Das saudi-arabische Sonderstrafgericht SCC hat den 47-jährigen Lehrer Asaad bin Nasser al-Ghamdi zu 20 Jahren Gefängnis und einem anschliessenden 20-jährigen Reiseverbot verurteilt, nur weil er Tweets auf X (ehemals Twitter) veröffentlicht hatte. Darin kritisierte er das Regierungsprojekt Vision 2030 und drückte sein Beileid zum Tod des bekannten, in Haft verstorbenen Menschenrechtlers und Gründungsmitglieds der saudi-arabischen Organisation für bürgerliche und politische Rechte (ACPRA), Abdullah al-Hamid, aus.
Am 20. November 2022 durchsuchten Sicherheitskräfte Asaad bin Nasser al-Ghamdis Haus in Jeddah, beschlagnahmten einige Bücher und Computer und zerrten ihn anschliessend mit Gewalt davon. Während der ersten neun Monate seiner Haft wurde ihm eine rechtliche Vertretung verweigert. Er wurde in dieser Zeit unter Verstoss gegen das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren ohne Rechtsbeistand verhört. Später wurde ihm ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, der sich jedoch weigerte, sich vor den Gerichtsterminen zu deren Vorbereitung mit ihm zu treffen.
Amnesty International konnte Gerichtsunterlagen einsehen, denen zufolge Asaad bin Nasser al-Ghamdi unter dem Antiterrorgesetz wegen «Infragestellen der Religion und der Gerechtigkeit des Königs und des Kronprinzen» sowie «Unterstützung von terroristischer Ideologie und Verbrechen... und Beteiligung an Hashtags zu diesem Zweck» angeklagt war. Alle Anklagepunkte stehen mit seinen Aktivitäten in den Sozialen Medien in Zusammenhang. Zu den Beiträgen auf X, die bei Verhören als Beweismittel gegen ihn verwendet wurden, sollen Tweets gehören, in denen er Projekte des Regierungsprogramms Vision 2030 und das Fehlen von Projekten in Jeddah kritisiert sowie Beileidsbekundungen zum Tod von Abdullah al-Hamid abgibt.
Berichten zufolge wird Asaad bin Nasser al-Ghamdi seit seiner Festnahme am 20. November 2022 die angemessene medizinische Versorgung seiner Epilepsieerkrankung verweigert. Dies führte wiederholt zu Ohnmachtsanfällen, Stürzen und Krampfanfällen. Auch die dadurch verursachten Verletzungen wurden nicht behandelt.
Assad bin Nasser Al-Ghamdi ist der Bruder von Dr. Saeed bin Nasser al-Ghamdi, einem islamischen Gelehrten und Regierungskritiker, der im selbstgewählten Exil in Grossbritannien lebt. Sein zweiter Bruder, der 55-jährige pensionierte Lehrer Mohammad bin Nasser Al-Ghamdi, wurde im Juli 2023 wegen konstruierter Terrorismusanklagen zum Tode verurteilt. Alleinige Grundlage für dieses Urteil waren dessen regierungskritische Beträge auf X und YouTube. Amnesty International hatte sich zu der Festnahme und dem Todesurteil bereits besorgt geäussert. Am 19. März 2024 kam die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen zu dem Schluss, dass Mohammad bin Nasser Al-Ghamdis Inhaftierung willkürlich ist und seine Menschenrechte verletzt.
