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FIFA / Saudi-Arabien Menschenrechtsversprechen für Fussball-Weltmeisterschaften 2030 und 2034 ungenügend – Risiken in Saudi-Arabien werden weissgewaschen

5. August 2024
Saudi-Arabien hat bei seiner Bewerbung für die Fussball-Weltmeisterschaft der Männer 2034 die Menschenrechtsanforderungen der FIFA nicht erfüllt. Auch bei den Plänen für die Weltmeisterschaft 2030 in Marokko, Portugal und Spanien gibt es noch grosse Lücken.

Am 31. Juli veröffentlichte die FIFA die Bewerbungsdossiers von Marokko, Portugal und Spanien für die WM 2030 und von Saudi-Arabien für die WM 2034. Eine Analyse von Amnesty International zu den in den Dossiers skizzierten Menschenrechtsrisiken und den für die WM vorgeschlagenen Massnahmenplänen ergibt, dass Saudi-Arabien weder eine grundlegende Reform seines ausbeuterischen Arbeitssystems («Kafala-System») vorsieht noch bereit ist, Massnahmen zu ergreifen, um die Meinungsfreiheit zu gewährleisten und der Repression von Menschenrechtsaktivist*innen sowie der Diskriminierung von Frauen und LGBTI*-Menschen ein Ende zu setzen.

«Die FIFA hat Menschenrechtsstandards festgelegt, die jedes Bewerberland erfüllen muss. Die vorliegenden Dokumente zeigen jedoch, dass die Bewerbung Saudi-Arabiens für die Fussball-weltmeisterschaft 2034 derzeit weit unter den Erwartungen liegt.» Lisa Salza, Verantwortliche für Sport und Menschenrechte bei Amnesty Schweiz

«Die FIFA hat Menschenrechtsstandards festgelegt, die jedes Bewerberland erfüllen muss. Die vorliegenden Dokumente zeigen jedoch, dass die Bewerbung Saudi-Arabiens für die Fussballweltmeisterschaft 2034 derzeit weit unter den Erwartungen liegt. Der vorgeschlagene Menschenrechtsplan ignoriert einen Grossteil der Risiken, die mit der Ausrichtung eines solchen Megaevents einhergehen, zumal in einem Land mit einer derart desaströsen Menschenrechtsbilanz», sagt Lisa Salza, Verantwortliche für Sport und Menschenrechte bei Amnesty Schweiz.

«In Saudi-Arabiens Massnahmenplan für die WM steht kein Wort über die derzeitige Praxis, Menschenrechtsaktivist*innen mundtot zu machen. Auch die Kriminalisierung von LGBTI*-Menschen wird völlig ausser Acht gelassen. Ein weiteres Versäumnis besteht darin, dass nicht dargelegt wird, ob oder wie das Bewerberland das missbräuchliche Kafala-System ausser Kraft setzen will. Ohne angemessene Reformen wird das Arbeitssystem – wie im Vorfeld der WM in Katar bestens dokumentiert – zur Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen führen, welche die Stadien und die erforderte Infrastruktur (aus-)bauen werden. Dass die offensichtlichsten Risiken im Bewerbungsdossier derart eklatant ignoriert werden, verheisst nichts Gutes.»

Eine ganze Reihe weiterer Menschenrechtsverletzungen wie das Gewerkschaftsverbot, die Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die weithin dokumentierte Praxis von Zwangsräumungen oder die Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Handlungen, bleiben in der «unabhängigen Analyse des Menschenrechtskontextes», die von der Anwaltskanzlei AS&H Clifford Chance verfasst wurde, unerwähnt.

«Ohne angemessene Massnahmen zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes in Saudi-Arabien ist absehbar, dass die Fussballweltmeisterschaft 2034 mit hohen menschlichen Kosten einhergehen und von Zwangsarbeit, Unterdrückung und Diskriminierung überschattet werden wird. Die FIFA muss von den saudischen Behörden rechtlich verbindliche Vereinbarungen einfordern, welche die Menschenrechtsrisiken vollumfänglich abdecken, bevor sie im Dezember eine endgültige Entscheidung über den Zuschlag trifft. Sollte die Bewerbung bis zu dieser Frist den Menschenrechts-Anforderungen nicht genügen, muss die FIFAbereit sein, der Bewerbung eine Absage zu erteilen.»

