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URGENT ACTION Briefaktion: USA (Texas) / Abgeschlossene Aktion Hinrichtung vollzogen

x UA 006/24-1 I Abschlussinfo vom 01. März 2024 I (UA aktiv seit: 30.01.2024) I AI-Index: AMR 51/7647/2024
Ivan Cantu ist am 28. Februar 2024 im US-Bundesstaat Texas hingerichtet worden. Er wurde 2001 eines Doppelmordes für schuldig befunden, den er im November 2000 begangen haben soll, und zum Tode verurteilt. Eine unabhängige Untersuchung hatte Zweifel an der Fairness seines Verfahrens aufgeworfen. Die in letzter Instanz eingelegten Rechtsmittel waren abgelehnt und eine Begnadigung ausgeschlossen worden.

Ivan Cantu befand sich mehr als zwei Jahrzehnte lang im Todestrakt. Er wurde weder im ursprünglichen Prozess noch im Berufungsverfahren wirksam vertreten. Der 50-jährige Latino hat stets seine Unschuld an den beiden Morden beteuert, für die er zum Tode verurteilt wurde.

Am 27. Februar 2024 wies das texanische Berufungsgericht eine letzte Eingabe der Rechtsbeistände von Ivan Cantu ab, mit der sie versuchten, die Hinrichtung zu verhindern und dem Gericht neue Beweise vorzulegen. In der Eingabe wurde geltend gemacht, dass die Staatsanwaltschaft vor Gericht «falsche und irreführende Aussagen» gemacht habe und die Verteidiger*innen von Ivan Cantu ihn im Gerichtsverfahren nicht wirksam vertreten haben. Das Gericht entschied nach Prüfung des Antrags, «dass der Antragsteller die Anforderungen des [texanischen Rechts] nicht erfüllt» habe und es daher «den Antrag abweist, ohne die Begründetheit der Einwände zu prüfen». Am selben Tag lehnte das zuständige Bundesberufungsgericht (US Court of Appeals for the Fifth Circuit) einen Antrag der Rechtsbeistände von Ivan Cantu auf eine erneute richterliche Prüfung vor dem US-Bezirksgericht ab.

Ebenfalls am 27. Februar sprach sich der texanische Begnadigungsausschuss einstimmig gegen eine Begnadigungsempfehlung aus und lehnte auch die von den Rechtsbeiständen beantragte Aussetzung der Hinrichtung für 120 Tage ab. Gemäss texanischem Recht bedeutete dies, dass Gouverneur Greg Abbott lediglich die Möglichkeit blieb, einen 30-tägigen Hinrichtungsaufschub zu gewähren. Zu denjenigen, die an den Gouverneur appellierten, einen entsprechenden Aufschub zu gewähren, gehörte auch der Sprecher der Geschworenen aus der Verhandlung im Jahr 2001, in der das Todesurteil gefällt wurde. Am 27. Februar 2024 veröffentlichte er in der Zeitung Austin American-Statesman eine Stellungnahme, in der er beschrieb, dass er sich «getäuscht» fühle, da sich nun herausgestellt habe, dass wichtige Zeugenaussagen falsch oder irreführend waren. Er forderte den Gouverneur auf, «mir das von mir unterzeichnete Dokument zurückzugeben, mit dem ich damals die Entscheidung der Jury bestätigte, und die Hinrichtung von Ivan Cantu auszusetzen, damit die Sachlage näher geprüft werden kann».

Ivan Cantu wurde dennoch hingerichtet. Zwei Verwandte der Mordopfer waren anwesend, und mit seinen letzten Worten wandte sich Ivan Cantu an die Familien der Opfer. Er sagte, es sei ihm wichtig, dass sie wüssten, dass er nicht für die Morde verantwortlich sei. Er hatte darum gebeten, dass niemand in seinem Namen anwesend sein solle ausser seines geistlichen Beistands, Schwester Helen Prejean. Ivan Cantu wurde am 28. Februar um 18:47 Uhr Ortszeit für tot erklärt, etwa 21 Minuten nach Setzen der Giftspritze.

