Später wurde der palästinensische Israeli wegen «Anstiftung zum Terrorismus» und «Identifizierung mit einer terroristischen Vereinigung» angeklagt, weil er Parolen gegen den Krieg in Gaza skandiert hatte. Nach fast viermonatiger Haft wurde Ahmad Khalefa unter strengen Auflagen unter Hausarrest gestellt.
Die Anklage gegen den Menschenrechtsanwalt Ahmad Khalefa und die Einschüchterungsversuche gegen ihn auf Grundlage des diskriminierenden israelischen Antiterrorgesetzes gibt Anlass zu grosser Sorge. Der palästinensische Israeli ist Rechtsanwalt, Menschenrechtsverteidiger, Gemeindeaktivist und gewähltes Mitglied des Stadtrats seiner Heimatstadt Umm al-Fahm im Norden Israels.
Am 19. Oktober 2023 wurde Ahmad Khalefa in Umm al-Fahm zusammen mit zehn anderen Demonstrierenden, darunter vier Kinder, während einer friedlichen Demonstration gegen die israelische Militäroffensive im besetzten Gazastreifen gewaltsam festgenommen. Trotz seiner bei der Festnahme erlittenen Verletzungen wurde er nicht medizinisch behandelt, sondern direkt in das Megiddo-Gefängnis gebracht.
Am 6. November 2023 wurde Ahmad Khalefa wegen «Anstiftung zum Terrorismus» und «Identifizierung mit einer terroristischen Organisation» angeklagt, nur weil er einen friedlichen Protest angeführt und friedliche, gewaltfreie Slogans gegen die israelische Besatzung skandiert hatte. Er ist der erste Demonstrant, der wegen Slogans angeklagt und inhaftiert wurde, die bei Protesten von Palästinenser*innen in Israel üblich sind, auch bei den jüngsten Protesten nach dem 7. Oktober. Während seiner fast viermonatigen Haft wurde Ahmad Khalefa gefoltert und anderweitig misshandelt, unter anderem durch Schläge, und er wurde Zeuge schwerer Folter von anderen Gefangenen. Die Expert*innen von Amnesty International haben die von Ahmad Khalefa und anderen Demonstrierenden skandierten Slogans überprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass keiner von ihnen eine Aufforderung zum Hass darstellt.
Am 8. Februar 2024 wurde Ahmad Khalefa unter Hausarrest gestellt, nachdem der Oberste Gerichtshof Israels dem von ihm eingelegten Rechtsmittel stattgegeben hatte. Er unterliegt jedoch weiterhin extremen Einschränkungen, einschliesslich elektronischer Überwachung, Internetverbot und Hausarrest ausserhalb seiner Heimat-stadt Umm al-Fahm, obwohl seine Kinder dort zur Schule gehen. Das Gericht setzte seine Frau Lina als Bürgin ein, die sich immer bei ihm aufhalten muss. Ahmad und Lina Khalefa waren daher gezwungen, eine Wohnung in Haifa zu mieten. So sind sie von ihren drei kleinen Kindern getrennt und Lina musste sich auf unbestimmte Zeit von ihrer Arbeit als Lehrerin beurlauben lassen.
Die nächste Anhörung soll am 8. April 2024 vor dem Amtsgericht in Haifa stattfinden. Die unbegründeten Anklagen gegen ihn, die Teil eines umfassenderen Vorgehens gegen palästinensische Staatsbürger*innen Israels und ihre Freiheit sind, gegen den Krieg im Gazastreifen zu protestieren, verletzen Israels Verpflichtungen gemäss Artikel 19 und 21 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, den das Land ratifiziert hat.
