Gewaltsamer Polizeieinsatz in Buenos Aires, Februar 2024 © Anadolu via Getty Images
Gewaltsamer Polizeieinsatz in Buenos Aires, Februar 2024 © Anadolu via Getty Images

URGENT ACTION Argentinien – Briefaktion / Frist abgelaufen Friedliche Protestierende kriminalisiert

UA 057/24 I Mitmachen bis 14. August 2024 I AI-Index: AMR 13/8184/2024
Am 12. Juni wurden bei einem gewaltsamen Polizeieinsatz in Buenos Aires 33 Protestierende willkürlich festgenommen und wegen mehrerer Straftaten angeklagt. Unter anderem werden ihnen Angriffe auf die verfassungsmässige Ordnung und das demokratische Leben vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft muss die Anklagen umgehend fallenlassen.

In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires kam es am 12. Juni zu Protesten gegen ein geplantes Gesetz über Wirtschaftsreformen (bekannt als Ley de Bases). Dabei wurden 33 Personen, die friedlich von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machten, festgenommen und angeklagt, darunter Studierende, Strassenverkäufer*innen und Menschenrechtler*innen.

Aus öffentlich einsehbaren Quellen geht hervor, dass die Polizei bei ihrem Einsatz rechtswidrig Gebrauch von «weniger tödlichen» Waffen wie chemischen Reizstoffen und Gummigeschossen machte, was dazu führte, dass zahlreiche Menschen unnötigerweise verletzt wurden und medizinisch versorgt werden mussten. Amnesty International hat zudem die Fälle von Santiago Adano, Juan Ignacio Spinetto und Camila Juárez Oliva dokumentiert, die vor bzw. nach der Demonstration in einiger Entfernung vom Veranstaltungsort festgenommen wurden. Hierbei handelt es sich möglicherweise um willkürliche Inhaftierungen. Zwar wurden 28 Personen mittlerweile wieder auf freien Fuss gesetzt, doch stehen alle 33 nach wie vor unter Anklage.

Die Tatsache, dass sich einige Protestierende gewaltbereit verhalten, darf für andere Menschen keine Auswirkungen auf die Wahrnehmung ihrer Rechte auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäusserung haben. Die argentinischen Behörden sind verpflichtet, im Einklang mit internationalen Menschenrechtsnormen und -standards zu handeln, und dürfen daher das Strafgesetzbuch nicht rechtswidrig als Mittel der Unterdrückung gegen Andersdenkende einsetzen.
Amnesty International befürchtet, dass diese Vorfälle andere Menschen in Argentinien davon abhalten könnten, ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrzunehmen, insbesondere da Kritiker*innen und Andersdenkende öffentlich von den Behörden ins Visier genommen werden.

Seit dem Regierungswechsel im Dezember 2023 sind in Argentinien grossflächige Demonstrationen gegen Haushaltskürzungen und die Aushöhlung der Menschenrechte ausgebrochen. Vor diesem Hintergrund wurden einige sehr bedenkliche Vorschriften erlassen, die Demonstrierende kriminalisieren und die rechtswidrige Anwendung von Gewalt gegen sie zulassen. Die Polizei hat bereits auf mehreren Protestveranstaltungen unnötige und übermässige Gewalt gegen Demonstrierende eingesetzt.

Darüber hinaus sprechen sich die Behörden offen für weitere repressive Massnahmen wie die Kriminalisierung von Protesten aus und halten Menschen so davon ab, auf die Strasse zu gehen. Als der argentinische Senat am 12. Juni 2024 einen Gesetzentwurf über Wirtschaftsreformen (Ley de Bases) debattierte, versammelten sich soziale, politische und gewerkschaftliche Organisationen in der Nähe des Kongressgebäudes, um gegen das Gesetz zu protestieren.

Die Behörden beriefen sich in ihrem Vorgehen gegen die Grossdemonstration auf das im Dezember 2023 vom Sicherheitsministerium erlassene «Protokoll zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Falle von Strassenblockaden» (Resolution 943/2023). An dem Einsatz beteiligt waren Angehörige der argentinischen Polizei, der Marine (Prefectura Naval), der Gendarmerie (Gendarmería Nacional) und der Stadtpolizei von Buenos Aires. Die Sicherheitskräfte machten rechtswidrig von weniger tödlichen Waffen wie chemischen Reizstoffen, Schlagstöcken, Gummigeschossen und Wasserwerfern Gebrauch, wodurch Demonstrierende verletzt wurden. Sie nahmen Teilnehmende willkürlich fest und griffen Medienschaffende an. Die gesamte Umgebung des Kongressgebäudes wurde von Sicherheitskräften und Fahrzeugen, einschliesslich zahlreichen Wasserwerfern, umstellt. Es wurden Polizist*innen ohne Uniform und Angehörige der Marine mit Schusswaffen beobachtet.

Rechtsbeistände und zivilgesellschaftliche Organisationen gaben an, dass in Verbindung mit diesem Einsatz 33 Personen willkürlich festgenommen wurden. Amnesty International hat die Fälle von Santiago Adano, Camila Juárez Oliva und Juan Ignacio Spinetto dokumentiert. Santiago Adano ist ein 38-jähriger Musiker, Camila Juárez Oliva eine 33-jährige Studentin, und Juan Ignacio Spinetto ein 44-jähriger Rechtsanwalt und Lehrer. Alle drei wurden festgenommen und mit zahlreichen Anklagepunkten überzogen, darunter der Vorwurf des mutmasslichen Angriffs auf die verfassungsmässige Ordnung und das demokratische Leben. Santiago Adano und Camila Juárez Oliva hatten gar nicht erst die Möglichkeit, an den Demonstrationen teilzunehmen. Ersterer kam gerade aus der U-Bahn heraus, als er festgenommen wurde, während Camila Juárez Oliva zehn Häuserblocks von der Versammlung entfernt festgesetzt wurde. Juan Ignacio Spinetto befand sich mehr als drei Kilometer von der Demonstration entfernt in San Telmo auf dem Heimweg, als er festgenommen wurde. Santiago Adano wurde am 14. Juni freigelassen, das Strafverfahren gegen ihn läuft jedoch weiter. Camila Juárez Oliva und Juan Ignacio Spinetto befanden sich zusammen mit 14 weiteren Personen, denen eine Freilassung ohne ausreichende Begründung verweigert wurde, bis zum 18. Juni in Gewahrsam. Fünf Personen sind weiterhin inhaftiert.

Sie alle wurden unter anderem wegen öffentlicher Einschüchterung (Paragraf 211 Strafgesetzbuch), Anstiftung zu kollektiver Gewalt (Paragraf 212 Strafgesetzbuch), Verbrechen gegen die Behörden und die verfassungsmässige Ordnung (Paragraf 226 Strafgesetzbuch), versuchter Widerstand bzw. Widerstand gegen die Staatsgewalt (Paragraf 237 und 239 Strafgesetzbuch) und Störung der Ordnung in Sitzungen der gesetzgebenden Organe (Paragraf 241 Strafgesetzbuch) angeklagt. Die Ministerin für Innere Sicherheit und der Präsident erklärten öffentlich, dass es sich bei der Protestkundgebung um eine Art Staatsstreich handele und dass die Inhaftierten «Terrorist*innen» seien. Alle 33 Betroffenen stehen nach wie vor unter Anklage.

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