© Privat
© Privat

URGENT ACTION Briefaktion: Irak / Abgeschlossene Aktion Sorge um Schicksal von verschwundenem Journalisten

UA 118/23 I Mitmachen bis 9. Februar 2024 I (Briefaktion Laufzeit: 15.12.2023-9.2.2024) I AI-Index: MDE 14/7478/2023
Am 24. Oktober 2021 wurde der Journalist Bassem al-Zaak verschleppt, während er live von einer Sitzblockade in Bagdad berichtete. Die Blockade richtete sich gegen die Ergebnisse der damaligen Parlamentswahlen. Seine Entführer sollen zu den Volksmobilisierungseinheiten (PMU) gehören, die per Gesetz den irakischen Streitkräften angegliedert sind. Auch zwei Jahre später gibt es keine Spur von ihm. Die irakischen Behörden müssen den Verbleib des Journalisten aufklären und die Verantwortlichen in fairen Verfahren zur Rechenschaft ziehen.

Auch zwei Jahre später gibt es keine Spur von Bassem al-Zaak. Die irakischen Behörden haben keinerlei Fortschritte bei den Ermittlungen gemacht, und niemand wurde zur Rechenschaft gezogen.

Am 24. Oktober 2021 wurde Bassem al-Zaak im Stadtteil Jadriya von Bagdad verschleppt. Bei den Entführern soll es sich um Angehörige der Volksmobilisierungseinheiten (PMU) handeln. Diese umfassen ein grosses Netzwerk von Milizen, die rechtlich gesehen ein Teil der irakischen Streitkräfte sind. Zum Zeitpunkt seiner Verschleppung übertrug Bassem al-Zaak per Livestream eine Sitzblockade, die von einem politischen Zusammenschluss namens «Koordinationsrahmen» organisiert worden war, um gegen die Ergebnisse der Parlamentswahlen zu protestieren.

Nachdem die Familie bei der Polizei Anzeige erstattet hatte, leiteten die Behörden am 27. Oktober 2021 zwar eine Untersuchung des Verschwindens von Bassem al-Zaak ein, diese blieb bisher jedoch ergebnislos. Da die PMU jedoch ein offizielles Organ des Staates seien, könne nicht weiter ermittelt werden. Im Dezember 2022 bat die Rechts-abteilung des Innenministeriums in einem Schreiben an alle Abteilungen um Informationen über Bassem al-Zaak. Doch alle Angeschriebenen gaben an, dass er sich nicht in ihrem Gewahrsam befinde.

Bassem al-Zaak war an den landesweiten, regierungskritischen Tishreen-Protesten beteiligt, die am 1. Oktober 2019 begannen. Sein Verschwinden reiht sich in ein Muster des Verschwindenlassens ein, das Amnesty International im Rahmen der Niederschlagung der Tishreen-Proteste dokumentierte. Die Sicherheitskräfte – Bereitschaftspolizei, Anti-Terror-Kräfte und PMU-Angehörige – begingen zahlreiche aussergerichtliche Tötungen und liessen viele Personen verschwinden; im Visier standen insbesondere Journalist*innen, Demonstrierende, Aktivist*innen und Anwält*innen.

