Am 11. November konnten 10 Vertreter*innen der Samstagsmütter eine kurze Erklärung vor dem Galatasaray-Gymnasium verlesen und Nelken über die Polizeisperren auf den Galatasaray-Platz werfen.
Nach fünf Jahren, in denen ihnen die Ausübung ihres Rechts auf friedliche Versammlung auf dem Galatasaray-Platz rechtswidrig verwehrt wurde, war dies ein positiver Schritt zur Beendigung dieser Ungerechtigkeit. Diese Entwicklung bleibt jedoch hinter den Urteilen des Verfassungsgerichts in den Fällen Maside Ocak und Gülseren Yoleri zurück, in denen eindeutig festgestellt wurde, dass die Rechte der Antragstellerinnen auf friedliche Versammlung verletzt worden waren und dass die Bezirksregierung über die Urteile informiert werden muss, um künftige Verstösse zu verhindern. Das Verfassungsgericht entschied in diesen Urteilen, dass die Gruppe ihre friedliche Mahnwache auf dem Galatasaray-Platz abhalten darf, doch trotz dieser eindeutigen und verbindlichen Gerichtsentscheidungen wird der Platz weiterhin von der Polizei blockiert, und die Samstagsmütter müssen sich Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl ihrer Mitglieder unterwerfen, die an der Mahnwache teilnehmen dürfen. Dies verstösst auch gegen die Artikel 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Artikel 19 und 21 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), zu dessen Vertragsstaaten die Türkei gehört.
Seit 28 Jahren fordert die Gruppe mit Namen «die Samstagsmütter» Wahrheit und Gerechtigkeit für ihre Angehörigen, die in den 1980er- und 1990er-Jahren in Polizeigewahrsam Opfer des Verschwindenlassens wurden. Im Mai 1995 begann die Gruppe mit einer friedlichen wöchentlichen Mahnwache auf dem Galatasaray-Platz im Zentrum Istanbuls, um von den Behörden Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen zu fordern. Ob-wohl sie jede Woche willkürlich festgenommen und inhaftiert wurden, versammelten sie sich weiterhin auf dem Platz. Im März 1999 ging die Polizei schliesslich besonders scharf gegen die Demonstrierenden vor, mit dem Ziel, die friedlichen Mahnwachen in Zukunft zu verhindern. Nach einer Pause von zehn Jahren und weil es bei der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit für ihre «verschwundenen» Angehörigen keine Fortschritte gab, nahm die Gruppe im Januar 2009 ihre Mahnwachen auf dem Galatasaray-Platz wieder auf.
Immer wieder sind die Samstagsmütter wegen ihrer friedlichen Mahnwachen brutal angegriffen oder strafrechtlich verfolgt worden. Die türkischen Behörden haben nie eine angemessene Begründung für diese rechtswidrige Verweigerung der Wahrnehmung der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit geliefert.
Im August 2018 setzte die Bereitschaftspolizei Tränengas und Wasserwerfer sowie exzessive Gewalt ein, um Hunderte Menschen zu vertreiben, die sich friedlich zur 700. Mahnwache versammelt hatten. Als Grund wurde angeführt, dass ein Verbot des Gouverneurs des Istanbuler Stadtteils Beyoğlu vorliege, da der Platz nicht als Versammlungsort vorgesehen sei und die Versammlung nicht angemeldet worden sei. Unter Einsatz exzessiver Gewalt wurden 47 Personen festgenommen. Gegen 46 von ihnen wurde im Jahr 2021 die Anklage erhoben, «sich trotz der Mahnungen nicht entfernt» zu haben. Das Verfahren gegen sie läuft noch.
Nach zwei positiven Urteilen des Verfassungsgerichts im November 2022 und März 2023 (Verfahren Nr. 2019/21721) und Verfahren Nr. Nr. 2020/7092 , in denen festgestellt wurde, dass das Recht der Antragsteller*innen auf Versammlungsfreiheit verletzt worden war und die Behörden dafür sorgen sollten, dass sich dieser Verstoss nicht wiederholt, hat die Gruppe seit Anfang April 2023 versucht, ihre Mahnwache friedlich abzuhalten, trotz wöchentlicher Festnahmen und übermässiger Gewaltanwendung durch die Polizei, die teilweise Folter oder Misshandlungen darstellten. Im August 2023 wurde ein neues Strafverfahren gegen 20 Familienangehörige und andere Menschenrechtsverteidiger*innen eingeleitet, die am 10. Juni 2023 festgenommen worden waren, weil sie sich «trotz Warnungen geweigert hatten, sich zu entfernen». Ihre erste Anhörung wird im Februar 2024 stattfinden.
Am 8. November 2023 antwortete Innenminister Ali Yerlikaya auf die Frage eines*r Abgeordneten der Opposition im Parlament: «Was die Samstagsmütter erleben, ist Schikane. Wir werden so schnell wie möglich eine Lösung finden. Wie Sie gesehen haben, haben wir sie diese Woche nicht inhaftiert.» Anschliessend wurde in der Nähe des Galatasaray-Platzes eine begrenzte Mahnwache mit 10 Angehörigen der Verschwundenen genehmigt.
Seit August 2018 sind durchgehend bewaffnete Bereitschaftspolizist*innen auf dem Galatasaray-Platz stationiert, die alle Zugänge blockieren und friedliche Demonstrierende daran hindern, sich zu versammeln.
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