Seit 2011 dokumentiert Amnesty International wie das Sonderstrafgericht SCC eingesetzt wird, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Das Sonderstrafgericht missbraucht vage Bestimmungen auf Grundlage der Gesetze gegen Internetkriminalität und Terrorismus, um friedliche Meinungsäusserung und Online-Aktivitäten mit «Terrorismus» gleichzusetzen und strafrechtlich zu verfolgen. Amnesty International hat dokumentiert, dass sich in jeder Phase der Verfahren vor dem Sonderstrafgericht Menschenrechtsverletzungen nachweisen lassen. Die Richter*innen des Sonderstrafgerichts führen grob unfaire Gerichtsverfahren durch und fällen Urteile mit Strafmassen von bis zu 45 Jahren Haft und zahlreiche Todesurteile. Unter den besonders Betroffenen sind Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, politische Aktivist*innen, Autor*innen, Geistliche und Frauenrechtsaktivist*innen. Fast alle Menschenrechtsverteidiger*innen, Feminist*innen, unabhängige Journalist*innen, Schriftsteller*innen und Aktivist*innen im Land waren schon einmal oder sind zurzeit willkürlich inhaftiert, haben langwierige und unfaire Gerichtsverfahren – meist vor dem SCC – durchlaufen oder sind unter Bedingungen freigelassen worden, die Reiseverbote und andere willkürliche Einschränkungen ihrer Grundrechte, wie z. B. des Rechts auf friedlichen Aktivismus, beinhalteten.
Bis Juli 2024 hat Amnesty International die Fälle von 82 Personen dokumentiert, die wegen der Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäusserung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung strafrechtlich verfolgt wurden, darunter Menschenrechtsverteidiger*innen, friedliche politische Aktivist*innen, Journalist*innen, Lyriker*innen und Geistliche. Unter ihnen waren 32 Personen, die allein wegen ihrer friedlichen Meinungsäusserung in den Sozialen Medien strafrechtlich verfolgt wurden. Amnesty International ist bewusst, dass die tatsächliche Zahl derartiger Strafverfolgungen vermutlich wesentlich höher ist.
Werden Sie aktiv
Setzen Sie sich für Asaad bin Nasser al-Ghamdi ein: Senden Sie einen Appellbrief – per Post oder E-Mail, als Fax und/oder über die sozialen Medien – an die angegebene(n) Zielperson(en) sowie eine Kopie an die Botschaft.
→ Frist zum Mitmachen: 17. Januar 2025.
→ Schreiben Sie in Arabisch, Englisch oder in Ihrer eigenen Sprache.
Exzellenz,
Das saudi-arabische Sonderstrafgericht SCC hat den 47-jährigen Lehrer Asaad bin Nasser al-Ghamdi zu 20 Jahren Gefängnis und einem anschliessenden 20-jährigen Reiseverbot verurteilt, nur weil er Tweets auf X (ehemals Twitter) veröffentlicht hatte. Darin kritisierte er das Regierungsprojekt Vision 2030 und drückte sein Beileid zum Tod des bekannten, in Haft verstorbenen Menschenrechtlers und Gründungsmitglieds der saudi-arabischen Organisation für bürgerliche und politische Rechte (ACPRA), Abdullah al-Hamid, aus.
Berichten zufolge wird Asaad bin Nasser al-Ghamdi seit seiner Festnahme am 20. November 2022 die angemessene medizinische Versorgung seiner Epilepsieerkrankung verweigert. Dies führte wiederholt zu Ohnmachtsanfällen, Stürzen und Krampfanfällen. Auch die dadurch verursachten Verletzungen wurden nicht behandelt.
Bitte sorgen Sie dafür, dass Asaad bin Nasser al-Ghamdi umgehend und bedingungslos freigelassen wird und sein Schuldspruch und die Strafe aufgehoben werden.
Stellen Sie bitte sicher, dass Asaad bin Nasser al-Ghamdi unverzüglich die nötige und angemessene medizinische Versorgung erhält, insbesondere für seine Epilepsieerkrankung.
Sehen Sie bitte davon ab, Terrorismusvorwürfe dazu einsetzen, die Ausübung des Menschenrechts auf freie Meinungsäusserung zu kriminalisieren. Heben Sie stattdessen die Gesetze zur Terrorbekämpfung und Internetkriminalität auf oder reformieren Sie diese Gesetze grundlegend, so dass sie vollumfänglich mit den internationale Menschenrechtsnormen und -standards in Einklang sind.
