Die 14-jährige Klimaaktivistin Leonela Moncayo kämpft gemeinsam mit acht jungen Klimaaktivistinnen gegen das Abfackeln von Erdgas im ecuadorianischen Amazonasgebiet. Obwohl sie offensichtlich eingeschüchtert werden soll und bereits ein Sprengsatz vor ihrem Haus explodierte, stellen ihr die ecuadorianischen Behörden keine Schutzmass-nahmen zur Verfügung. Leonela Moncayo ist die Tochter der Menschenrechtsverteidiger*innen Silvia Zambrano und Donald Moncayo von der Organisation Unión de Afectados por Texaco (UDAPT), die strategische Rechtsstreits führt. Am 26. Februar explodierte ein improvisierter Sprengsatz im Hof des Hauses von Leonela Moncayo und ihrer Mutter. Fünf Tage zuvor hatte die Ministerin für Energie und Bergbau, Andrea Arrobo, in der Nationalversammlung Bezug auf ihr Engagement gegen das routinemässige Abfackeln von Erdgas genommen und erklärt, Leonela Moncayo und ihre acht Mitstreiterinnen seien «manipuliert worden».
Zwei Monate nach diesen Vorfällen haben die örtlichen Behörden im Zuge der Ermittlungen Leonela Moncayo und ihrer Familie mitgeteilt, dass sie die Mädchen nur schützen könnten, wenn sie ihren Aktivismus einstellten. Die ecuadorianischen Behörden sind jedoch dazu verpflichtet, Menschenrechtsverteidiger*innen und Klimaaktivist*innen zu schützen, damit sie ihre Arbeit zum Schutz der Menschenrechte und des Klimas in einem sicheren Umfeld ausüben können. Sie müssen ihnen wirksame und angemessene Schutzmassnahmen zur Verfügung stellen, damit sie ihre Tätigkeit ungehindert ausüben können. Handlungen, die ihre Arbeit einschränken oder behindern könnten, sind unzulässig.
Leonela Moncayo ist die Tochter der Menschenrechtsverteidiger*innen Silvia Lorena Ordoñez Zambrano und Donald Moncayo von der Organisation Unión de Afectados por Texaco (UDAPT), die strategische Rechtsstreits führt. Sie gehört zu der Gruppe von Mädchen aus dem Amazonasgebiet, die zusammen mit der UDAPT ein historisches Urteil gegen das routinemässige Abfackeln von Gas in den Provinzen Sucumbíos und Orellana in Ecuador erreicht hat. Das routinemässige Abfackeln von Gas ist ein Prozess bei der Erdölförderung, der in sehr hohem Masse zur Klima-krise beiträgt, da dabei Methan freigesetzt wird. Methan ist ein Treibhausgas, das noch schädlicher ist als CO2. Es wird davon ausgegangen, dass Methan für ein Drittel der Nettoerderwärmung seit der industriellen Revolution verantwortlich ist. Das routinemässige Abfackeln von Gas wird auch mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit von Anwohner*innen in Verbindung gebracht, da dabei eine Vielzahl von schädlichen Gasen und Substanzen freigesetzt wird.
Am 29. Juli 2021 stellte der Gerichtshof der Provinz Sucumbíos fest, dass der ecuadorianische Staat das Recht auf eine gesunde Umwelt und das Recht auf Gesundheit der Kläger*innen missachtet und seinen Verpflichtungen zur Eindämmung des Klimawandels nicht nachgekommen ist. Das Gericht stellte fest, dass der Staat die Gasfackeln, insbesondere in der Nähe von bewohnten Gebieten, schrittweise beseitigen und den betroffenen Gemeinden Entschädigungen zahlen muss. Seit Inkrafttreten des Urteils wurden bislang nur die öffentlichen Entschuldigungen, die Vorlage einer «Ersatzverordnung für die Umweltverordnung für Kohlenwasserstoffbetriebe» und zwei vom Ministerium für Energie und Bergbau erstellte technische Berichte über das regelmässige Abfackeln von Gas umgesetzt. Es wurden weder Umweltsanierungsmassnahmen eingeleitet, noch wurde das Recht auf Gesundheit oder andere Rechte wiederhergestellt.