Während der grossangelegten regierungskritischen Demonstrationen, die im Oktober 2019 begannen und als Tishreen-Proteste bekannt sind, gingen die Sicherheitskräfte mit tödlicher Gewalt gegen Protestierende vor und schreckten auch vor aussergerichtlichen Hinrichtungen und Verschwindenlassen nicht zurück. Zu den Verantwortlichen zählten auch Angehörige der Einheiten der Volksmobilisierung (PMU), ein grosses Netzwerk von Milizen, die per Gesetz den irakischen Streitkräften angegliedert sind.
Nur sehr wenige Angehörige der Sicherheitskräfte und der ihnen nahestehenden Milizen sind wegen der Gewalt gegen Protestierende und Aktivist*innen strafrechtlich verfolgt worden. In einem im Juni 2022 veröffentlichten Bericht stellte die Hilfsmission der Vereinten Nationen für Irak (UNAMI) lediglich die Verurteilung von vier «nicht identifizierten bewaffneten Elementen» seit Mai 2021 und von sechs Angehörigen der Sicherheitskräfte wegen gezielten Schusswaffeneinsatzes, Tötungen und Entführungen fest. In dem Bericht hiess es weiter: «UNAMI/OHCHR war nicht in der Lage, weitere Fälle zu identifizieren, die während des Berichtszeitraums über das Ermittlungsstadium hinausgingen».
Seit 2019 haben verschiedene irakische Regierungen zahlreiche Ausschüsse eingesetzt, um die im Rahmen der Proteste begangenen Rechtsverletzungen zu untersuchen. Diese haben bisher jedoch nicht für Wahrheit und Gerechtigkeit gesorgt. Am prominentesten war die «Untersuchungskommission», die durch die vom damaligen Premierminister Mustafa al-Kadhimi am 18. Oktober 2020 erlassene Durchführungsverordnung 293 eingesetzt wurde, um Beweise zu sammeln, einen umfassenden Bericht zu veröffentlichen und die Verantwortlichen für die begangenen Verbrechen zu ermitteln. Gemäss der Verordnung hat der Ausschuss die Befugnis, Fälle an die Justiz zu verweisen. Es liegen jedoch keine transparenten Informationen darüber vor, ob dies auch tatsächlich geschehen ist.
In einem Schreiben des Büros von Premierminister Shia al-Sudani an Amnesty International vom 2. April 2023 heisst es, dass «der Premierminister im November 2022 die Aktivierung der Arbeit der [Untersuchungs-]Kommission und die Kontaktaufnahme mit Vertreter*innen der Demonstrierenden angeordnet hat». Das Büro des Premierministers umriss die Massnahmen, die der Untersuchungsausschuss ergriffen habe, darunter die Prüfung von «mehr als 215 Fällen des Zentralen Untersuchungsgerichts von Al-Rusafa und die Überprüfung von mehr als 5.375 offiziellen Dokumenten, darunter medizinische und gerichtsmedizinische Gutachten sowie Autopsiepapiere. Der Ausschuss prüft weiterhin Dokumente, die bei Berufungsgerichten eingingen». Der Premierminister bestätigte auch, dass den Familien der Getöteten Entschädigungen in Höhe von jeweils zehn Millionen irakischen Dinar gezahlt wurden. Entschädigungen sind jedoch kein Ersatz für Wahrheit und Rechenschaftslegung. Fast drei Jahre nach ihrer Einrichtung hat die Untersuchungskommission immer noch keine Ergebnisse veröffentlicht.
Nach Angaben des UN-Ausschusses für das Verschwindenlassen von Personen ist der Irak mit schätzungsweise 250.000 bis 1 Million Vermissten seit 1968 eines der Länder mit der höchsten Zahl an Vermissten weltweit. Verschwindenlassen ist derzeit gemäss irakischem Recht kein Straftatbestand und kann daher nicht als eigenständige Straftat verfolgt werden. Am 6. August 2023 legte der irakische Ministerrat dem Parlament den Entwurf für ein Gesetz über verschwundene Personen vor. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, es den Familienangehörigen der «Verschwundenen» zu ermöglichen, das Schicksal ihrer Angehörigen herauszufinden und ihnen Wiedergutmachung zu-kommen zu lassen, u. a. durch eine nationale Kommission für verschwundene Personen. Allerdings stellt die Gesetzesvorlage weder das Verschwindenlassen unter Strafe noch sieht es Strafen für die Verantwortlichen vor. Irak ist Vertragsstaat des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen und somit verpflichtet, das Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen, entsprechende Fälle zu untersuchen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und für Wiedergutmachung für die Betroffenen zu sorgen.

Werden Sie aktiv:

Abgeschlossene Briefaktion (Frist abgelaufen). 
Wenn es neue Informationen und Aktionsvorschläge gibt, werden wir diese umgehend hier veröffentlichen.