Hochachtungsvoll,
Your Excellency,
I am gravely concerned that the Specialized Criminal Court (SCC) in Saudi Arabia has sentenced 47-year-old teacher Asaad bin Nasser al-Ghamdi to 20 years in prison, followed by a 20-year travel ban, solely on the basis of his social media posts on X (formerly Twitter) criticizing government policies and expressing condolences for the death in prison of prominent human rights defender and founding member of the Saudi Civil and Political Rights Association (ACPRA), Abdullah al-Hamid.
According to court documents reviewed by Amnesty International, al-Ghamdi was charged under the counter-terror law for crimes including «challenging the religion and justice of the King and the Crown Prince» and «supporting terrorist ideology and crimes ... and participating in hashtags for that purpose». All charges brought against him were related to his social media activity. According to trusted sources, among the posts on X considered as evidence against him during interrogation were ones where he criticized projects related to the government’s Vision 2030 programme and questioned the absence of projects in Jeddah and expressed condolences for the death of a prominent human rights defender. Amnesty International has already raised concern about the arrest and sentence to death in July 2023 of Al-Ghamdi’s brother, 55-year-old retired teacher Mohammad bin Nasser al-Ghamdi, solely for views he expressed on social media.
Al-Ghamdi was arrested on 20 November 2022 following a raid on his home. According to trusted sources, he was held in solitary confinement for the first three months of his detention. Al-Ghamdi suffers from epilepsy, and according to trusted sources he has been denied adequate healthcare in detention for his condition, and as a result he has suffered repeated fainting spells, falls and seizures. He has also been denied treatment for the injuries caused by these seizures.
Al-Ghamdi was denied legal representation for the first 9 months of his detention, during which he was interrogated without a lawyer in violation of his fair trial rights. He was later provided with a state-appointed lawyer who refused to meet al-Ghamdi before court sessions to prepare for his defence.
The Saudi authorities must immediately and unconditionally release Asaad bin Nasser al-Ghamdi and quash his conviction and sentence. Pending his release, they must ensure that al-Ghamdi urgently receives adequate healthcare.
I also call on you to stop misusing terrorism charges to criminalize the exercise of the human right to freedom of expression, and to repeal or substantially amend the counter-terrorism and anti-cybercrime laws, ensuring that all laws are fully compatible with international human rights law and standards.
Yours sincerely,
X/Twitter targets: @MojKsa / @HRCSaudi
Hashtags: #KingdomofRepression
Suggested messaging:
@SaudiArabia: Authorities must immediately & unconditionally release 47-year-old teacher Asaad bin Nasser Al-Ghamdi who was sentenced to 20 years in prison solely for social media posts criticizing the government.
Al-Ghamdi was charged under the counter-terror law. Among the posts on X considered as evidence against him were ones where he criticized projects related to the government’s Vision 2030 and expressed condolences for the death in prison of a prominent human rights defender.
Al-Ghamdi’s brother, 55-year-old retired teacher Mohammad bin Nasser al-Ghamdi, was sentenced to death on 9 July 2023 solely for views expressed on social media.
Despite promises of progress and reforms, Saudi authorities have adopted a zero-tolerance policy for any critical speech. #KingdomofRepression @MojKsa
Justizminister:
Waleed Mohammed Al Samani
Minister of Justice
Postal Code 11472, P.O Box 7775
Riyadh
Saudi Arabia
E-Mail: [email protected]
Dr. Hala bint Mazyad bin Mohammed Al-Tuwaijri
E-Mail: [email protected]
Twitter: @HRCSaudi
Fax: +966114185101
KOPIEN AN
Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien
Kirchenfeldstrasse 64
3005 Bern
Fax: 031 351 45 81
E-Mail: [email protected] ; [email protected]
AkTuelle Dokumente
DRUCKFERTIGE MODELLBRIEFE:
• MODELLBRIEF DEUTSCH 065/24 (WORD)
• MODEL LETTER ENGLISH 065/24 (WORD)
DIESE URGENT ACTION – KOMPLETT ALS WORD-DATEI:
(Seite 1 Hintergrundinformationen, Seite 2 Modellbrief)
• UA 065/24 – DEUTSCH
• UA 065/24 – ENGLISH
→ Versandmöglichkeiten und Zielperson(en) siehe: ADRESSEN und SOCIAL MEDIA GUIDE
→ Verwenden Sie unsere Briefvorschläge oder schreiben Sie in Ihren Worten.
