Am 5. August 2024 verurteilte das erstinstanzliche Gericht in Tunis die Oppositionspolitikerin Abir Moussi zu zwei Jahren Haft. Grundlage war ihre öffentliche Kritik am Wahlprozess im November 2022 und Januar 2023. Sie wurde unter dem Gesetzeserlass 2022-54 über Cyberkriminalität verurteilt, nachdem die Wahlbehörde ein Verfahren angestrengt hatte. Ausserdem läuft gegen Abir Moussi ein separates Ermittlungsverfahren wegen der Ausübung ihrer Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Verbindung mit von ihr angeführten Protesten bzw. von ihr getätigten Aussagen.
Kritik an den Behörden fällt unter das Recht auf Meinungsfreiheit, wie in Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie Artikel 9 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker verankert, deren Vertragsstaat Tunesien ist.
Seit seiner Machtergreifung am 25. Juli 2021 beruft sich Präsident Kais Saied auf Notstandsbefugnisse aus der Verfassung von 2014. Seit Februar 2023 hat sich die Menschenrechtslage in Tunesien rapide verschlechtert und zahlreiche Kritiker*innen stehen im Visier der Behörden. Gegen mindestens 74 Oppositionelle und andere vermeintliche Gegner*innen des Präsidenten wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Darunter befinden sich mindestens 44 Personen, denen in Verbindung mit der friedlichen Wahrnehmung ihrer Menschenrechte Straftaten vorgeworfen werden. Dieses harte Vorgehen gegen Oppositionelle bedroht die Menschenrechte in Tunesien, einschliesslich der Rechte auf freie Meinungsäusserung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit. Diese Rechte sind durch die Artikel 19, 21 und 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie durch die Artikel 9, 10 und 11 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker geschützt, zu deren Vertragsstaaten Tunesien gehört.
Die 48-jährige Abir Moussi ist Anwältin, Vorsitzende der Partei Parti Destourien Libre (PDL) und eine bekannte politische Gegnerin von Präsident Kais Saied. Von 2019 bis 2021 war sie Parlamentsabgeordnete. Am 5. August 2024 verurteilte das erstinstanzliche Gericht in Tunis sie zu zwei Jahren Haft, weil sie öffentlich den Wahlprozess kritisiert hatte. Die Verurteilung erfolgte gemäss dem Gesetzeserlass 2022-54 über Cyberkriminalität, nachdem die Wahlbehörde ein Verfahren angestrengt hatte. Am 24. September 2023 hatte Abir Moussi eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie ihr Interesse äusserte, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen anzutreten. Nur wenige Tage später, am 3. Oktober 2023, wurde sie vor einem zum Komplex des Präsidentenpalastes gehörenden Verwaltungsgebäude festgenommen. Dort hatte sie versucht, bei der zuständigen Behörde Rechtsmittel gegen Präsidialdekrete einzulegen, war aber daran gehindert worden. Abir Moussi protestierte gegen diese willkürliche Behinderung und bestand darauf, vor dem Verwaltungsgebäude stehen zu bleiben und alles live auf Facebook zu streamen. Laut Augenzeug*innen und Rechtsbeiständen wurde sie von Sicherheitskräften abgeführt und für zwei Stunden an einen unbekannten Ort gebracht, bevor ihre Rechtsbeistände sie auf der Polizeiwache von La Goulette ausfindig machen konnten, einem Viertel in der Hauptstadt Tunis. Erst nachdem sich Abir Moussi bereits 48 Stunden lang in Gewahrsam befunden hatte, wurden die Rechtsbeistände über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft informiert, sie in Untersuchungshaft zu nehmen. Zudem ignorierte die Polizei die Bitte von Abir Moussi um notwendige Medikamente, was zu gesundheitlichen Komplikationen führte, die später einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machten.