Amnesty International kritisiert ebenfalls die Tatsache, dass für die Erstellung des Menschenrechtsplans ausschliesslich Regierungsstellen konsultiert und keinerlei zivilgesellschaftliche Organisationen oder Menschenrechtsaktivist*innen in der Erstellung der Analyse involviert wurden.

Bewerbung von Marokko, Portugal und Spanien für die WM 2030

Auch die Menschenrechtsanalyse im Dossier von Marokko, Portugal und Spanien weist Lücken auf. Die vorgelegten Menschenrechtspläne – die ebenfalls ohne Konsultation von Menschenrechtsorganisationen oder Fanvertreter*innen entwickelt wurden – enthalten keine detaillierten Zusagen darüber, welche Risiken im Kontext der WM 2030 angegangen werden sollen. Ein erörtertes Risiko ist die Anwendung von Gewalt seitens der Sicherheitskräfte gegenüber Fussballfans. In allen drei Ländern sind Fans betroffen von übermässiger Polizeigewalt, es kommt beispielsweise immer wieder vor, dass die Sicherheitskräfte Gummigeschosse anwenden, um Menschenmassen aufzulösen. Diese Praxis widerspricht internationalen Menschenrechtsstandards und birgt grosses Verletzungspotenzial. Dennoch legen die Bewerberländer bisher keine detaillierten Pläne vor, wie solche Verstösse verhindert werden sollen.

«Auch im Bewerbungsdossier von Marokko, Portugal und Spanien fehlen konkrete Massnahmen, um sicherzustellen, dass das Turnier im Einklang mit den Menschenrechten stattfinden kann.» Lisa Salza

Amnesty International hat in einem ausführlichen Bericht Anfang Juni 2024 eine ganze Reihe von Menschenrechtsrisiken erörtert, die im Kontext der Fussball-Weltmeisterschaft angegangen werden müssen. Zu den genannten Herausforderungen gehören auch die Einhaltung von Arbeitsnormen, die Gewährleistung der Meinungsfreiheit und das Risiko von Zwangsräumungen bzw. der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum für die lokale Bevölkerung.

«Auch im Bewerbungsdossier von Marokko, Portugal und Spanien fehlen konkrete Massnahmen, um sicherzustellen, dass das Turnier im Einklang mit den Menschenrechten stattfinden kann. Ausserdem ist auch hier zu bemängeln, dass die derzeit vorliegenden Menschenrechtspläne nicht unter Miteinbezug von potenziell Betroffenen ausgearbeitet wurden. Eine enge Zusammenarbeit mit Fangruppen, Spielern, Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft ist für die Erarbeitung eines wirkungsvollen Massnahmenplans unerlässlich», so Lisa Salza.

«Wir erhoffen uns von einer Vergabe des Turniers 2030 an Marokko, Portugal und Spanien auch beherzte Massnahmen gegen rassistische, sexistische und homophobe Diskriminierung, die in allen drei Ländern einen Schatten auf den Fussball wirft. Dazu gehört auch die Abschaffung diskriminierender Gesetze und die Zusammenarbeit mit den betroffenen Gruppen bei der Entwicklung von Strategien zur Verhinderung von Belästigungen und bei Bemühungen zur Inklusion.»

Hintergrund

Im Juni veröffentlichte Amnesty International den Bericht «Playing a Dangerous Game?», in welchem die wichtigsten Menschenrechtsrisiken im Zusammenhang mit den potenziellen Gastgeberländern der Fussballweltmeisterschaften 2030 und 2034 dargelegt und mit den Menschenrechtskriterien des FIFA-Bewerbungsreglements abgeglichen werden.

Am 31. Juli 2024 veröffentlichte die FIFA die Bewerbungsdossiers von Marokko, Portugal und Spanien für die WM 2030 und von Saudi-Arabien für die WM 2034. Diesen «Bid Books» waren Menschenrechtspläne und «unabhängige Bewertungen des Menschenrechtskontextes» beigefügt, welche die grössten Risiken aufzeigen sollten.

Gemäss dem verbindlichen FIFA-Anforderungskatalog müssen die Bewerbungen eine Vielzahl von internationalen Menschenrechtsstandards erfüllen. Dazu gehören die Gewährleistung von Arbeitsrechten und der Meinungsfreiheit, der Schutz vor Diskriminierung und Zwangsräumungen, Polizeiarbeit und andere Themen. Die FIFA wird die Bewerbungsunterlagen auf ihren ausserordentlichen Kongress am 11. Dezember 2024 hin auswerten, um dort eine endgültige Entscheidung zu treffen.