→ Portokosten für Briefversand: Europa = CHF 1.90 / alle übrigen Länder = CHF 2.50
→ Weitere Informationen zum Mitmachen bei den Urgent Actions finden Sie hier
English version (click on title to open):
On 29 May 2024, Saudi Arabia’s Specialized Criminal Court (SCC) sentenced 47-year-old teacher Asaad bin Nasser al-Ghamdi to 20 years in prison for social media posts criticizing the government’s Vision 2030 programme and expressing condolences for the death in prison of a prominent human rights defender. Al-Ghamdi was arrested on 20 November 2022. According to trusted sources, he was held in solitary confinement for the first three months of his detention and has been denied access to adequate healthcare, including for his epilepsy. Asaad bin Nasser al-Ghamdi’s brother, Mohammad, was arrested five months prior to Asaad’s arrest and sentenced to death in July 2023 solely over his social media posts. The Saudi authorities must immediately and unconditionally release Asaad bin Nasser al-Ghamdi and quash his conviction and sentence.
On 22 November 2022, security forces raided Asaad bin Nasser al-Ghamdi’s home in Jeddah and forcefully dragged him away after ransacking his home and confiscating some books and computers. Asaad bin Nasser al-Ghamdi is the brother of both Dr Saeed bin Nasser al-Ghamdi, an Islamic scholar and government critic living in self-imposed exile in the United Kingdom, and Mohammad bin Nasser Al-Ghamdi, a 55-year-old Saudi retired teacher sentenced to death in July 2023 on trumped-up terrorism charges solely due to expressing criticism of the authorities on X (formerly Twitter) and YouTube. On 19 March 2024, the Working Group on Arbitrary Detention determined that Mohammad’s detention is arbitrary and in violation of his human rights.
Since 2011, Amnesty International has documented how the Saudi authorities have used the Specialized Criminal Court (SCC) as an instrument of repression to silence dissent. The SCC has routinely used vague provisions under the anti-cybercrime and counter-terror laws equating the exercise of the human right to freedom of expression with «terrorism». Amnesty International has documented how every stage of the SCC judicial process is tainted by human rights violations. The SCC’s judges have presided over grossly unfair trials and handed down prison sentences of up to 45 years and numerous death sentences. Among those the court has punished severely are journalists, human rights defenders, political activists, writers, religious clerics and women’s rights activists.
Nearly all human rights defenders, women’s rights activists, independent journalists, writers and activists in the country have been arbitrarily detained, put through prolonged and unfair trials – most often by the SCC – or released but under conditions that include travel bans and other arbitrary restrictions to their human rights, such as to prevent them to exercise their peaceful activism.
As of July 2024, Amnesty International has documented the cases of 82 individuals who had been prosecuted solely for exercising their rights to freedom of expression, association and peaceful assembly, including human rights defenders, political activists, journalists, poets, and clerics. Of those, 32 were prosecuted simply for expressing their opinions on social media. Amnesty International is aware that the real number of such prosecutions is likely much higher.
Take action
Write an appeal in your own words or use the model letter below. You find a ready-to-print model letter under
→ AKTUELLE DOKUMENTE
→ Addresses see above in ADRESSEN
Please also take action on Social Media (guide see above).
→ SOCIAL MEDIA GUIDE
→ Please take action before 17 January 2025.
→ Preferred language: Arabic, English. You can also write in your own language.