Die saudische Staatsanwaltschaft forderte die Enthauptung von Israa al-Ghomgam, ihres Ehemanns und drei weiteren Angeklagten, die derzeit im al-Mabahith-Gefängnis in Dammam in der Ostprovinz Saudi-Arabiens festgehalten werden.
«Den Angeklagten droht die Todesstrafe nur deshalb, weil sie an Protesten gegen die Regierung beteiligt waren...
Reto Rufer, Kampagnenverantwortlicher für den Nahen Osten
«Den Angeklagten droht die Todesstrafe nur deshalb, weil sie an Protesten gegen die Regierung beteiligt waren. Wir fordern die saudi-arabischen Behörden auf, die Hinrichtungspläne unverzüglich fallen zu lassen», sagte Reto Rufer, Kampagnenverantwortlicher für den Nahen Osten bei der Schweizer Sektion von Amnesty International.
Jegliche Kritik mundtot machen
«Das Todesurteil gegen Israa al-Ghomgam würde eine entsetzliche Botschaft an andere Aktivistinnen und Aktivisten aussenden, die auf gleiche Weise für ihren friedlichen Protest und ihren Menschenrechtsaktivismus bestraft werden könnten. Die Anschuldigungen gegen Israa al-Ghomgam, die sich vor allem auf ihre friedliche Teilnahme an Protesten beziehen, sind absurd und eindeutig politisch motiviert; sie sollen den Widerstand in der Ostprovinz Saudi-Arabiens ersticken», sagte Reto Rufer.
«Saudi-Arabien ist einer der fleissigsten Henker weltweit und weist eine miserable Menschenrechtsbilanz auf. Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf die saudischen Behörden auszuüben: Die Verhängung der Todesstrafe unter Verletzung internationaler Menschenrechtsnormen und nach unfairen und politisch motivierten Prozessen muss ein Ende haben. »
Proteste in der Ostprovinz Qatif
Die 29-jährige Israa al-Ghomgam wurde zusammen mit ihrem Mann Moussa al-Hashem im Dezember 2015 verhaftet, weil sie nach dem arabischen Frühling an Protesten gegen die Regierung in der östlichen Provinz Qatif teilgenommen hatten.
Laut Gerichtsunterlagen, die Amnesty International vorliegen, werden ihr folgende Vorwürfe zur Last gelegt:
- Verstoss gegen den Königlichen Erlass 44/A für «Teilnahme an Protesten in Qatif und Dokumentation dieser Proteste in sozialen Medien».
- «Moralische Unterstützung für Randalierer durch die Teilnahme an Beerdigungen von Demonstranten, die bei Zusammenstössen mit Sicherheitskräften getötet wurden.»
- «Fälschung mit dem Passfoto einer anderen Frau auf ihrem Facebook-Konto».
- Verstoss gegen Artikel 6 des «Anti-Cyber-Kriminalitätsgesetzes», u.a. durch das Eintreten für Proteste und das Posten von Fotos und Videos von Protesten auf Facebook.
Nach den Amnesty International vorliegenden Informationen wurde der Königliche Erlass 44/A vom Februar 2014, einer der Folgeerlasse zum Anti-Terror-Gesetz, erstmals im Februar 2018 im Prozess gegen Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten geltend gemacht.
Amnesty International hat die Fälle von mindestens 33 weiteren zum Tode verurteilten Schiiten dokumentiert. Alle wurden vom Sonderstrafgericht für Staatssicherheit (SCC) wegen Aktivitäten, die als Gefahr für die nationale Sicherheit angesehen werden, verurteilt. Unter denen, die sich derzeit im Todestrakt befinden, sind auch vier saudi-arabische Staatsangehörige, die während der mutmasslichen Straftat minderjährig waren.
Repression hinter PR-Fassade
Der saudische Kronprinz Mohamed bin Salman will ein Bild eines Landes vermitteln, das umfassende Reformen zur ‘Modernisierung’ des Königreichs durchführt. Hinter der PR-Fassade läuft jedoch eine beispiellose Repressionswelle. Seit Mai dieses Jahres wurden mindestens 12 führende Menschenrechtsaktivistinnen und –aktivisten festgenommen.
Darunter sind die Frauenrechtlerinnen und Aktivistinnen - Loujain al-Hathloul, Iman al-Nafjan und Aziza al-Yousef, denen wegen Terroranschuldigungen bis zu 20 Jahren Gefängnis droht. Anfang August wurden zudem Samar Badawi, die Schwester des bekannten Bloggers Raif Badawi, und Nassima al-Sada festgenommen. Zu den unlängst Verhafteten gehören auch die Frauenrechtlerinnen Nouf Abdulaziz und Maya'a al-Zahrani sowie die Menschenrechtsaktivisten Mohammed al-Bajadi und Khalid al-Omeir.
«Es ist ungeheuerlich, dass diese Aktivisten seit Wochen ohne Anklage festgehalten werden und ihnen das Recht auf einen Anwalt verwehrt wird», sagte Reto Rufer. «Die Welt darf die Augen nicht weiter verschliessen vor der erbarmungslosen Verfolgung von Menschen, die in Saudi-Arabien für ihre Rechte einstehen.»
Anlässlich der seit 100 Tagen laufenden jüngsten Repressionswelle im Königreich mobilisiert Amnesty International Aktivistinnen und Aktivisten weltweit, um Solidarität mit den Verhafteten zu zeigen.