Am 5. Oktober 2023 wurde Abir Moussi vor dem erstinstanzlichen Gericht in Tunis wegen des Vorwurfs der Absicht, «die Staatsform zu ändern», der «Anstiftung zur Gewalt auf tunesischem Hoheitsgebiet» und des «Angriffs mit dem Ziel, Unruhe zu stiften» gemäss Paragraf 72 des Strafgesetzbuchs verhört und ihre Untersuchungshaft angeordnet.
Ausserdem wurden ihr die «Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Zustimmung der betroffenen Person» und die «Beeinträchtigung des Rechts auf Arbeit» gemäss Paragraf 27 und 87 des Datenschutzgesetzes sowie Paragraf 136 des Strafgesetzbuchs vorgeworfen. Am 30. Januar 2024 wurden die Anklagen unter Paragraf 72 fallengelassen, Abir Moussi blieb jedoch auf Grundlage der zwei anderen Anklagepunkte in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft legte Rechtsmittel gegen diesen Gerichtsentscheid ein und die Vorwürfe werden neu geprüft.
Zwischen Dezember 2022 und März 2023 zeigte die Wahlbehörde Abir Moussi auf der Grundlage des Gesetzeserlasses 54 in vier Punkten bei der Generalstaatsanwaltschaft von Tunis an. Hierbei ging es um kritische Äusserungen von Abir Moussi über den Wahlprozess. Die Rechtsbeistände von Abir Moussi führen an, dass die vier Anzeigen laut Gesetz in einer einzigen Untersuchung hätten zusammengefasst werden müssen; stattdessen werden sie getrennt und von verschiedenen Richter*innen behandelt.
Werden Sie aktiv:
Setzen Sie sich für Abir Moussi ein: Senden Sie einen Appellbrief – per Post oder E-Mail, als Fax und/oder über die sozialen Medien – an die angegebene(n) Zielperson(en) sowie eine Kopie an die Botschaft.
→ Frist zum Mitmachen: 2. November 2024.
→ Schreiben Sie in Arabisch, Französisch oder in Ihrer eigenen Sprache.
Bitte setzen Sie noch Ihren Namen (oder Initialen) an das Ende der Nachricht. Gerne können Sie die Nachricht auch noch anpassen oder die Forderungen hervorheben. / Beachten Sie bitte auch, dass Sie noch weitere Zielpersonen zum Anschreiben in den ADRESSEN finden. / Wenn das Versenden nicht klappt, ersetzen Sie das Komma (,) zwischen den Mail-Adressen mit einem Semikolon (;) oder nehmen Sie nur eine einzelne Adresse pro Linie.
Exzellenz
Am 5. August 2024 verurteilte das erstinstanzliche Gericht in Tunis die Anwältin und Oppositionspolitikerin Abir Moussi zu zwei Jahren Haft. Grundlage war ihre öffentliche Kritik am Wahlprozess im November 2022 und Januar 2023. Sie wurde unter dem Gesetzeserlass 2022-54 über Cyberkriminalität verurteilt, nachdem die Wahlbehörde ein Verfahren angestrengt hatte. Ausserdem läuft gegen Abir Moussi ein separates Ermittlungsverfahren wegen der Ausübung ihrer Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Verbindung mit von ihr angeführten Protesten bzw. von ihr getätigten Aussagen.
Kritik an den Behörden fällt unter das Recht auf Meinungsfreiheit, wie in Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie Artikel 9 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker verankert, deren Vertragsstaat Tunesien ist.
Bitte sorgen Sie dafür, dass Abir Moussi umgehend freigelassen wird und alle Anklagen gegen sie fallen gelassen werden, die allein auf ihrem friedlichen Aktivismus basieren.
Sorgen Sie dafür, dass sie bis zu ihrer Freilassung regelmässigen Zugang zu ihrer Familie, ihren Rechtsbeiständen und angemessener medizinischer Versorgung erhält und dass ihre Haftbedingungen den internationalen Standards für die Behandlungen von Gefangenen entsprechen.
Hochachtungsvoll,
Your Excellency,
I write to you to urge you to immediately release Abir Moussi and drop all criminal charges against her as they are based solely on the exercise of her human rights. She has been sentenced to two years in prison under Decree-Law 2022-54 on cybercrimes.