Bislang sind im Jahr 2024 in den USA zwei Menschen hingerichtet worden. Die Gesamtzahl der Hinrichtungen in den USA seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen im Jahr 1976 steigt damit auf 1.584. Auf Texas entfallen 587 dieser Exekutionen. Am 25. Januar 2024 wurde im Bundesstaat Alabama Kenneth Smith hingerichtet. Es war die erste Exekution, bei der eine Stickstoff-Methode zum Sauerstoffentzug zur Anwendung kam. Die Behörden hatten bereits 2022 versucht, Kenneth Smith durch eine tödliche Injektion hinzurichten, doch dieser Versuch schlug fehl.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode. Die Todesstrafe verletzt das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben und stellt die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen dar.

Weitere Appelle sind nicht erforderlich. Vielen Dank allen, die sich an der Briefaktion beteiligt haben.

 

Die Hintergrundinfos der ursprünglichen Urgent Action vom 30. Januar 2024:

Ivan Cantu soll am 28. Februar 2024 im US-Bundesstaat Texas hingerichtet werden. Er wurde 2001 eines Doppelmordes für schuldig befunden, den er im November 2000 begangen haben soll, und zum Tode verurteilt. Eine neuere unabhängige Untersuchung hat Fragen über die Angemessenheit seiner rechtlichen Vertretung im Prozess aufgeworfen. Ausserdem weckt sie Zweifel an der Aussage der Hauptzeugin der Staatsanwaltschaft. Auch die Sachbeweise, die diese Aussage im Verfahren bestätigen sollten, scheinen nicht belastbar zu sein. UN-Schutzmechanismen für zum Tode verurteilte Personen schreiben vor, dass die Todesstrafe nur dann verhängt werden darf, wenn die Schuld der angeklagten Person in eindeutiger und überzeugender Weise, die keine andere Erklärung des Sachverhalts zulässt, nachgewiesen wurde.

Ivan Cantu befindet sich seit über zwei Jahrzehnten im Todestrakt. Er wurde weder im ursprünglichen Prozess noch im Berufungsverfahren wirksam vertreten. Der 50-jährige Latino hat stets seine Unschuld an den beiden Morden beteuert, für die er zum Tode verurteilt wurde.

In einer vierjährigen unabhängigen Untersuchung konnten nun neue Beweise aufgedeckt werden, die den Geschworenen im ersten Prozess nicht bekannt waren. Dies verstärkt die Bedenken hinsichtlich der Effizienz des Rechtsbeistands von Ivan Cantu während des Verfahrens und lässt Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Verurteilung aufkommen. Nachdem zwei der Geschworenen die neuen Beweise gesehen hatten, unterzeichneten sie 2023 eidesstattliche Erklärungen, in denen sie ihre Besorgnis über die Situation zum Ausdruck brachten. Sie äusserten den Wunsch, dass ein Gericht die neuen Beweise prüfen möge. In einer der Stellungnahmen hiess es: «Die Aussage der Hauptzeugin [war] in zentralen Punkten falsch oder irreführend, was mich dazu veranlasst, den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage insgesamt in Frage zu stellen». Und in der zweiten: «Ich war bestürzt, als ich erfuhr, dass die Untersuchung viele der Aussagen und Beweise, auf die ich und die anderen Geschworenen sich zum Zeitpunkt des Prozesses verliessen, in Zweifel gezogen hat. Nun bin ich besorgt, dass der Staat einen Mann aufgrund meines Urteils zu Unrecht hinrichten lässt».

Letztes Jahr wurde der 26. April 2023 als Hinrichtungstermin festgelegt. Doch die Rechtsbeistände von Ivan Cantu legten am 18. April 2023 erneut ein Rechtsmittel ein, woraufhin am nächsten Tag ein Richter in Collin County anordnete, den Hinrichtungstermin zurückzuziehen. Im August 2023 erliess das Berufungsgericht für Strafsachen im Bundesstaat Texas (Court of Criminal Appeals, TCCA) jedoch einen Beschluss, in dem es hiess, dass die Rechtsbeistände nicht befugt seien, ein neues Rechtsmittel zur Prüfung der Rechtmässigkeit des Todesurteils einzulegen. In der Begründung hiess es, dass die hohen Anforderungen des texanischen Rechts für eine solche Prüfung nicht erfüllt seien. Das Gericht hatte bei seiner Entscheidung jedoch nicht geprüft, ob die neu entdeckten Beweise die Begründung für ein neues Rechtsmittel rechtfertigen.

Ohne eine gerichtliche Prüfung dieser neuen Beweise bleibt die Begnadigung durch den Gouverneur der einzige Weg, die Hinrichtung zu stoppen.