Der 42-jährige Ahmad Khalefa ist ein palästinensischer Israeli aus Umm al-Fahm, einer palästinensischen Stadt im Norden Israels. Als Menschenrechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger setzt er sich unermüdlich für die Rechte von Palästinenser*innen in Israel und den besetzten Gebieten ein, beispielsweise für Verwaltungshäftlinge, für von Vertreibung bedrohte Gemeinschaften im Negev/Naqab und für Studierende, die wegen Vorwürfen kriminalisiert werden, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sein könnten. Der neu in den Stadtrat von Umm al-Fahm gewählte Ahmad Khalefa ist auch ein prominenter Gemeindeaktivist und Gründungsmit-glied von al-Herak al-Fahmawi, einer lokalen Basisbewegung, die sich gegen organisierte Kriminalität und geschlechtsspezifische Gewalt innerhalb von palästinensischen Gemeinden in Israel einsetzt.
Im November 2023 wurde Ahmad Khalefa wegen «Anstiftung zum Terrorismus» und «Identifizierung mit einer terroristischen Organisation» gemäss Artikel 24 des israelischen Antiterrorgesetzes von 2016 angeklagt, einem Gesetz, das zahlreiche repressive und drakonische Massnahmen enthält, die darauf abzielen, abweichende Meinungen zu unterdrücken und Israels Apartheidsystem gegen die Palästinenser*innen zu festigen. Die Anklage stützt sich auf Slogans, die Ahmad Khalefa bei einem friedlichen Protest skandierte und die von Palästinenser*innen seit Jahrzehnten häufig skandiert werden, auch bei Protesten nach dem 7. Oktober. So zum Beispiel «Gaza wird sich nicht ergeben, weder vor dem Panzer noch vor dem Gewehr» oder «Es kann keine andere Lösung geben, ausser einem Ende der Besatzung».
Ahmad Khalefa verbrachte fast vier Monate im Gefängnis. In einer seiner Gerichtsverhandlungen sagte er über die grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen im Megiddo-Gefängnis aus. Er beschrieb den systematischen Nahrungsentzug, die unzureichende Kleidung und die entwürdigenden Misshandlungen durch die Gefängniswärter. Nach dieser Aussage wurde Ahmad Khalefa Repressalien ausgesetzt, einschliesslich körperlicher Gewalt, und in ein anderes Gefängnis verlegt. Am 15. Januar 2024 verfügte das Bezirksgericht Haifa, Ahmad Khalefa bis zum Abschluss aller Verfahren in Haft zu halten, da er als «ideologisch zu gefährlich» eingestuft wurde, um angesichts der aktuellen Sicherheitslage aus der Haft freigelassen zu werden. Am 8. Februar hob der Oberste Gerichtshof Israels nach einem von Ahmad Khalefas Anwaltsteam eingelegten Rechts-mittel die Entscheidung des Bezirksgerichts Haifa auf und stellte ihn unter Hausarrest, da er keine Vorstrafen hat.
Darüber hinaus wird die humanitäre Lage im Gazastreifen durch den eingeschränkten Zugang zu Strom, Treibstoff und Telekommunikationsdiensten weiterhin drastisch beeinträchtigt. Nach Angaben von OCHA ist der gesamte Gazastreifen seit dem 11. Oktober 2023 ohne Strom, nachdem die israelischen Behörden die Stromversorgung unterbrochen haben und die Treibstoffreserven für das einzige Kraftwerk im Gazastreifen erschöpft sind. Die Unterbrechung der Kommunikation und die Abschaltung der Treibstoffversorgung behindern die Menschen weiterhin in erheblichem Masse bei der Suche nach lebensrettenden Diensten sowie die Bemühungen der Hilfsorganisationen, die sich verschärfende humanitäre Krise zu bewerten und angemessen darauf zu reagieren. Der gravierende Treibstoffmangel verhindert den Betrieb von Kläranlagen, was zu Umwelt- und Gesundheitsproblemen führt, die durch den eingeschränkten Zugang zu wichtigen sanitären Einrichtungen und Dienstleistungen noch verschärft werden.