On 5 August 2024, The Tunis Court of First Instance sentenced Abir Moussi to two years in prison based on public statements she had made in November 2022 and January 2023 criticizing the legislative electoral process under Decree-Law 54 following a complaint filed by the High Independent Authority for Elections (ISIE). Abir Moussi is also facing a separate investigation for exercising her rights to freedom of peaceful assembly and expression based on protests that she led or statements that she made.
Criticism of the authorities is protected speech under Article 19 of the International Covenant on Civil and Political Rights and Article 9 of the African Charter on Human and Peoples’ Rights to which Tunisia is a state party.
I urge you to immediately release Abir Moussi and drop all charges against her as they stem solely from her peaceful political activism. Pending her release, she must be granted regular access to her family, lawyers and adequate healthcare, and held in conditions that comply with international standards for the treatment of prisoners.
Yours sincerely,
Monsieur le Président de la République,
Je vous écris afin de vous demander de libérer immédiatement Abir Moussi et d’abandonner toutes les charges pénales qui pèsent sur elle, car elles découlent uniquement de l’exercice de ses droits humains. Elle a été condamnée à deux ans d’emprisonnement en vertu du Décret-loi n° 2022-54 sur la cybercriminalité.
Le 5 août 2024, le tribunal de première instance de Tunis a condamné Abir Moussi à deux ans de prison en raison de déclarations publiques qu’elle avait faites en novembre 2022 et janvier 2023, dans lesquelles elle critiquait le processus des élections législatives, à la suite d’une plainte déposée en vertu du décret-loi n° 54 par l’Instance supérieure indépendante pour les élections (ISIE). Abir Moussi est également visée par une autre procédure pour avoir exercé ses droits à la liberté de réunion pacifique et d’expression, procédure fondée sur ses déclarations ou des manifestations qu’elle a organisées.
La critique des autorités est protégée au titre de l’article 19 du Pacte international relatif aux droits civils et politiques (PIDCP) et de l’article 9 de la Charte africaine des droits de l’homme et des peuples, traités auxquels la Tunisie est partie.
Je vous demande de libérer immédiatement Abir Moussi et d’abandonner toutes les charges retenues contre elle, car elles découlent de ses activités militantes politiques pacifiques. Dans l’attente de sa libération, elle doit être autorisée à voir régulièrement sa famille et ses avocats et à recevoir les soins médicaux appropriés. Enfin, elle doit être détenue dans des conditions conformes aux normes internationales relatives au traitement des prisonniers.
Veuillez agréer, Monsieur le Président de la République, l’expression de ma haute considération.
#Tunisia: Tunisian authorities sentenced opposition party leader to two years in prison solely for exercising her right to freedom of expression. Call on @TnPresidency to immediately release Abir Moussi, drop the charges against her and cease prosecuting political opponents.
Président de la République tunisienne Kaïs Saïed
Route de la Goulette
Site archéologique de Carthage
Tunisie
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On 5 August 2024, the Tunis Court of First Instance sentenced opposition figure Abir Moussi to two years in prison under Decree-Law 54 following a complaint filed by the Independent High Authority for Elections (ISIE) after she criticized the legislative elections process. Abir Moussi has been in arbitrary detention since 3 October 2023 under charges that include «attempting to change the form of government», «inciting violence on Tunisian territory», and «attacking with the aim of provoking disorder» under Article 72 of the Penal Code, following her attempt to submit an appeal against presidential decrees ahead of local elections. Abir Moussi is facing several other charges in separate investigations related to the exercise of her right to freedom of expression and peaceful assembly. The Tunisian authorities must immediately release Abir Moussi and drop the charges against her as they are based solely on the exercise of her rights to freedom of expression and peaceful assembly.
