaben der Vereinten Nationen nur rund die Hälfte ihrer Anträge auf Durchführung humanitärer Einsätze und auf Beobachtung und Begleitung von Hilfslieferungen.
Andernorts führten Kampfhandlungen dazu, dass der Bedarf an humanitärer Hilfe noch dringender wurde. So war in Libyen während der Kämpfe in und um Tripolis der Zugang zu medizinischer Versorgung, Elektrizität und weiteren grundlegenden Versorgungsleistungen unterbrochen. Im Jemen hatte der Konflikt weiterhin besonders schwerwiegende Folgen für Menschen mit Behinderungen.
Militärmächte in und ausserhalb der Region spielten eine unheilvolle Rolle, indem sie durch unrechtmässigen Waffenhandel und direkte Militärhilfe für die Konfliktparteien Verletzungen des Völkerrechts förderten und sich weigerten, Verstössen ihrer eigenen Streitkräfte nachzugehen. In Libyen verliessen sich die rivalisierenden Fraktionen zunehmend auf militärische Unterstützung aus dem Ausland, um die Machtverhältnisse zu ihren Gunsten zu verändern. Die Regierung der Nationalen Einheit wurde massgeblich von der Türkei unterstützt, die gepanzerte Kampffahrzeuge und bewaffnete Drohnen lieferte. Die selbsternannte Libysche Nationalarmee wurde vor allem von den Vereinigten Arabischen Emiraten gefördert, die nicht nur in China produzierte Drohnen lieferten, sondern diese im Auftrag der Konfliktpartei auch steuerten. All dies waren eklatante Verstösse gegen das seit 2011 geltende umfassende UN-Waffenembargo.
Russland unterstützte weiterhin direkt die Militäroffensiven der syrischen Regierungstruppen, die gegen das Völkerrecht verstiessen, während die Türkei bewaffnete Gruppen stärkte, die für Entführungen und summarische Tötungen verantwortlich waren. Der Iran leistete in Syrien und im Irak Militärhilfe für Regierungsstreitkräfte und Milizen, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig machten. Derweil stahlen sich die USA und ihre Verbündeten weiterhin aus der Verantwortung, indem sie es ablehnten, den Tod von Hunderten Zivilpersonen zu untersuchen, die bei Luftschlägen gegen Stellungen des IS ihr Leben verloren hatten.
Kriegsverbrechen und andere schwere Verstösse gegen das Völkerrecht, die während der Kampfhandlungen verübt wurden oder deren Resultat waren, blieben in der Regel straflos. Es war daher von historischer Bedeutung, als die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs ankündigte, ihre Vorermittlungen zu Palästina hätten ergeben, dass in den besetzten palästinensischen Gebieten Kriegsverbrechen verübt worden seien. Es gebe damit ausreichend Grund, Ermittlungen einzuleiten, sobald entschieden sei, ob der Gerichtshof für die besetzten palästinensischen Gebiete rechtlich zuständig sei. Ein Verfahren vor dem IStGH wäre ein entscheidender Schritt, um den Teufelskreis der Straflosigkeit zu durchbrechen.
Angesichts der vielen Hindernisse, die es noch zu überwinden gilt, ist entscheidend, dass alle Regierungen den Internationalen Strafgerichtshof und andere internationale Institutionen unterstützen, die für Wahrheit und Gerechtigkeit sorgen können und dafür, dass die Opfer von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas verübt wurden, Wiedergutmachung erhalten. Alle Konfliktparteien in der Region müssen das humanitäre Völkerrecht einhalten, sie müssen insbesondere die direkten Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Infrastruktur, wahllose Angriffe und den Einsatz explosiver Waffen mit weitreichender Wirkung in Gebieten mit Zivilbevölkerung beenden. Die Militärmächte müssen Waffenlieferungen einstellen, wenn ein erhebliches Risiko besteht, dass diese in einer Weise eingesetzt werden, die gegen das Völkerrecht verstösst – und dieses Risiko ist bei allen derzeitigen bewaffneten Konflikten in den Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas leider sehr hoch.
Flüchtlinge und Binnenvertriebene
Die meisten der rund 5 Mio. syrischen Flüchtlinge, die seit Beginn des Konflikts im Jahr 2011 aus ihrem Heimatland geflohen waren, lebten weiterhin in den Nachbarstaaten Libanon, Jordanien und Türkei, was bewies, dass die internationale Gemeinschaft nicht in der Lage war, die Lasten fair zu verteilen. Alle drei Länder beschränkten jedoch die Aufnahme neuer Flüchtlinge. Die katastrophalen Lebensbedingungen in diesen Staaten, die durch mangelnde humanitäre Hilfe, Arbeitslosigkeit sowie bürokratische und finanzielle Hürden bei der Beantragung oder Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen noch verstärkt wurden, veranlassten Zehntausende Flüchtlinge, nach Syrien zurückzukehren.
