Fall Faisal Baraket, Tunesien Zeit, mit der Folter-Vergangenheit zu brechen

Wenn Tunesien mit seiner Vergangenheit als Folterstaat brechen will, müssen die Verantwortlichen endlich zu Rechenschaft gezogen werden. Das fordert Amnesty International anlässlich der Veröffentlichung eines Berichts über den Fall Faisal Baraket. Der tunesische Student wurde 1991 im Gefängnis zu Tode gefoltert. Doch die Behörden weigerten sich über 20 Jahre lang, die damaligen Ereignisse aufzuklären.

Faisal Baraket Faisal Baraket starb an den Folgen von Folter. © Privat

Zum 22. Mal jährt sich am 8. Oktober der Tod des tunesischen Studenten Faisal Baraket. Der 25-jährige Aktivist der damals verbotenen islamistischen Partei Ennahda starb 1991 in Polizeihaft. Zahlreiche Beweise, die Amnesty International in der Folge gesammelt hat, weisen darauf hin, dass er an den unmittelbaren Folgen schlimmster Folter starb. Der Fall wurde dem Uno-Ausschuss gegen Folter unterbreitet. Dieser kam 1999 zum Schluss, Tunesien habe seine Verpflichtung missachtet, die Vorkommnisse zügig und unparteilich zu untersuchen. Es dauerte aber noch bis März 2013, bis die Empfehlung des Ausschusses, die Leiche des Studenten zu exhumieren, vom neuen tunesischen Regime umgesetzt wurde.

Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation zum 22. Todestag von Faisal Baraket schildert detailliert, welchen Schwierigkeiten seine Familie auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit begegnet ist, und die langjährige Kampagne, die Amnesty geführt hat, um die behördliche Version der Todesursache zu widerlegen. Denn gemäss dieser kam Baraket bei einem Autounfall ums Leben.

Nun müssten die Verantwortlichen für Barakets Tod endlich vor Gericht gebracht werden, fordert Amnesty International:

«Faisals Familie hat ein Recht darauf, endlich Gerechtigkeit zu erfahren, damit ihre Qual ein Ende hat», so Nordafrika-Expertin Hassiba Hadja Sahraoui von Amnesty International. «Faisals Fall hat auch eine grosse symbolische Bedeutung für Hunderte von weiteren Folteropfern des Ben-Ali-Regimes. Es gilt, alle Folterer, von den niedrigsten Offiziersrängen bis zu den höchsten Ebenen des Staates, nun endlich ohne weitere Verzögerung vor Gericht zu bringen.»

Hierfür fehlen aber in Tunesien noch immer wichtige Voraussetzungen, trotz einiger positiver Schritte, die das neue Regime in den letzten Monaten unternommen hat. Nationale Gesetze zur Verhinderung von Folter und eine Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen sind in Diskussion, aber noch nicht eingeführt. Menschenrechtsverletzungen kommen in Tunesien immer noch vor, wenn auch in geringerem Ausmass.

«Wenn Tunesien wirklich mit seiner Vergangenheit als Folterstaat brechen will, muss Rechenschaftspflicht eine Priorität sein», sagt Hadja Sahraoui. «Einige Leute haben zwar nach dem Umsturz ihren Posten geräumt, doch der Sicherheitsapparat mit all seinen Mängeln muss noch immer keinerlei Rechenschaft ablegen. Auch die Justiz ist noch immer nicht unabhängig von der Regierung.»

Medienmitteilung veröffentlicht: London / Bern, 8. Oktober 2013
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