Die Untätigkeit des durch russische und chinesische Vetos blockierten Uno-Sicherheitsrates hat dazu beigetragen, dass Hunderttausende Syrerinnen und Syrer getötet, Zehntausende in Foltergefängnissen verschwunden und Millionen zu Flüchtlingen und intern Vertriebenen geworden sind. Die Werkzeuge der internationalen Justiz zur Untersuchung und Ahndung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen endlich zur Anwendung kommen.
Mit der am 21. Dezember 2016 verabschiedeten Resolution 17/248 hat die Uno-Generalversammlung immerhin beschlossen, einen «internationalen, unparteiischen und unabhängigen Mechanismus» zu schaffen, mit dem die Untersuchung und Ahndung der schwersten in Syrien seit 2011 begangenen Menschenrechtsverbrechen unterstützt werden soll. Amnesty International begrüsst diese Resolution, die namentlich auch von der Schweiz mitgetragen wurde. Sie soll dazu beitragen, den Opfern der Menschenrechtsverletzungen zumindest etwas Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Voraussetzung dafür sind aber ernsthafte und entschlossene Schritte für eine zügige Umsetzung der Resolution durch die Mitgliedstaaten der Uno; ansonsten wird der Teufelskreis von Straflosigkeit und Menschenrechtsverbrechen weitergehen.
Forderungen richten sich auch an die Schweiz
Amnesty International lanciert am 15. März 2017 eine weltweite Online-Aktion und fordert vom Uno-Generalsekretär und den Uno-Mitgliedstaaten, den Untersuchungsmechanismus unverzüglich mit geeigneten Initiativen sowie finanziellen und personellen Ressourcen in die Tat umsetzen. Zudem fordert Amnesty die Staatengemeinschaft auf, vor den nationalen Gerichten Verfahren gegen mutmassliche Kriegsverbrecher und Verantwortliche für Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuleiten, soweit dies im Rahmen der universellen Gerichtsbarkeit möglich ist.
Diese Forderungen übermittelt Amnesty in diesen Tagen auch in der Schweiz, einerseits an das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), andererseits an die Bundesanwaltschaft.
Die Schweiz hat vor einigen Jahren in Anwendung des Prinzips der universellen Gerichtsbarkeit die Straftatbestände Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ins Strafgesetz aufgenommen. Auch für in Syrien begangene Verbrechen dieser Art hat die Schweiz also die Möglichkeit, ein strafrechtliches Verfahren einzuleiten. Dies ist offenbar in mindestens einem Fall bereits geschehen; Ermittlungen laufen auch in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden. Die entsprechenden Anstrengungen – und gegebenenfalls die personellen Ressourcen – müssen jedoch verstärkt werden.
Hintergrund
Laut dem Uno-Sonderbeauftragten für Syrien beläuft sich die Zahl der Toten seit Beginn Krieges inzwischen auf über 400'000 – das heisst, mindestens eine/-r von 100 SyrerInnen ist infolge des Konflikts gestorben, dies oft durch völkerrechtswidrige Angriffe auf die Zivilbevölkerung. Mehr als 20 Prozent der syrischen Bevölkerung leben als Geflüchtete ausserhalb des Landes, und die Hälfte der Menschen, die noch in Syrien leben, benötigen humanitäre Hilfe. Amnesty geht davon aus, dass Zehntausende in Gefängnissen und geheimen Hafteinrichtungen verschwunden sind und durch Hinrichtungen, Folter und Misshandlung sowie Nahrungs- und Wasserentzug getötet wurden – für die meisten sind die Geheimdienste des Regimes verantwortlich. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen durch alle Konfliktparteien wurden von Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen sowie Uno-Institutionen seit Beginn der Krise umfassend dokumentiert.