Am 21. Februar 2024 nahmen vier der neun klagenden Mädchen, darunter Leonela Moncayo, an einer Sitzung des parlamentarischen Ausschusses für biologische Vielfalt teil, die das Ziel hatte, die Einhaltung des Urteils durch die zuständigen Behörden zu überprüfen. Die Ministerin für Energie und Bergbau, Andrea Arrobo, erklärte in ihrem Beitrag, dass die Regierung «zwei Fackeln beseitigt» habe und somit «dem Urteil bereits nachgekommen» sei. Sie sagte: «Es ist eine Sache, auf die Beseitigung von Gasfackeln zu bestehen, und eine andere, Panik zu verbreiten», wobei sie die Dimension des Problems unterschätzte. Die Ministerin unterstellte den Mädchen auch, sie seien «manipuliert» worden – eine Stigmatisierung, die die ecuadorianischen Behörden bereits gegen andere Menschenrechtsverteidiger*innen eingesetzt haben.
Die vier klagenden Mädchen, darunter Leonela Moncayo, nahmen das Mikrofon und widersprachen den Aussagen der Ministerin, dass dem Urteil nachgekommen worden sei. Laut Angaben des Büros der Ombudsperson gäbe es nicht mehr 447, sondern inzwischen 486 Gasfackeln. Ausserdem sagte eine der Klägerinnen zu den Politiker*innen: «Wie können Sie behaupten, dass wir manipuliert werden? Wir kämpfen für unsere Rechte». Schliesslich sagte Leone-la Moncayo der Ministerin und den Parlamentarier*innen, dass das, was die Mädchen und ihre Gemeinden in dieser Sitzung von ihnen erhielten, «ein Almosen, ein Hohn» sei.
Die Organisation UDAPT, Leonela Moncayo und ihre Eltern sind der Ansicht, dass die Einschüchterung vom 26. Februar eine Vergeltungsmassnahme für den Protest von Leonela Moncayo und den anderen Mädchen im parlamentarischen Ausschuss und generell für ihren Einsatz für die Umsetzung des Urteils durch die Behörden war.
Amnesty International wurde darüber informiert, dass die Ermittlungen zu dem Angriff auf Leonela Moncayo und ihre Familie bei der örtlichen Staatsanwaltschaft liegen. Im Zuge der Ermittlungen haben die Behörden den neun Mädchen und ihren Familien Schutz angeboten – allerdings unter der Bedingung, dass diese ihren Aktivismus einstellten. Dies verstösst gegen die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Ecuadors. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission ist der Auffassung, dass Staaten eine besondere Pflicht haben, Menschenrechtsverteidiger*innen zu schützen. Sie müssen ihnen wirksame und angemessene Schutzmassnahmen gewähren, damit sie ihre Tätigkeit frei ausüben können, wobei Massnahmen zu vermeiden sind, die ihre Arbeit einschränken oder behindern, da ihre Arbeit einen positiven und ergänzenden Beitrag zu den Bemühungen des Staates darstellt.
In der Erklärung über Menschenrechtsverteidiger*innen wird klargestellt, dass die Staaten in erster Linie dafür verantwortlich sind, «alle Menschenrechte und Grundfreiheiten zu schützen, zu fördern und umzusetzen». Dies bedeutet zwangsläufig, dass die zuständigen Behörden jede Einzelperson und je-den Zusammenschluss von Personen vor Gewalt, Drohungen, Vergeltungsmassnahmen, faktischer oder rechtlicher Diskriminierung, Druck oder anderen willkürlichen Massnahmen als Folge der rechtmässigen Ausübung von Rechten schützen müssen, wenn es um die Verteidigung der Menschenrechte geht. Staaten sind dazu verpflichtet, ein sicheres Umfeld für Menschenrechtsverteidiger*innen zu schaffen, sodass sie ihre Arbeit ohne Furcht vor Repressalien verrichten können. Auch das Abkommen von Escazú – ein regionales Umweltabkommen in Lateinamerika, das spezifische Vorschriften für Menschenrechtsverteidiger*innen in Umweltfragen enthält – geht in eine ähnliche Richtung.
Amnesty International hat dokumentiert, dass der ecuadorianische Staat in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen keine strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet hat. Auch angemessene und wirksame Massnahmen zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen – insbesondere von Frauen aus dem Amazonasgebiet – blieben aus. Es ist an der Zeit, dass Ecuador Menschenrechtsverteidiger*innen, insbesondere Land- und Umweltaktivist*innen, schützt und ihnen ein sicheres und förderliches Umfeld für die Ausübung ihrer Arbeit garantiert.
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