Der Libanon schob Tausende Flüchtlinge nach Syrien ab, nachdem die Regierung im April angekündigt hatte, „illegal“ eingewanderte Menschen müssten das Land verlassen. Das Land verstiess damit gegen den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip), wonach niemand in ein Land abgeschoben werden darf, in dem ihm Menschenrechtsverletzungen drohen.
In Libyen befanden sich Zehntausende Flüchtlinge, Asylsuchende und MigrantInnen auch 2019 in einer erbärmlichen Situation. Sie waren willkürlichen Festnahmen und Entführungen durch Milizen ausgesetzt und wurden immer wieder Opfer von Menschenhandel und anderen Machenschaften krimineller Gruppen. Die Umstände, in denen diejenigen leben mussten, die inhaftiert waren, waren unmenschlich. Sie waren in überfüllten Zellen untergebracht und hatten weder ausreichend Wasser noch Nahrung oder Zugang zu medizinischer Versorgung.
Im Laufe des Jahres 2019 kam es zu erneuten Vertreibungen. In Syrien führten Militäroffensiven im Nordwesten und Nordosten des Landes dazu, dass mehr als eine halbe Million Menschen vertrieben wurden. Die Zahl der Binnenvertriebenen in Syrien stieg dadurch bis zum Jahresende auf insgesamt 6,6 Mio. Menschen. Im Jemen wuchs die Zahl der Binnenvertriebenen auf mehr als 3,5 Mio. an, nachdem bei neu aufgeflammten Kämpfe zwischen den Huthi und gegnerischen Truppen in der südlichen Provinz Dhale‘ Tausende Menschen vertrieben worden waren. Im Irak waren infolge der bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem IS immer noch mehr als 1,5 Mio. Menschen innerhalb des Landes vertrieben. Die meisten lebten in Lagern oder informellen Siedlungen, nachdem sie ein zweites Mal vertrieben worden waren. In Libyen flohen mehr als 140.000 Menschen vor den Kämpfen in und um Tripolis.
Die Regierungen im Nahen Osten und in Nordafrika müssen bei Flüchtlingen und Asylsuchenden aus Syrien und anderen Ländern das Non-Refoulement-Prinzip achten, während der Westen und die internationale Staatengemeinschaft insgesamt mehr Verantwortung übernehmen müssen, was die Lastenteilung angeht, zum Beispiel durch Beteiligung an Resettlement-Programmen.
Rechte von ArbeitsmigrantInnen
Mehrere Golfstaaten kündigten Reformen an, um ArbeitsmigrantInnen besser zu schützen, die einen hohen Prozentsatz der Beschäftigten in diesen Ländern ausmachen. Katar versprach, das Sponsorensystem (kafala) abzuschaffen, das ArbeitsmigrantInnen sehr eng an ihre ArbeitgeberInnen bindet, und ergriff einzelne Massnahmen, um es ArbeitsmigrantInnen leichter zu machen, Beschwerden vorzubringen, und um systematische Verstösse bei deren Anwerbung zu bekämpfen. Jordanien kündigte ebenfalls an, das kafala-System einer Prüfung zu unterziehen. Die Vereinigten Arabischen Emirate strichen bei Bürgschaften das Kriterium der Berufsbezeichnung, wodurch es mehr ArbeitsmigrantInnen möglich war, für Familienangehörige zu bürgen und mit ihnen in dem Land zu leben.
Dessen ungeachtet wurden ArbeitsmigrantInnen in Bahrain, Jordanien, Katar, Kuwait, im Libanon, Oman, in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten noch immer unter dem kafala-System ausgebeutet und missbraucht. Arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen fanden auf Hausangestellte grundsätzlich keine Anwendung. Auch in Katar, wo 2017 ein Gesetz zum Schutz von Hausangestellten eingeführt worden war, waren sie immer noch besonders stark von Ausbeutung und Missbrauch betroffen.
Zum Schutz der Rechte von ArbeitsmigrantInnen sind weitreichendere Gesetzesreformen notwendig. Als ersten Schritt müssen die Golfstaaten und andere Länder das kafala-System vollständig abschaffen.
