Dr. Ahmadreza Djalali ist nach wie vor in Gefahr, hingerichtet zu werden. Der iranisch-schwedische Wissenschaftler wird willkürlich im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten. Er leidet an Herzrhythmusstörungen, Blutarmut und Bluthochdruck, dennoch wird ihm immer wieder der rechtzeitige und angemessene Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt. Sein Gesundheitszustand hat sich nach seinem Hungerstreik vom 26. Juni bis 4. Juli 2024 weiter verschlechtert. Nach Angaben seiner Frau Vida Mehrannia protestierte er damit gegen seine willkürliche Inhaftierung und dagegen, dass er im Zuge eines Gefangenenaustauschs zwischen dem Iran und Schweden am 15. Juni nicht freigelassen wurde. Darüber zeigte sich auch Vida Mehrannia sehr besorgt. Der Gefangenenaustausch führte zur Freilassung des ehemaligen iranischen Beamten Hamid Nouri, der von einem schwedischen Gericht im Zusammenhang mit seiner Rolle bei den Gefängnismassakern im Iran 1988 zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Im Gegenzug kamen zwei schwedische Staatsangehörige frei.
Dr. Ahmadreza Djalali wurde im April 2016 in Teheran festgenommen und im Oktober 2017 in einem grob unfairen Verfahren vor der Abteilung 15 des Revolutionsgerichts wegen «Verdorbenheit auf Erden» (ifsad fil-arz) zum Tode verurteilt. Das Urteil stützte sich in erster Linie auf «Geständnisse», die laut Ahmadreza Djalali unter Folter und anderen Misshandlungen während seiner Zeit in Einzelhaft unter isoliertieten Bedingungen und ohne Zugang zu einem Rechtsbei-stand erpresst worden waren. Amnesty International vertritt die Auffassung, dass der Straftatbestand der «Verdorbenheit auf Erden» die strafrechtlichen Erfordernisse der Rechtsklarheit und Genauigkeit nicht erfüllt. Am 9. Dezember 2018 erfuhren die Rechtsbeistände von Ahmadreza Djalali, dass sein Todesurteil vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden war, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, Verteidigungsanträge einzureichen. Seit Ende Dezember 2018 wurden Ahmadreza Dschalalis erzwungene «Geständnisse» wiederholt im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt. Im Mai 2022 beantragten die Rechtsbeistände von Ahmadreza Djalali eine gerichtliche Überprüfung vor dem Obersten Gerichtshof und wandten sich separat an die Oberste Justizautorität, um gemäss Paragraf 477 der iranischen Strafprozessordnung eine Überprüfung des Falls zu erreichen. Aber auch zwei Jahre später sind die Anträge noch nicht beantwortet worden. Die Inhaftierung von Ahmadreza Djalali ist willkürlich, da seine Rechte auf ein faires Verfahren schwerwiegend verletzt wurden, darunter das Recht auf die Unschuldsvermutung, das Recht, sich nicht selbst zu belasten, das Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen, zuständigen und unparteiischen Gericht ohne unangemessene Verzögerung, das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand ab dem Zeitpunkt der Festnahme, das Recht auf eine angemessene Verteidigung, das Recht auf Schutz vor Folter und anderen Misshandlungen und das Recht, die Rechtmässigkeit seiner Inhaftierung anzufechten.
Die Umstände der Begnadigung von Hamid Nouri durch die schwedische Regierung und seine Rückkehr in den Iran am 15. Juni 2024 bestätigen die früheren Befürchtungen von Amnesty International, dass die iranischen Behörden schwedische Staatsangehörige als Geiseln gehalten haben, um sie gegen Hamid Nouri auszutauschen. Die schwedischen Staatsangehörigen Johan Floderus und Saeed Azizi – der auch die iranische Staatsangehörigkeit hat – kehrten am 15. Juni 2024 nach Schweden zurück, nachdem sie im Iran einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt waren. Amnesty International hat bereits früher darauf hingewiesen, dass die Entscheidung der schwedischen Regierung, Hamid Nouri freizulassen, zur Krise der Straflosigkeit im Iran beiträgt und die iranischen Behörden ermutigt, weitere Verbrechen nach dem Völkerrecht, einschliesslich Geiselnahmen, zu begehen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Zudem wird so das Recht auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Überlebenden und die Familien der Opfer der Massenhinrichtungen 1988 untergraben. Auch könnte diese Entscheidung dazu beitragen, dass das Engagement der schwedischen Regierung für ihre Verpflichtungen nach dem Völkerrecht infrage gestellt wird.