Abir Moussi, 48, is a lawyer and president of the Free Destourian Party (PDL), known for her vocal opposition to President Kais Saied. She served in Parliament from 2019 to 2021. On 5 August 2024, the Tunis Court of First Instance sentenced her to two years in prison under Decree-Law 54 for criticising the legislative elections, following a complaint by the ISIE. On 3 October 2023, shortly after expressing interest in the presidential race, Abir Moussi was arrested by security forces while trying to submit an ap-peal against presidential decrees at an office near the Presidential Palace in Carthage. Prevented from filing the appeal, she protested by staying outside the building and live streaming the events on Face-book. According to eyewitnesses and her lawyers, security forces violently arrested Abir Moussi and held her in an undisclosed location for two hours before her legal team found her at a police station in La Goulette, Tunis. After 48 hours in custody, they were informed of her pre-trial detention. Additionally, po-lice ignored her requests for necessary medication, leading to health complications that later required hospitalization.
On 5 October, an investigative judge interrogated Abir Moussi at the Tunis Court of First Instance and ordered her pre-trial detention under charges of seeking to «change the form of government», «inciting violence on the Tunisian territory» and «attack with the aim of provoking disorde»” under Article 72 of the Penal Code, and «processing of personal data without the consent of the data subject» and «interference with the freedom to work» under Articles 27 and article 87 of the Data Protection Law and article 136 of the penal code respectively. On 30 January, the investigative judge decided to drop the charges under Article 72 but kept Abir Moussi in pre-trial detention under the two other charges. However, the prosecution appealed the judge’s decision. The charges are being re-examined.
Between December 2022 and March 2023, the Independent High Authority for Elections (ISIE) filed four complaints against Abir Moussi with the Tunis general prosecutor under Decree law 54. The complaints, based on Abir Moussi’s critical statements about ISIE’s handling of elections, accuse ISIE of election rigging. Abir Moussi’s lawyers argue that the four complaints should have been consolidated into a single investigation as required by law but are instead being handled separately by different judges.
On 5 July 2024, an investigative judge questioned Abir Moussi over complaints by the ISIE regarding her statements from November 2022 and January 2023, where she alleged that legislative elections were «rigged» and the number of elected deputies was incomplete. The judge ordered her pre-trial detention and referred her to trial under article 24 of Decree law 54 for «deliberately using information and communication networks and systems to produce, promote, publish, transmit or prepare false news, statements, rumours or documents that are artificial, falsely attributed to others with the aim of attacking the rights of others, harming public security or national defence, or spreading terror among the population». On 5 August 2024, Abir Moussi appeared for trial, where her defence team's requests for postponement and provisional release were denied. The court convicted her to two years in prison, violating her right to a fair trial and freedom of expression.
Abir Moussi faces criminal charges under Articles 15, 245, 220 and 306 of the Penal Code, following a complaint by the International Union of Muslim Scholars on 10 May 2022, after two protests outside their Tunis office. The complaint includes charges of property damage, theft, defamation, spreading false news and public intimidation. Abir Moussi was questioned by an investigative judge on 12 June 2024. According to international human rights law, defamation should be handled as a civil matter, not criminal, and should never result in imprisonment. Public officials seeking redress for defamation should do so in civil, not criminal, courts.
On 25 July 2021, President Saied claimed emergency powers that he said were granted to him by Tunisia's 2014 Constitution. Since February 2023, the Human Rights situation in Tunisia has been rapidly deteriorating as several opposition figures have been targeted. Authorities opened criminal investigations against at least 74 opposition figures and other perceived enemies of the president, including at least 44 people accused of crimes in connection with the peaceful exercise of their human rights. This crackdown on opposition threatens human rights including the rights to freedom of expression, association and peaceful assembly in Tunisia, rights protected under Articles 19, 21 and 22 of the International Covenant on Civil and Political Rights and Articles 9, 10 and 11 of the African Charter on Human and Peoples’ Rights to which Tunisia is a state party.
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→ DOCUMENTS ACTUELS
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→ Guide Réseaux sociaux (Social Media)
→ Please take action before 2 November 2024.
→ Preferred language: Arabic, French, English. You can also write in your own language.