Rechte von Frauen und Mädchen
Wie bereits in den beiden Jahren zuvor gab es auch 2019 auf gesetzlicher und institutioneller Ebene einige positive Entwicklungen, was Frauenrechte und den Kampf gegen Gewalt an Frauen anging. Dabei handelte es sich zwar nur um kleine Verbesserungen im Vergleich dazu, was eigentlich an Reformen notwendig wäre, aber auch die waren in erster Linie den Frauenbewegungen im Nahen Osten und in Nordafrika zu verdanken. Überschattet wurden diese Fortschritte jedoch von extrem harten Repressionen gegen Frauenrechtlerinnen in einigen Ländern, insbesondere im Iran und in Saudi-Arabien, der schleppenden Umsetzung bereits erfolgter Reformen sowie einer allgemeinen Diskriminierung von Frauen im Alltag und durch Gesetze, vor allem in Bezug auf Eheschliessung, Scheidung, Erbschaftsangelegenheiten und Sorgerecht. Ausserdem unternahmen die Behörden in der Region weiterhin kaum Anstrengungen, um sexualisierte und andere geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen einzudämmen.
Saudi-Arabien nahm eine längst überfällige Reform des diskriminierenden männlichen Vormundschaftssystems vor, die für Frauen etwas mehr Bewegungsfreiheit bedeutete, doch war es ihnen weiterhin untersagt, ohne Zustimmung ihres männlichen Vormunds zu heiraten. Mitte 2018 war bereits das Frauenfahrverbot abgeschafft worden. Umso bitterer war es, dass 13 Menschenrechtsverteidigerinnen 2019 in Riad der Prozess gemacht wurde, von denen viele jahrelang mutig für eine Aufhebung des Frauenfahrverbots und eine Reform des Vormundschaftssystems gekämpft hatten; fünf von ihnen waren das gesamte Jahr über inhaftiert. Der Iran erliess ein neues Gesetz, das Frauen, die mit einem Ausländer verheiratet sind, die Übertragung ihrer Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder erlaubt, allerdings erst, nachdem diese zuvor eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen hatten. Dieser kleine positive Schritt stand jedoch in krassem Gegensatz zu der gnadenlosen Härte, mit der die iranischen Behörden gegen Frauen vorgingen, die gegen den gesetzlichen Kopftuchzwang oder das Stadionverbot für Frauen kämpften. Mehrere Frauenrechtlerinnen wurden 2019 zu jahrzehntelangen Freiheitsstrafen verurteilt.
In Jordanien und Tunesien gab es die erfreuliche Entwicklung, dass erste Schritte, die bereits 2018 ergriffen worden waren, um Frauen und Mädchen besser vor Gewalt zu schützen, Jahr 2019 fortgeführt wurden. Dabei wurde deutlich, wie gross der Bedarf war. Nachdem die tunesische Regierung im Jahr 2018 Anlaufstellen für Beschwerden geschaffen hatten, meldeten sich Zehntausende Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden waren. Im Nachbarland Libyen hingegen waren die Behörden weder willens noch in der Lage, der geschlechtsspezifischen Gewalt, die von Milizen und bewaffneten Gruppen ausging, Einhalt zu gebieten.
In Jordanien nahm ein 2018 eingerichteter Zufluchtsort für Frauen, die befürchten mussten, von Familienmitgliedern aus Gründen der „Ehre“ ermordet zu werden, 2019 zahlreiche Frauen auf. Im Westjordanland und im Gazastreifen wurden mehr als 20 palästinensische Frauen und Mädchen Opfer sogenannter Ehrenmorde. Im Oman wurden die Strafen für weibliche Genitalverstümmelung verschärft.
Die Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas müssen ihre Anstrengungen verstärken, Rechte von Frauen und Mädchen gesetzlich zu verankern, rechtliche Verpflichtungen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt umzusetzen und sicherzustellen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) wurden in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas weiterhin massiv unterdrückt und in ihren Rechten eingeschränkt. Sicherheitskräfte inhaftierten zahlreiche Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. In Tunesien nahm die Polizei 2019 mindestens 78 Männer fest, berichtete eine lokale NGO. Mindestens 70 Männer wurden aufgrund einer Bestimmung des Strafgesetzbuchs, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen unter Strafe stellt, schuldig gesprochen und erhielten Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. In Kuwait nahm die Polizei sieben transgeschlechtliche Personen fest und übergab sie den Behörden zur weiteren Untersuchung. Im Westjordanland wurden laut Auskunft einer ortsansässigen NGO acht Personen der LGBTI-Community von palästinensischen Sicherheitskräften willkürlich festgenommen oder misshandelt.
In einigen Ländern wurden Männer zu Analuntersuchungen gezwungen, um festzustellen, ob sie gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen unterhielten. Insbesondere in Ägypten und Tunesien wurden diese Untersuchungen, die gegen das Verbot von Folter und anderen Misshandlungen verstossen, in zahlreichen Fällen vorgenommen.
Die Regierungen des Nahen Ostens und Nordafrikas müssen Bestimmungen, die gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen kriminalisieren, aufheben, Analuntersuchungen abschaffen und Gesetze einführen, die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität verbieten.