Amnesty International hat wiederholt kritisiert, dass die iranischen Behörden Ahmadreza Dschalali als Geisel halten und mit seiner Hinrichtung drohen, um Dritte zu zwingen, ihn gegen ehemalige iranische Behördenvertreter*innen auszutauschen, die im Ausland verurteilt wurden und/oder dort vor Gericht stehen, und um von künftigen Strafverfolgungen gegen iranische Behördenvertreter*innen abzusehen.
Ahmadreza Djalali ist Mediziner und Akademiker, der in Schweden lebte und auch Gastprofessor für Katastrophenmedizin an der Vrije Universiteit Brüssel war. Er wurde am 26. April 2016 im Iran willkürlich festgenommen, als er sich dort aus beruflichen Gründen aufhielt. Er wurde sieben Monate lang in der dem Geheimdienstministerium unterstehenden Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses festgehalten und verbrachte drei Monate in Einzelhaft und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand. Im November 2017 forderte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen den Iran auf, Dr. Ahmadreza Djalali unverzüglich freizulassen und ihm ein einklagbares Recht auf Entschädigung und andere Formen der Wiedergutmachung einzuräumen. Nach Meinung der Arbeitsgruppe war sein Recht auf ein faires Gerichtsverfahren derart stark verletzt worden, dass «der Freiheitsentzug von Herrn Djalali als willkürlich zu betrachten ist». Von Ende November 2020 bis Anfang April 2021 wurde Ahmadreza Djalali von An-gehörigen des Geheimdienstministeriums gefoltert und anderweitig misshandelt, während er erneut in langer Einzelhaft in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses festgehalten wurde. Während dieser Zeit liessen Angehörige des Geheimdienstministeriums 24 Stunden am Tag ein helles Licht in seiner Zelle brennen, was ihm nach eigenen Angaben grosse psychische Probleme bereitete, und zwangen ihn, über fünf Monate lang auf dem Boden auf einer dünnen Decke zu schlafen. Während seiner gesamten willkürlichen Inhaftierung verweigerten ihm die iranischen Behörden den Zugang zu einer rechtzeitigen und angemessenen medizinischen Versorgung. Am 3. Juli 2024 wurde er während seines Hunger-streiks kurzzeitig in die medizinische Klinik des Evin-Gefängnisses verlegt, nachdem er sich unwohl fühlte und einen schwachen Puls hatte. Ihm wurde intravenös Flüssigkeit verabreicht.
Am 19. Dezember 2023 bestätigte das Berufungsgericht Svea Hovrätt die Verurteilung von Hamid Nouri und die lebenslange Haftstrafe, die das Stockholmer Bezirksgericht am 14. Juli 2022 verhängt hatte. Am darauffolgenden Tag, dem 20. Dezember 2023, strahlten iranische Staatsmedien ein Propagandavideo mit Ahmadreza Djalalis erzwungenen «Geständnissen» aus, in dem er unter anderem er-klärt, ein Spion für Israel zu sein. Laut einem von ihm verfassten Brief vom August 2017 wurde er während dieser Zeit gefoltert und anderweitig misshandelt: Man habe ihn unter Druck gesetzt, zu «gestehen», ein Spion zu sein. Die Behörden drohten u. a. damit, ihn hinzurichten und seine in Schweden lebenden Kinder sowie seine im Iran lebende Mutter – die 2021 starb – zu töten oder zu verletzen. In demselben Schreiben vom August 2017 schrieb Ahmadreza Djalali, dass er nur deshalb inhaftiert wur-de, weil er sich weigerte, seine akademischen Verbindungen zu europäischen Einrichtungen zu nutzen, um für die iranischen Behörden zu spionieren. Das Propagandavideo vom 20. Dezember 2023 enthält auch die erzwungenen «Geständnisse“ von Habib Chaab, einem schwedisch-iranischen Staatsbürger, der am 6. Mai 2023 von den Behörden willkürlich und heimlich hingerichtet wurde.
Nach den Protesten unter dem Motto «Frau, Leben, Freiheit» von September bis Dezember 2022 haben die iranischen Behörden die Todesstrafe verstärkt eingesetzt, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen. Im Jahr 2023 haben die iranischen Behörden mindestens 853 Todesurteile vollstreckt. Auch im Jahr 2024 setzten sie die Hinrichtungen fort, bis zum 30. Juni 2024 wurden mindestens 274 Hinrichtungen vollstreckt. Diese Angaben stammen von der Organisation Abdorrahman Boroumand Centre for Human Rights in Iran.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld oder anderer Eigenschaften der Person oder der Hinrichtungsmethode. Die Todesstrafe verletzt das Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen.
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