Auf diesen sieben Erdhügeln in der Stadt Abha wurden 2013 sieben Männer durch ein Erschiessungskommando hingerichtet. | © Privat
Auf diesen sieben Erdhügeln in der Stadt Abha wurden 2013 sieben Männer durch ein Erschiessungskommando hingerichtet. | © Privat

Saudi-Arabien Eklatanter Anstieg von willkürlichen Todesurteilen und Hinrichtungen

Medienmitteilung veröffentlicht: Londen/Rio/Bern, 25. August 2015. Medienkontakt
In einem neuen Bericht dokumentiert Amnesty International die willkürliche Verhängung der Todesstrafe in Saudi-Arabien. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres sind bereits 100 Personen hingerichtet worden, mehr als im gesamten Vorjahr.

In dem heute veröffentlichten Bericht «Killing in the Name of Justice: The Death Penalty in Saudi Arabia» analysiert Amnesty International die Anwendung der Todesstrafe in Saudi-Arabien seit 1985 und kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • Viele Todesurteile werden nach unfairen Gerichtsverfahren in willkürlichen Urteilen verhängt.
  • Im ersten Halbjahr 2015 gab es 102 Hinrichtungen. 2014 waren es im ganzen Jahr 90.
  • Im Schnitt wird alle zwei Tage ein Mensch hingerichtet, meistens durch Enthauptung. 
  • Fast die Hälfte aller Exekutionen waren die Strafe für ein Verbrechen ohne Todesfolge.
  • Mindestens 2208 Menschen wurden zwischen Januar 1985 und Juni 2015 hingerichtet.
  • Fast die Hälfte der hingerichteten Personen waren ausländische Staatsangehörige.
  • Hingerichtet werden auch jugendliche Straftäter und Menschen mit geistigen Behinderungen. 
Unfaire Prozesse, willkürliche Urteile

Besonders schockierend ist, dass eine Vielzahl der Todessurteile und Hinrichtungen aufgrund unfairer Prozesse und willkürlicher Urteile erfolgt: Den Angeklagten wird regelmässig der Zugang zu anwaltlicher Vertretung verweigert, und die Richter verwenden auch «Geständnisse», die unter Folter zustande gekommen sind. Zahlreiche AusländerInnen erhalten im Prozess keine angemessene Übersetzung, sie müssen Papiere unterzeichnen, die sie nicht verstehen. 

Das saudische Recht basiert auf der Scharia, dem islamischen Strafrecht ohne klare Definition von Straftatbeständen. Die Richter haben deshalb einen grossen Ermessenspielraum, der in Willkür ausartet. Dies gilt im Besonderen für Vergehen wider die islamische Moral, die sogenannten «Tazir-Verbrechen» unter der Scharia. In diesem Fall können die Richter je nach Schwere der «Sünde» und des Charakters des Angeklagten bereits aufgrund eines Verdachtes die Todesstrafe aussprechen.  

Dringender Reformbedarf

Das saudische Rechtssystem öffnet dem Missbrauch der (ohnehin unmenschlichen) Todesstrafe Tür und Tor. Es muss daher dringend reformiert und mit internationalen Standards für faire Prozesse in Einklang gebracht werden.

Amnesty fordert zudem, dass Saudi-Arabien, solange es an der Todesstrafe festhält, Todesurteile und Hinrichtungen auf Fälle beschränkt, in denen die Angeklagten des Mordes oder der vorsätzlichen Tötung für schuldig befunden wurden, wie dies internationalem Recht entspricht. Zudem muss die Praxis, auch Menschen mit geistiger Behinderung hinzurichten sowie Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, umgehend gestoppt werden.