Die Bewohner*innen des Küstenortes El Bosque im mexikanischen Bundesstaat Tabasco mussten am 1. November wegen einer durch die Kaltfront 8 (Frente Frío 8) verursachten Flutwelle in eine Notunterkunft in der Kleinstadt Frontera evakuiert werden, die 12 km von El Bosque entfernt liegt. Die meisten von ihnen verloren ihr Zuhause. Ehemalige Bewohner*innen von El Bosque berichteten am 13. November, von Mitarbeiter*innen der Notunterkunft misshandelt worden zu sein und einen ganzen Tag lang weder Nahrungsmittel noch Wasser erhalten zu haben, so dass sie sich gezwungen sahen, die Notunterkunft zu verlassen.
Seither waren die meisten Familien aus El Bosque auf ihre eigenen knappen Mittel angewiesen, um eine Unterkunft zu mieten, oder sind bei Verwandten untergekommen. Wer kein Geld für Miete hat, ist praktisch obdachlos. Einige Personen sind aus Verzweiflung in ihren Ort zurückgekehrt, obwohl dieser angesichts der massiven Schäden durch die Kaltfront 8 unbewohnbar geworden ist und sich die Lage angesichts der Ankündigung weiterer schwerer Kaltfronten in den nächsten Wochen noch verschlimmern könnte.
El Bosque ist ein Fischerdorf im Süden Mexikos, das von Meeresspiegelanstieg und Küstenerosion betroffen ist, welche durch die Klimakrise verstärkt werden. Seit 2019 ist der Küstenverlauf in El Bosque aufgrund ständiger Flutwellen und extremer Wetterereignisse um 200 Meter vorgerückt, was zur Zerstörung von Häusern und kommunaler Infrastruktur geführt hat. Im April 2023 begann die Gemeinde El Bosque, mit dem Ministerium für landwirtschaftliche und städtische Entwicklung (Secretaría de Desarrollo Agrario, Territorial y Urbano) und der Nationalen Wohnungskommission (Comisión Nacional de Vivienda en México) über eine mögliche Umsiedlung zu verhandeln. Dieser Prozess stagniert jedoch, sodass die Gemeinde erneuten extremen Wetterereignissen ausgesetzt ist, wie etwa den sintflutartigen Regenfällen im Zuge der Kaltfront 8 am 1. November.
Bereits vor dem 1. November waren in El Bosque mehr als 50 Häuser dem ansteigenden Meeresspiegel zum Opfer gefallen, deren Bewohner*innen entweder in örtlichen Notunterkünften unterkommen oder ganz wegziehen mussten. Auch meldet die Gemeinde seit einiger Zeit, dass Meerwasser in die Trinkwasserbrunnen von El Bosque eingedrungen war, die medizinische Versorgung weder verlässlich noch angemessen sei, und die Stromversorgung nur sporadisch funktioniere. Zudem seien die Kinder bereits vor der jüngsten Katastrophe aufgrund zerstörter Schulen gezwungen gewesen, den Unterricht in unzulänglichen Einrichtungen zu besuchen. Seit dem 1. November hat sich die Lage der Menschen in El Bosque noch weiter verschlechtert.
Am 1. November waren 69 Personen in einer von der Stadtverwaltung von Centla bereitgestellten Notunterunft im «Centro Recreativo del Municipio de Centla» untergebracht worden. Am Abend des 13. November verliessen diese Menschen die Unterkunft jedoch, da sie nach ihren Angaben vom Personal misshandelt wurden und den ganzen Tag über weder Nahrung noch Wasser erhalten hatten. Seitdem mussten die meisten ehemaligen Bewohner*innen von ihrem eigenen Geld Miete zahlen oder zu Verwandten ziehen. Es gibt jedoch auch Personen, die weder die Mittel haben, um Miete zu bezahlen, noch Verwandte, bei denen sie unterkommen können. Diese sind praktisch obdachlos geworden oder trotz der Gefahr neuer Kaltfronten nach El Bosque zurückgekehrt.
Gemäss internationaler Menschenrechtsnormen muss Mexiko Massnahmen ergreifen, um die Gefahren, Verluste und Schäden, die durch vorhersehbare und unvorhersehbare Auswirkungen des Klimawandels entstehen, abzuwenden bzw. abzumildern. Durch robuste Abschwächungs- und Anpassungsmassnahmen könnte die Zahl der Menschen, die aufgrund der Folgen des Klimawandels umziehen müssen, verringert und eine weitere Verschärfung der durch den Klimanotstand verursachten Verluste und Schäden verhindert werden. Bedauerlicherweise hat sich die mexikanische Regierung dafür entschieden, die Ölproduktion weiter zu steigern, anstatt solide Verpflichtungen für eine gerechte Energiewende einzugehen, um die im Pariser Klimaabkommen eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Die mexikanische Regierung versagt derzeit beim Schutz ausgegrenzter Bevölkerungsgruppen, die am stärksten unter der Klimakrise zu leiden haben. Dies zeigt sich an der Situation in El Bosque sowie auch in Acapulco im Bundesstaat Guerrero – der Touristenort wurde am 25. Oktober von Hurrikan Otis heimgesucht, dem bisher stärksten Sturm an der mexikanischen Pazifikküste.
Die mexikanische Regierung muss zudem darauf achten, dass geplante, dauerhafte Umsiedlungen nur dann erfolgen, wenn es keine Alternative für die betroffenen Menschen gibt und menschenrechtliche Standards eingehalten werden. In Fällen, wie dem von El Bosque in Tabasco, wo die Umsiedlung dringend erfolgen muss, müssen die völkerrechtlichen Verpflichtungen bezüglich Binnenvertreibung eingehalten werden, wonach eine dauerhafte Lösung für die vertriebenen Personen zu finden ist. Diese dauerhafte Lösung muss gewährleisten, dass die Vertriebenen diskriminierungsfrei in den Genuss aller ihrer Menschenrechte kommen. Dies betrifft u. a. die Rechte auf Sicherheit, auf einen angemessenen Lebens-standard (einschl. Zugang zu Nahrung, Wasser, angemessenem Wohnraum, Beschäftigung und Grundschulbildung) und auf Arbeit bzw. Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts. Vertriebene Personen müssen zudem Zugang zu wirksamen Mechanismen für die Wiederherstellung von Wohnraum, Landflächen und Eigentum erhalten bzw. angemessen entschädigt werden.
Update vom 30. November 2023
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