Die ohnehin schon katastrophale humanitäre Lage im gesamten Gazastreifen wird durch die kontinuierliche Verschlechterung des Gesundheitssystems, das am Rande des totalen Zusammenbruchs steht, noch verschärft. Nach Angaben der WHO sind im gesamten Gazastreifen nur noch 13 von 36 Krankenhäusern teilweise funktionsfähig. Im zentralen und südlichen Gazastreifen, wo derzeit über zwei Millionen Menschen Zuflucht suchen, sind die Krankenhäuser weit über ihre Kapazitäten hinaus ausgelastet, darunter auch die drei wichtigsten Krankenhäuser in diesen Gebieten: Das European Gaza Hospital und der Nasser Medical Complex in Chan Yunis im Süden und das Al-Aqsa-Krankenhaus in Deir al-Balah im Zentrum des Gebiets. Die verbleibenden, teilweise funktionierenden Krankenhäuser haben mit dem gravierenden Mangel an medizinischen Gütern wie Anästhetika, Antibiotika, Schmerzmitteln und externen Fixateuren zu kämpfen und benötigen dringend Treibstoff, Lebensmittel und Trinkwasser. Der Mangel an medizinischem Personal, einschliesslich spezialisierter Chirurg*innen, Neurochirurg*innen und Intensivpflegepersonal, bleibt eine grosse Herausforderung für das verbleibende noch funktionierende Gesundheitssystem.
Inmitten dieser humanitären Katastrophe zahlen die Frauen im Gazastreifen einen extrem hohen Preis, da sie mit einem verzweifelten Mangel an Hygieneartikeln konfrontiert sind, einschliesslich Menstruationsartikeln wie Binden, sauberer Unterwäsche, Feuchttüchern und mehr. Einige Frauen sind gezwungen, Stofffetzen von Zelten oder Kleidungsstücken abzureissen, um sie als Binden zu verwenden. Nach Angaben des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen gibt es im Gazastreifen Zehntausende von schwangeren Frauen. Mindestens 40 % dieser Schwangerschaften wurden als Hochrisikoschwangerschaften eingestuft. 180 Mütter bringen täglich ein Kind zur Welt, ohne dass ihnen ein*e Ärzt*in, eine Hebamme oder eine Krankenschwester während der Wehen zur Seite steht und ohne Schmerzmittel, Anästhesie oder Hygienematerial.
Israel muss im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür sorgen, dass die Grundbedürfnisse der Bevölkerung des Gazastreifens befriedigt werden, was beispielsweise die dringende Öffnung zusätzlicher Zu-gänge zum Gazastreifen, auch im Norden, die Sicherstellung von Lieferungen in alle Teile des Gazastreifens und die Aufhebung der Belagerung beinhalten könnte. Israel muss sicherstellen, dass der Gazastreifen mit Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und anderen grundlegenden Gütern, ein-schliesslich ausreichend Wasser und Brennstoff, versorgt wird, damit die Bevölkerung unter angemessenen materiellen Bedingungen leben kann. Das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung ist verboten.
Amnesty International fordert den Staat Israel auf, den vom IGH angeordneten vorläufigen Massnahmen nachzukommen und sofortige und wirksame Massnahmen zu ergreifen, um die dringend benötigte Grundversorgung und humanitäre Hilfe für die Bevölkerung im besetzten Gazastreifen bereitzustellen. Amnesty warnt vor den verheerenden Folgen einer Bodenoffensive in Rafah, da über 1,2 Millionen palästinensische Zivilpersonen, die dort eingeschlossen sind und von denen die grosse Mehrheit vertrieben wurde, nirgendwo hingehen können. Israel muss auch seine fast vollständige Belagerung beenden und von Angriffen auf Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen absehen. Auch wenn der Gerichtshof nicht zu einem Waffenstillstand aufruft, bekräftigt Amnesty International, dass ein sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand zwischen allen Parteien der wirksamste Weg ist, um die Umsetzung der vorläufigen Massnahmen des Gerichtshofs zu gewährleisten und einen Völkermord im Gazastreifen zu verhindern.
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